Das Berliner Vorzeige-Start-up Einhorn kommt ganz ohne Hierarchien aus, kennt keine Anwesenheitspflichten legt alle Gehälter der mittlerweile 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intern offen. Cordelia Röders-Arnold ist dort seit August 2017 Head of Menstruation, zuvor war sie Managerin bei Beiersdorf.
"Einmal im Monat packen wir alle Konflikte auf den Tisch"
Cordelia, ein Erfolgsrezept von Einhorn ist: Jeder Mitarbeiter ist sein eigener „Unternehmer im Unternehmen“. Wie muss man sich das vorstellen? Ich denke, unser Erfolgsrezept ist, dass jeder bei Einhorn seinen oder ihren Job so ausfüllen kann, wie er oder sie das möchte. Das ist aber nur eine von vielen Facetten, den eigenen Job bei Einhorn zu definieren.
Du selbst bist Head of Menstruation, also für Produkte wie Menstruationstassen und Slipeinlagen verantwortlich. Wieviel zum Einhorn-Umsatz trägt Dein „Unternehmen“ bei? Das trennen wir gar nicht so hart. Einhorn-Umsatz ist Einhorn-Umsatz. Aber die Periodenprodukte machen inzwischen eineinhalb Jahre nach dem Launch 52 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus.
Digital Marketing Days 2020
Am 14. und 15. Oktober finden die
HORIZONT Digital Marketing Days 2020 statt. Wegen Corona ist die Veranstaltung als Hybrid Event geplant mit festgelegter Teilnehmerzahl vor Ort in Hamburg sowie der zusätzlichen Möglichkeit zur virtuellen Teilnahme. Das Programm fokussiert auch 2020 auf die wichtigsten Trendthemen im Digitalmarketing, unter anderem „Markenbildung: Neue Strategien für Social Media–Plattformen, „New Work: Weniger Hierarchien und mehr Flexibilität“, „Tech, Daten, Kreation: Best Cases im Digital Marketing“, „Voice first: Audio & Podcasts im digitalen Marketing“, Digital Purpose und Transformation: Business-Modelle neu gedacht“ sowie „Digitalismus: Bessere Rahmenbedingungen für jeden Menschen“. Rund 40 Top Speakerinnen und Speaker werden erwartet, darunter Christiane Haasis und Angela Nelissen (CHAN), beide Vice President Refreshment DACH, Unilever Sascha Pallenberg, Head of Digital Transformation, Daimler AG, Thorsten Scheib, Geschäftsführer Marketing, Philip Morris, Maike Abel, Head of Media Communication & Content, Nestlé Deutschland, Cordelia Röders-Arnold, New Work & Head of Menstruation 2.0, Einhorn , Justina Rokita, Chief Marketing Officer, MOIA Thomas Wlazik, Managing Director Global Business Solutions, TikTok Deutschland sowie Kim Alexandra Notz, Managing Partner, KNSKB+.
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Es gibt bei Einhorn keine Hierarchie. Das hört sich erstmal klasse sein. Sorgt bei Euch aber auch, so kann man lesen, immer wieder für Chaos. Wie bekommt ihr das Chaos in den Griff? Unsere wunderbare New Work Coach Bettina Rollow sagt immer “New Work needs inner work”. Wer wenig äußere Strukturen hat, braucht innere Stabilität. Deshalb haben wir einen Psychotherapeuten, der uns bei Bedarf hilft, innere Klarheit aufzubauen. Im Team arbeiten wir viel mit Feedback und Gewaltfreier Kommunikation. Einmal im Monat packen wir alle Konflikte auf den Tisch. Wer keine starren Strukturen möchte, muss viel reden. Das ist nicht immer unanstrengend, aber sehr bereichernd.
Für viele ist Einhorn quasi der „Master of New Work“. Wie würdest Du es nennen? Ein Experimentierlabor für Neues Arbeiten und Wirtschaften.
Wie muss man ticken, wenn man bei Einhorn arbeiten will, und wie sollte man auf keinen Fall sein? Man sollte auf jeden Fall Lust haben, die eigenen Wahrheiten auf den Kopf stellen zu lassen und sich aus der eigenen Komfortzone zu bewegen.
Du selbst warst vor Einhorn sieben Jahre lang bei Beiersdorf: Was trennt beide Welten am stärksten? Der größte Unterschied besteht sicherlich in der Unternehmensstruktur und daran gekoppelt, in den Zielen der beiden Firmen. Einhorn hat keine Investoren und ist, wie beispielsweise auch Ecosia, Neue Narrative und Soulbottles, eine Purpose Company. Das heißt: Die beiden Gründer haben einen Teil ihrer Anteile an die Purpose Stiftung abgegeben, und das Unternehmen kann nun nicht mehr verkauft oder vererbt werden. Stimmberechtigt sind die Mitarbeitenden im Unternehmen. Die Maximierung von Shareholder Value, die in den meisten Unternehmen Antrieb zum Wachstum ist, nehmen wir so aus der Gleichung. 50 Prozent der Einhorn-Profite werden in nachhaltige Projekte reinvestiert. Das ist unsere Motivation.
Siehst Du auch Gemeinsamkeiten zwischen Konzern und Start-up? Natürlich. Ich war etwas naiv zu glauben, dass es im Start-Up ohne Hierarchien keine Politik gibt. Aber die gibt es natürlich auch hier. Vielleicht ist diese Form der Politik sogar noch kniffliger, weil die Gatekeeper nicht als solche benannt sind.
Viele große Unternehmen und Konzerne wollen von Eurem Konzept lernen. Welche sind Deine drei wichtigsten Tipps für Konzerne auf dem Weg zu vielen kleinen „Einhorns“? Gebt Verantwortung und Entscheidungshoheit ab, kümmert euch um Kommunikation und Gefühle, führt Nachhaltigkeit als elementaren KPI ein.
Einhorn gehört zu den wenigen „Gewinnern“ der Corona Krise, weil der Kondomverbrauch im Lockdown stieg. Wie haben sich eure Umsätze konkret entwickelt? Ob der Kondomverbrauch stieg, oder die Menschen Kondome kauften, weil sie sich einen steigenden Verbrauch erhofften - vermag ich nicht zu sagen. Was für uns aktuell zu beobachten ist, ist, dass Menschen seit Beginn der Coronakrise offenbar noch mehr Wert auf Nachhaltigkeit, Fairness und transparente Lieferketten legen. Auch unsere Menstruationscup läuft seit Corona noch besser. Wir hoffen, dass dieses gesteigerte Umweltbewusstsein weiter anhält.
Wann wird es neue Produkte vom Head of Menstruation geben? You know when you know ;-).
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