Zuckerdebatte

Rewe macht ganz Deutschland zum Puddingtester

Mit einem eigenen Verkostungsset können die Kunden die unterschiedlichen Süßigkeitstufen ausprobieren
HORIZONT / cam
Mit einem eigenen Verkostungsset können die Kunden die unterschiedlichen Süßigkeitstufen ausprobieren
Zucker verspricht das große Reizthema der Lebensmittelbranche zu werden, doch Rewe sieht hier vor allem eine Chance, die eigene Marke zu profilieren. Mit der neuen Kampagne „Wieviel Zucker brauchst du?“ lässt der Händler erstmals die Kunden über den Zuckeranteil in einem Produkt entscheiden. Der dafür ausgewählte Pudding steht dabei symbolisch für einen breiteren Trend: Bis 2020 will Rewe 50 Prozent seines Eigenmarken-Sortiments auf salz- und zuckerreduzierte Rezepte umstellen.
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Rewe "Du bist Zucker" 2018

Wie Rewe-Einkaufschef Hans-Jürgen Moog bei der begleitenden Pressekonferenz selbst einräumte, beschäftigt sich der Händler schon seit längerem mit gesünderen Produktrezepten: „Aber wir haben es nie so konsequent gemacht wie jetzt.“ Die dahinterliegende Motivation bringt Moog auf eine einfache Formel: „Es ist unstrittig, dass zuviel Zucker konsumiert wird, weil es in zu großen Mengen in Lebensmitteln vorhanden ist. Da möchten wir als Rewe eine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.“

Mit diesem Anliegen ist der Händler durchaus nicht allein. So arbeiten etwa die FMCG-Konzerne Nestlé und Unilever schon seit längerem an vergleichbaren Projekten. Diese halten sich bei der Kommunikation dieser Strategie gegenüber den Endkonsumenten allerdings normalerweise zurück, da viele Kunden reduzierte Produkte mit weniger Aroma gleichsetzen.

Um nicht in eine vergleichbare Falle zu stolpern, macht Rewe nun  die Kunden zum Teil des Umrüstungsprozesses. Einen Monat lang wird es das Testpaket „Rewe Deine Wahl“ aus vier Schokopuddingvarianten mit unterschiedlichen Zuckeranteilen zum Probierpreis von 1 Euro geben. Die Käufer können anschließend auf rewe.de/wenigerZucker abstimmen, welcher Zuckeranteil ihnen am besten schmeckt. Der Sieger der Abstimmung wird dann ab Ende Mai dauerhaft die bisherige Rezeptur im Sortiment ersetzen.

Begleitet wird die Aktion mit einer von Thjnk Hamburg kreierten TV-Kampagne (Mediaplanung: OMD Düsseldorf). Darüber hinaus wird das Thema Zuckerreduzierung durch einen weitreichenden Kampagnenflight in Print- und Onlinemedien, durch einen Messeauftritt bei der Grünen Woche, Verkostungsaktionen am PoS sowie PR-Maßnahmen kommuniziert.

„Dabei ist uns wichtig, mit dem Verbraucher nicht mit erhobenem Zeigefinger zu kommunizieren“, sagt Marketingleiterin Elke Wilgmann: „Vielmehr möchten wir mit der Kampagne das komplexe Thema an unsere Kunden auf eine positive Art kommunizieren, sie von Beginn an in den Veränderungsprozess einbinden und ihnen mit Wissen, Tipps und Inspirationen die Möglichkeit geben, sich auch mit geringerem Zuckerkonsum genussvoll im Alltag zu ernähren.“

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, weshalb Rewe als Beispielprodukt des Programms den Schokopudding wählte. Auf diese Weise entfällt für den Händler die Notwendigkeit, in der Kampagne umständlich über versteckten Zucker in Lebensmitteln reden zu müssen. Stattdessen vermittelt der Spot dem Zielpublikum die vereinfachte Wohlfühlbotschaft: „Du bist ohnehin Zucker. Wieviel Zucker brauchst du noch in deinem Essen?“

Trotz der Ängste vieler Verbraucher, durch solche Programme am Ende weniger schmackhaftes Essen zu haben, halten sich die unternehmerischen Risiken für Rewe in Grenzen. Zum einen profiliert sich der Händler als Referenzadresse für Kunden, die Wert auf eine ausgewogene Ernährung legen, und liefert damit faktisch auch eine Markenkampagne für die eigenen Handelsmarken. Zum anderen greift die Marke damit proaktiv einer strengeren Regulierung durch die Politik vor.

Dabei liefert die Kampagne auch ein äußerst gelungenes Beispiel für das Trendthema Experiential Marketing. Denn die Teilnehmer an der Abstimmung verkosten zwangsweise das Produkt und erfahren auf diese Weise eine engere Bindung an das Produkt, als eine klassische Werbekampagne allein jemals hätte leisten können. cam

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