Dirk Görtz über Programmatic Printing von Mailings

"Da steckt Musik drin"

Dirk Görtz ist ist seit knapp einem Jahr Vice President Produkt-Marketing und Kommunikation bei der Deutschen Post DHL
Deutsche Post DHL
Dirk Görtz ist ist seit knapp einem Jahr Vice President Produkt-Marketing und Kommunikation bei der Deutschen Post DHL
In Zukunft wird ein Gutteil der Mailings programmatisch sein, also datengetrieben, automatisiert und individualisiert versandt werden. Davon ist Dirk Görtz, Vice President Deutsche Post DHL, überzeugt. Welche Vorteile das bringt und welche Hürden erst noch zu überwinden sind, erklärt er im Exklusiv-Interview mit HORIZONT.
Teilen

Für die meisten Marketer sind Mailing und Deutsche Post quasi synonym. Neuerdings taucht dabei aber öfter eine Vokabel auf, die noch nicht allen vertraut sein dürfte: Programmatic Printing. Was verstehen Sie darunter, Herr Görtz? Wir sprechen davon, wenn Mailings datengetrieben, automatisiert und individualisiert versandt werden können. Dabei bedeutet datengetrieben, dass ein Brief etwa auf Basis bestimmter Kundendaten gestaltet ist. Automatisiert bedeutet, dass er sich durch einen Trigger – einen bestimmten Anlass – auslösen lässt.


Ein Beispiel? Eine Kundin hat eine Bluse im Warenkorb eines Online-Händlers abgelegt, sie dann aber doch nicht bestellt. Daraufhin bekommt sie einen Brief, in dem die Bluse abgebildet ist, vielleicht noch in Variationen und mit einem Zusatzangebot, von dem man weiß, dass sich die Kundin dafür interessiert. Der Händler benötigt dazu eine gute Datenbank mit der aktuellen Adresse und der Kaufhistorie sowie vorgefertigte Layouts, die sich je nach gewünschter Individualisierung voneinander unterscheiden. Liegt alles vor, kann das Mailing schnell an die Kundin verschickt werden.

Was heißt "schnell"? Die Deutsche Post bietet zwei Versionen an. "E + 1" – hier trifft das Mailing bei der Kundin in der Regel einen Tag nach seiner Einlieferung bei uns ein. Und "E + 4": Da sind es vier Tage nach der Einlieferung. Das kostet etwas weniger.

Müssen die Werbebriefe angeliefert werden oder lassen sie sich auch rein elektronisch an die Post übermitteln? Na klar, elektronisch geht auch. Dann drucken und kuvertieren wir die Mailings, bevor wir sie zuschicken.

Ich glaube aber, dass die Herausforderungen nicht erst im Programmatischen selbst liegen, sondern häufig schon eine Stufe davor: in der Marketing-Automation.
Dirk Görtz
Wie oft machen Sie das? Das Gros der Briefe bekommen wir noch auf dem klassischen Weg, etwa über Lettershops, welche Mailings im Auftrag der Kunden versandfertig machen. Der Anteil der programmatischen Mailings, die digital an uns übermittelt werden, ist noch klein, wächst aber dynamisch.

Woher rührt die Zurückhaltung der Werbungtreibenden und der Agenturen in puncto Programmatic? Es ist das künftige Level. Dazu kommt: Fast alle Mailing-Studien, die mit beachtlichen Leistungswerten – etwa bei den  Conversion-Rates – aufwarten, basieren auf standardisierten und eben nicht programmatischen Mailings. Da steckt also noch Musik drin. Ich glaube aber, dass die Herausforderungen nicht erst im Programmatischen selbst liegen, sondern häufig schon eine Stufe davor: in der Marketing-Automation.

Nämlich? Nicht selten haben Werbungtreibende Systeme zur Automatisierung von Marketing-Prozessen zwar implementiert, setzen sie aber nur stellenweise ein, weil sie doch recht komplex sind und man sie eben auch bedienen können muss.

Woran hapert es? Ich kann mit den Systemen auch standardisierte Kampagnen automatisieren. Wenn ich aber wirklich datengetrieben individualisieren und automatisieren will, muss ich mich damit befassen und ausprobieren, was wie am besten funktioniert. Wohlgemerkt: Es handelt sich nicht um eine Hürde, die vor dem Programmatic Printing steht, sie befindet sich vielmehr vor dem programmatischen Ansatz. Beim E-Mail-Marketing beispielsweise ist es nicht anders. Es braucht den Datentopf, es müssen Regeln erarbeitet werden, wie das Ganze funktionieren soll, die Regeln müssen umgesetzt, evaluiert und sehr wahrscheinlich immer mal wieder modifiziert werden.

Unterscheiden sich die Abläufe bei Mailings und E-Mails prinzipiell noch, wenn beide programmatisch eingesetzt werden? Nein, wenn ich beide aus einem Marketing-Automation-System heraus steuere, sind die Abläufe dieselben. Auch viele grundsätzliche Fragen müssen nur einmal beantwortet werden: Welche Kundengruppen sollen speziell mit welchen Produkten angesprochen werden? Wann erreiche ich sie am besten? Auf welche Botschaften sprechen sie besonders gut an? Und so weiter. Lediglich in wenigen Punkten werden die Entscheidungen anders ausfallen: Nicht jedes Bild und jeder Text eines Mailings passen genauso gut in eine E-Mail. Und nicht jede Empfängerin freut sich gleichermaßen über eine E-Mail wie über den Brief.

Werden Mailing und E-Mail inzwischen eher crossmedial genutzt oder verlassen sich die Werbungtreibenden entweder auf das eine oder das andere? Mittlerweile wird zumeist beides gemacht. Nicht immer gleichzeitig und parallel, aber selten bloß eines. Versandhändler verschicken längst nicht mehr nur Kataloge, sondern auch E-Mails. E-Commerce-Unternehmen ergänzen ihre Mails durch Mailings. Sie alle orientieren sich zunehmend an ihren Kunden: Sie sehen, wer worauf und wann am besten reagiert und leiten daraus ab, wer lieber E-Mails und wer lieber Mailings erhalten möchte.

Crossmedia bedeutet, mehrere Instrumente miteinander zu verzahnen. Wie schlägt sich der Werbebrief dabei? In unseren Studien mit dem Collaborative Marketing Club, dem CMC, haben wir untersucht, was geschieht, wenn Mailing und Mail im E-Commerce kombiniert werden, indem das eine Instrument an das andere anknüpft und ans erste erinnert. Herausgekommen ist beispielsweise, dass E-Mails verstärkend wirken: Ihre Verknüpfung hat die Conversion-Rate von Mailings teilweise verdoppelt.

Immer mal wieder wird angeregt, Mailings mit Augmented Reality zu verbinden, um sie auf diese Weise etwas aufzupeppen. Praktisch sieht man davon aber so gut wie nichts. Passt die erweiterte Wirklichkeit nicht zum Werbebrief? Augmented Reality braucht ein Sprungbrett in sie hinein. Das kann ein Smartphone sein, mit dem ich zum Beispiel einen ins Mailing gedruckten QR-Code fotografiere, der mich ins virtuelle Geschehen trägt. Technisch ist das kein Problem, und Mailings können etwa über die Haptik wundervolle Umgebungen dafür bieten.

Aber? Es wird selten nachgefragt. Die Werbungtreibenden bräuchten spezielle, attraktive Inhalte in der Augmented Reality. Und der zusätzliche Aufwand dafür muss natürlich im Verhältnis zum erwarteten Ergebnis stehen.
Dirk Görtz

Der 49-jährige Diplom-Ökonom und Doktor der Philosophie ist seit knapp einem Jahr Vice President Produkt-Marketing und Kommunikation bei der Deutschen Post DHL, für die er seit 2011 arbeitet. Davor war er für Werbeagenturen tätig. Im Geschäftsjahr 2021 hat der Bonner Konzern, der in mehr als 200 Ländern aktiv ist, 1,7 Milliarden Euro mit Mailings erwirtschaftet. Sein Gesamtumsatz belief sich auf 81,7 Milliarden Euro.

stats