Ralf Strauss, Präsident Deutscher Marketing Verband
Düsseldorf wird diese Woche zum Mekka der deutschen Marketing-Branche, wenn der 46. Deutsche Marketing Tag in den Messehallen nahe des Rheins stattfindet. Ein Thema wird die Agenda dabei besonders bestimmen: Daten und wie man sie sinnvoll zusammenführt. Eine Aufgabe, die immer noch vielen Marketing-Verantwortlichen Schweißperlen auf die Stirn treibt. Ralf Strauß, Präsident des Deutschen Marketing Verbandes und für das Programm des Deutschen Marketing Tages verantwortlich, kann zwar nachvollziehen, warum sich Marketer nicht gerne mit Daten beschäftigen – er sieht das aber als Gefahr für Unternehmen.
#PAYWALLHerr Strauß, der 46. Deutsche Marketing Tag steht vor der Tür. Das Motto lautet #marketing_centricity. Was verbirgt sich dahinter? Ende des vergangenen Jahres haben wir knapp 700 Marketing-Leiter und -Vorstände aus ganz Europa gefragt, was die Top-Themen auf ihrer Agenda für das kommende Jahr sind. Besonders häufig wurde uns dabei zurückgespielt, dass sie aufhören müssen, Marketing als eine Ansammlung von verschiedenen Tools und Taktiken zu betrachten. Marketing ist heute zwar unglaublich kleinteilig geworden. Aber Ziel muss es sein, die Verbraucher vollumfänglich anzusprechen und an allen Touchpoints abzuholen. Das macht gute Customer Centricity aus. Eigentlich müssen wir Marketing neu denken, nämlich vor allem kanal- und funktionsübergreifend. Das wollen wir mit dem Motto ausdrücken.Inwieweit muss sich die Rolle des CMOs hierfür verändern? Früher hat es ausgereicht, Expertise in einem Fachbereich wie Brand Management sowie übergreifende Management-Fähigkeiten zu besitzen. Heute sollte man nicht nur Fachwissen in mehreren Bereichen vorweisen können, sondern Idealerweise auch ein Verständnis dafür mitbringen, wie die IT funktioniert und wie sie gesteuert wird bzw. gemeinsame Projekte zu gestalten sind. Nur dann kann man ein sinnvolles Zusammenspiel zwischen Marketing und IT auf den Weg bringen. Dass beide Bereiche enger zusammenarbeiten müssen, steht denke ich außer Frage. Marketing wird eben immer technologie-getriebener.Bedeutet die zunehmende Technologisierung des Marketings gleichzeitig, dass Unternehmen Technologie-Know-how verstärkt ins eigene Haus holen müssen? In den vergangenen Jahren ging der Trend zum Outsourcing bestimmter Prozesse, auch was die Nutzung von IT-Anwendungen betrifft. Mittlerweile ist man wieder verstärkt der Meinung, dass man Technologie-Kompetenz inhouse braucht, um sich nicht abhängig von Agenturen zu machen. Das war auch der Tenor bei unserem CMO Community-Meeting Anfang November mit knapp 70 Marketingleitern und –vorständen. Wie stark man insourct, ist eine Frage der Skalierung: Holt man sich nur ein oder zwei Experten ins Haus und lässt extern umsetzen oder macht man auch die Execution inhouse? Dabei wird jedes Unternehmen zu eigenen Ergebnissen und Modellen kommen. Mehr zum Thema Das 18te Kamel Absturz Strategie Warum digitale Transformation übergreifende Denke und Identität braucht Die digitale Transformation beschäftigt sämtliche Wirtschaftszweige. Im Marketing geht es dabei schon seit Jahren um Themen wie Big Data, KI und die Optimierung von Customer Journeys. Der Markenstratege Peter John Mahrenholz erklärt in seinem Gastbeitrag, warum sich viele Unternehmen in zu vielen kleinen Transformationsprozessen verlieren und wieso sie stattdessen große Makro-Strategien entwickeln sollten. ... In den vergangenen ein, zwei Jahren gab es in der Marketingszene einen wahnsinnigen Hype um neue Technologien wie KI oder Blockchain. Den ganz großen Durchbruch gab es in diesen Bereichen aber bislang noch nicht. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Die meisten Unternehmen müssen überhaupt erst einmal die Voraussetzungen dafür schaffen, Künstliche Intelligenz einsetzen und skalierbar machen zu können. Es gibt viele Showcases, die anhand eines Prototypen auf der grünen Wiese zeigen, welche Möglichkeiten eine Marketing-KI bietet. Aber richtig spannend wird es doch erst, wenn man das in den Live-Betrieb überführt. Und dafür muss man Daten aggregieren und konsolidieren.Wie weit sehen Sie die deutschen Unternehmen hierbei? Es gibt inzwischen eine ganze Reihe vor allem großer Unternehmen, die einen eigenen Tech-Stack und eigene Datenplattformen aufgebaut haben. Und dann gibt es vor allem in der zweiten und dritten Reihe viele Firmen, die sich mit dem Datenthema schwer tun, weil sie keine Erfahrungen haben oder nicht wissen, wie sie anfangen sollen. Der 46. Deutsche Marketing Tag Die Veranstaltung findet am 4. und 5. Dezember in der Messe Düsseldorf statt. Thematisch liegt der Fokus auf Marketing Tech, doch auch Klassiker wie Content Marketing oder Customer Experience stehen auf dem Programm. Die Veranstalter rechnen mit etwa 1500 Besuchern – das wäre Vorjahresniveau. Am Abend des zweiten Kongresstages findet die Verleihung des Deutschen Marketing Preises an Katjes statt. Und die sich dann doch wieder in die Abhängigkeit einer Agentur oder eines der großen Tech-Anbieter begeben. Das ist die eine Gefahr dabei. Die andere ist: Data Management ist für viele Marketer ein sehr undankbares Thema. Wenn man eine neue Markenkampagne startet, ist das gut und prominent herzeigbar. Wenn man anfängt, seine Daten zu konsolidieren, kann man die nächsten ein bis anderthalb Jahre wenig bis gar nichts zeigen, sondern man räumt praktisch nur das Backoffice auf. Damit erntet man kaum Lorbeeren. Und nicht nur das. Man bekommt häufig auch noch gesagt: Warum fängst du erst jetzt damit an, das hätte es doch vor zehn Jahren schon gebraucht. Das führt dazu, dass viele das Thema vor sich herschieben – und damit einen Wettbewerbsnachteil riskieren.Der Deutsche Marketing Verband hat in der ersten Jahreshälfte den Marketing Tech Monitor vorgestellt, für den fast 500 Marketingverantwortliche zur Bedeutung von Technologie im Marketing befragt wurden. Eine Quintessenz aus den Ergebnissen lautet: Neue Plattformen braucht das Land – auch um sich unabhängiger von den GAFA-Unternehmen zu machen? Nicht nur das. Es geht auch darum, das Bewusstsein dafür zu schaffen, was es bringt, die Daten im eigenen Hause zu konsolidieren. Die meisten Unternehmen, mit denen wir im Rahmen von Workshops ihre MarketingTech-Strategie diskutieren, haben verstanden, dass sie an die Daten ran müssen – und zwar jenseits von Plattitüden wie „Daten sind das neue Öl“. Denn sonst bleibt man ein Spielball nicht nur der Agenturen, sondern auch von allen möglichen IT-Dienstleistern. Aber das ist wie gesagt alles andere als trivial. Es gibt eine ganze Reihe von Cookie-Plattformen, die man konsolidieren kann. Und dann es gibt auch noch die Stammdaten. Dadurch wird dieses ganze Datenthema für Unternehmen richtig biestig. Wenn man anfängt, seine Daten zu konsolidieren, kann man die nächsten ein bis anderthalb Jahre wenig bis gar nichts zeigen, sondern man räumt praktisch nur das Backoffice auf. Damit erntet man kaum Lorbeeren. Ralf Strauß, Deutscher Marketing Verband Eine der im Marketing Tech Monitor zitierten Aussagen lautete: „Granulare Messbarkeit und massenhaft individualisierte Ansprache von Kunden mit Hilfe von Data und Marketing Tech wird unsere Zukunft sein – weniger aufmerksamkeitsstarke Kampagnen.“ Sieht so wirklich die Zukunft des Marketings aus? Marketing ist heutzutage sicher gespalten. Auf der einen Seite leben wir in tollen Zeiten: Wir haben alle Tools zur massenhaften Individualisierung von Markenbotschaften. Aber, und das ist die andere Seite: Man muss diese Möglichkeiten auch sinnvoll nutzen. Und daran scheitert es häufig.Aber was ist mit den großen, reichweitenstarken Botschaften, mit denen man auch die Menschen erreicht, die bei der Kaufentscheidung sehr opportunistisch vorgehen? Diese so genannten „Light Buyer“ sind doch letztendlich für das Wachstum von Marken maßgeblich verantwortlich. Wichtig ist: Es darf kein Entweder/Oder zwischen Targeting und Massenwerbung geben. Aus der Brand-Funnel-Analyse wissen wir, dass man erst einmal Menschen an die Marke heranführen muss, um sie konvertieren zu können. Viele Entscheidungen werden heute entgegen dieser Logik gefällt. Gleichzeitig gilt aber, dass große Kampagnen heutzutage eine Wirkungsdauer bis zur nächsten Straßenecke haben. Also muss man schauen, dass man die Botschaft innerhalb dieser kurzen Zeitspanne möglichst effektiv kommuniziert. Upper Funnel und Lower Funnel müssen immer zusammenspielen! Mehr zum Thema Brainagency Digitale Transformation "Es braucht einen Generationswechsel" Alle reden von digitaler Transformation, KI und Daten. Im Unternehmensalltag scheint sich wenig zu bewegen. Das ist der Eindruck, den der „Marketing-Entscheider-Radar 2019“ von Brain Consulting erweckt. Wie es kommt, dass jeder zweite Marketingentscheider sein Unternehmen immer noch nicht für die digitale Marketing-Ära gerüstet sieht, erklärt Oliver Mohr, Geschäftsführer Brain Consulting, im Interview. ... Im Marketing ist aktuell viel von Haltung und Purpose die Rede. Im Programm des Deutschen Marketing Tages tauchen beide Begriffe so gut wie nicht auf. Was haben Sie gegen das Thema? Gar nichts, aber wir haben uns im vergangenen Jahr schon intensiv damit beschäftigt. Und das Feedback, das wir daraufhin aus der Branche erhalten haben, lautete: Purpose stellt sich vor allem Subthema des übergeordneten Bereichs Markenmanagement dar. Das Thema wird wichtiger werden, keine Frage. Aber der Aufbau von Datenkompetenz oder die Analyse der Customer Journey sind Themen, die mindestens gleichberechtigt daneben stehen.Womit wir wieder beim CMO wären, der alle diese Bälle gleichzeitig in der Luft halten muss. Auf der Website zum Deutschen Marketing Tag heißt es: „Marketing ist im Lead und in der Verantwortung für Unternehmenserfolge“. Überschätzen Sie die Rolle des Marketings damit nicht ein wenig? Früher waren Marketingverantwortliche rein auf Marketing-Kommunikation fokussiert. Data-driven Marketing gibt ihnen die Gelegenheit, ihren Platz am Konferenztisch im Vorstandsmeeting neu zu rechtfertigen. Wer seine Hausaufgaben macht und gutes Data Management betreibt, hat also genug Munition, um auf Augenhöhe mit den anderen Kollegen auf C-Level agieren zu können. Gleichzeitig sollten CMOs ihr Wissen auch auf sich selbst anwenden: Sie müssen anfangen, die Bedeutung ihrer Rolle stärker zu vermark