Die Corona-Pandemie hat die Markenwahrnehmung entscheidend beeinflusst
Die Analyse von Kriterien für erfolgreiche Kampagnen stellt im Marketing eine zentrale Aufgabe dar. Hygienefaktoren verkörpern dabei die Pflicht vor der Kür, denn sie schaffen die Voraussetzung dafür, dass sich Leistungs- und Begeisterungsfaktoren überhaupt erst entfalten können. Daniel Daimler wirft beim HORIZONT Werbewirkungsgipfel in Frankfurt einen Blick auf diese Faktoren – auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie.
„Dieser Vortrag passt alleine schon wegen des Titels perfekt in die aktuelle Zeit“, übergibt HORIZONT-Reporter Roland Pimpl das Zepter an Daniel Daimler, der seit über sieben Jahren die Marktforschung bei der Agenturgruppe Pilot leitet. Dieser ist aus Hamburg zugeschaltet und spannt in den folgenden zwanzig Minuten den Bogen von den Konsumentenbefindlichkeiten während der Pandemie bis zu dauerhaften Anforderungen an eine erfolgreiche Kampagnenkreation – alles unter der Überschrift: „Keep it simple: Das Hygiene-Konzept für die Werbung.“
Daimler gewährt zunächst Einblicke in den Pilot-Radar, eine Studienreihe, mit der die Agenturgruppe gemeinsam mit Norstat seit März 2020 alle zwei Wochen repräsentativ 1.000 Personen online interviewt, um Veränderungen innerhalb der Gesellschaft zu erfassen. „Im Zeitablauf ist eine enorme Dynamik der drei großen Themen Stimmung, Konsumverhalten und Mediennutzung zu erkennen. So litt etwa ab dem zweiten Shutdown im November die Konsumfreude, während die allgemeine Zuversicht nach dem Impfstart der Hausärzte stark anstieg, die Mediennutzung gleichzeitig abnahm – auch forciert durch das bessere Wetter“, analysiert Daimler.
In einer anderen Zeitreihe, dem Ad-Awareness-Index von YouGov, zeigt sich, dass die Ad Awareness von Marken während der Krise im Durchschnitt gesunken ist, allerdings hat sich der Abstand zwischen sporadisch werbenden Marken und kontinuierlich werbenden Marken dabei vergrößert. „Das beweist, dass sich Menschen nicht per se intrinsisch für Werbung interessieren. Marken müssen sich die Aufmerksamkeit aus einem kognitiven Raum ziehen, der zur jeweiligen Zeit zur Verfügung steht“, so der Marktforschungsexperte.
Die Corona-Pandemie hat die Markenwahrnehmung entscheidend beeinflusst
Neben den beschriebenen situativen Einflussfaktoren gebe es gleichbleibende Werbe-Wahrnehmungsmuster. Wichtig sei es, für die jeweilige Markenkategorie die wichtigsten Wirkungshebel zu identifizieren und in die Kampagnenplanung zu integrieren. „Wir haben im zweiten Quartal dieses Jahres eine große Grundlagenstudie zur Mediennutzung durchgeführt, dabei haben uns 10.000 Personen verraten, welche Medien sie in welchen Alltagssituationen häufiger oder seltener nutzen“, schildert Daimler. Es zeigt sich, dass Radio vor allem beim Autofahren konsumiert wird – damit der Fokus außerhalb des Mediums liegt, Print vorrangig beim Entspannen zu Hause – der Fokus liegt hier innerhalb des Mediums. Anfang November möchte Pilot eine Studie veröffentlichen, die aufzeigt, wie der jeweilige Kontext konkret die Werbewirkung beeinflusst.
Neben dem Kontext tangiere auch die Kreation die Werbewirkung, sie dürfe daher nicht lediglich als „hübscher Content“ verstanden werden. „Wir untergliedern das Potenzial hier in Hygiene-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren. Hygienefaktoren müssen zwingend erfüllt sein – sie sind die Basis, dass Leistungs- und Begeisterungsfaktoren, die bei Erfüllung den Werbe-Effizienzgrad linear beziehungsweise überproportional anheben, überhaupt greifen können“, sagt Daimler.
Kreation bedeutet mehr, als nur hübschen Content zu erzeugen - es handelt sich um einen wichtigen Wirkungshebel.
Daniel Daimler
Auf der Basis eigener Forschung und einer umfassenden Literaturrecherche habe das Pilot-Team die beiden beständigen Hygienefaktoren ‚Aufmerksamkeit‘ und ‚Unverwechselbarkeit‘ ermittelt. Dabei beziehe sich der Faktor Aufmerksamkeit auf die Frage, ob die Kommunikation für möglichst viele Verwender beziehungsweise Nicht-Ablehner der jeweiligen Warengruppe sichtbar, der Faktor Unverwechselbarkeit darauf, ob die Marke schnell und eindeutig wiedererkennbar sei. „Marken, die über Jahre hinweg konsistent geworben haben und vom Konsumenten gelernt sind, haben hier einen Vorteil, da sie bereits über die impliziten Markensignale, wie etwa Farben oder Typographie, wirken“, sagt Daimler.
Die Leistungs- und Begeisterungsfaktoren seien durch die „Kommunikationsidee“ und die „kreative Umsetzung“ bestimmt. Die dabei im Zentrum stehenden Fragen: Wird eine relevante, neue inhaltliche Perspektive auf die Warengruppe vermittelt? Und: Wird die Warengruppe auf eine relevante, neue Weise inszeniert? „Diese Faktoren müssen konsequent aus der Bedürfnisstruktur der jeweiligen Kategorie heraus gedacht werden“, so Daimler. Aus der Radar-Studie konnte ermittelt werden, dass seit März 2020 aus Konsumentensicht die Werbedauer der wichtigste Hygienefaktor darstellt, eine kreative Gestaltung – noch vor dem inhaltlichen Bezug zu Corona – den wichtigsten Leistungsfaktor und die Vermittlung positiver Emotionen sowie die wahrgenommene Relevanz des Produkts die wichtigsten Begeisterungsfaktoren.
Resümierend weist der Pilot-Consultant darauf hin, dass Schockereignisse wie Corona hohe Dynamiken hinsichtlich des Wirkpotenzials von Werbung erzeugten, verbunden mit der Erfordernis einer kontinuierlichen Sichtbarkeit am Markt. Gleichzeitig existierten Muster, auf die man sich dauerhaft verlassen könne. Beide Dimensionen gelte es zu berücksichtigen. „Durch die verknüpfte Betrachtung der jeweiligen Hebel können dann Budgetallokationen vorgenommen und wirkungsvolle Kommunikationsarchitekturen gestalten werden“, so Daimler. Für die Insights-Generierung sehe er in der akademischen Marketingforschung einen Fortschritt hin zu interdisziplinären, holistischen Studienansätzen. „Diese externen Analysen werden weiterhin gemeinsam mit den internen Erhebungen als fundierte Grundlage für unsere Kundenberatung dienen.“