Christian Freese, General Manager bei Uber Deutschland
Gewaltsame Proteste und Verhaftungen in Frankreich, Gerichtstermine im Wochentakt und milliardenschwere Finanzierungsrunden - der umstrittene Fahrdienst Uber sorgt beinahe täglich für Schlagzeilen. HORIZONT Online hat mit Christian Freese, dem Deutschlandchef des auf 50 Milliarden US-Dollar taxierten Unternehmens, über die hiesige Gesetzeslage, die Wachstumsperspektiven in Deutschland und die Angst der Taxibranche gesprochen.
Herr Freese, letzte Woche gingen in Frankreich die Taxifahrer gegen Uber auf die Straße, legten Brände und lösten ein Verkehrschaos aus. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie solche Bilder sehen? Wir sind alle geschockt. Gewalt gegen Menschen und Dinge hat in einer Diskussion nun wirklich überhaupt nichts zu suchen – und sollte auch kein Argument in einem politischen Entscheidungsprozess sein. Französische Taxifahrer demonstrieren gegen Uber
Anfang der Woche sind in Frankreich zwei Uber-Manager im Zusammenhang mit dem Verfahren wegen illegaler Beschäftigung festgenommen worden. Was sagen Sie dazu? Wir bieten auf Basis einer Smartphone-App zusätzliche Mobilitätsoptionen an, die dem Verbraucher zugutekommen und zahlreiche Jobs schaffen. Dass Uber-Mitarbeiter dafür festgenommen werden, dass sie den Fortschritt fördern und dem Verbraucher zusätzliche Alternativen bieten, kann ich nicht nachvollziehen.
Was glauben Sie: Wird sich Uber in Europa durchsetzen, oder sind die hiesigen Gesetze zu „undigital“ und fortschrittsfeindlich? Ich finde durchsetzen ist das falsche Wort. Es geht vielmehr darum, wie wir künftig in Europa mit digitalen Innovationen umgehen. Ich glaube, dass einige Gesetze einfach nicht mehr zeitgemäß sind.
Was fordern Sie denn konkret? Nehmen Sie den Bereich der Mobilität. Hier geht es uns nur um einige wenige Bestimmungen, die einfach aus einer anderen Zeit stammen – also einer Zeit vor Satellitennavigation und Smartphones – und die den Fortschritt im Bereich der Mobilität in Deutschland erschweren. Taxifahrer, die unsere Plattform nutzen, sind happy.
Christian Freese
Die da wären? Ein Beispiel ist die sogenannte Rückkehrpflicht. Es ist tatsächlich so, dass der Chauffeur eines Limousinenservices nach einer Fahrt erst an seinen Firmensitz zurückkehren muss, bevor er den nächsten Auftrag entgegennimmt. Auch die zwingend vorgeschriebene Ortskenntnisprüfung ist aus unserer Sicht in Zeiten von Navigationsgeräten nicht mehr zeitgemäß. Dasselbe gilt für die Fachprüfung für sogenannte Mietwagenunternehmer. Das, was da von Chauffeuren verlangt wird, gleicht schon fast einem Hochschulstudium. Damit werden Eintrittshürden künstlich erhöht und das Angebot knapp gehalten – letztlich zu Ungunsten des Verbrauchers.
Die Taxifahrer sehen Uber als Totengräber ihres Berufszweigs, genau wie viele traditionelle Branchen ihre Zukunft von der Digitalisierung und disruptiven Geschäftsmodellen bedroht sehen. Können Sie das verstehen? Zum Teil schon. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Strukturen in der Taxibranche verkrustet sind. Wenn sowohl die Anzahl der Taxis als auch deren Preis festgelegt sind, hat kein Anbieter mehr einen Anreiz, etwas an seinem Produkt zu verbessern – er dürfte ohnehin nicht mehr oder weniger Geld dafür verlangen. Daher fordern wir ja auch, dass der Gesetzgeber die Bedingungen für den gesamten Markt verbessert, nicht nur für Dienste wie Uber.
Wäre das traditionelle Taxigewerbe ohne gewisse Schutzmaßnahmen nicht dem Tode geweiht? Uber ist derzeit deutlich günstiger als ein Taxi! Nein, wir können und wollen Taxis nicht verdrängen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In San Francisco wurden im Taxigewerbe 2014 etwa 120 Millionen US-Dollar umgesetzt, das war in etwa so viel wie in den Jahren zuvor. Uber ist in San Francisco in der gleichen Zeit auf einen Umsatz von 500 Millionen Dollar angewachsen. Das zeigt doch, dass wir – wie seinerzeit Ryanair im Airlinemarkt – ganz andere und neue Kundengruppen ansprechen, und der Kuchen durch uns insgesamt größer wird. Uber umgarnt Cannes-Besucher während des Taxistreiks
Der Taxifahrer wird Uber dennoch als einen Konkurrenten wahrnehmen, der darauf aus ist, ihm etwas wegzunehmen. So lassen sich jedenfalls die Plakate interpretieren, mit denen Uber letzte Woche während des Taxistreiks in Cannes um Kunden geworben hat. Auch in Deutschland wirbt Uber seit ein paar Wochen auf Taxis – also ausgerechnet auf den Fahrzeugen jener Leute, die sich von Ihnen bedroht fühlen. Haben wir bald auch in Deutschland französische Verhältnisse mit streikenden und randalierenden Taxifahrern? Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Die Fahrer der Taxis, auf denen wir werben, würden das ja nicht machen, wenn sie da nicht selbst dahinterstehen würden.
Das müssen Sie mir erklären! Wir arbeiten inzwischen auch mit deutschen Taxifahrern zusammen. Das heißt konkret: Man kann über Uber auch ein klassisches Taxi bestellen. Allein in Berlin haben wir eine vierstellige Zahl von Taxifahrern auf der Uber-Plattform. Und genau das wollen wir ja auch mit der Kampagne auf den Taxis kommunizieren.
Uber wirbt auf Taxen in Berlin
Wie kommt denn ein Taxifahrer dazu, mit Uber zusammenzuarbeiten? Ein ganz entscheidender Grund ist unsere technische Plattform: Die ist so ausgereift, dass wir eine sehr hohe Auslastung der Fahrer und geringe Leerzeiten sicherstellen können. Während ein Taxifahrer im Schnitt 70 Prozent seiner Arbeitszeit steht und pro Stunde durchschnittlich nur einen Fahrgast transportiert, sind es bei Uber zwei bis drei Fahrten. In manchen internationalen Städten wartet ein Uber-Partner nur 60 bis 90 Sekunden auf einen neuen Mitfahrer. In der Regel verdienen Uber-Partner mehr als bei einem traditionellen Taxiunternehmen.
Sie haben nach dem Verbot von uberPOP kürzlich das deutlich aufwändigere Angebot uberX gestartet, bei dem alle Fahrer einen Personenbeförderungsschein benötigen sowie alle Fahrzeuge als Mietwagen zugelassen und versichert sein müssen. Wo bietet Uber diesen Service bereits an? Wir sind bislang in München, Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf gestartet. In Berlin stecken wir noch in den Vorbereitungen. Wir freuen uns allerorts über eine sehr gute Entwicklung!
Was heißt das in Zahlen? Wir haben derzeit rund 50.000 aktive Nutzer in Deutschland, und es kommen wöchentlich mehrere Tausend neue Kunden hinzu.
Uber hat gerade die Kartentechnologie von Microsoft übernommen. Welche Bedeutung hat der Deal? Das Thema Karten und Navigation ist für Uber von strategisch elementarer Bedeutung. Mit Investitionen in Kartendienste stellen wir sicher, dass wir diesen Teil der Wertschöpfungskette selbst in der Hand haben. Das ist für uns enorm wichtig.
Microsoft wird seine Technologie nicht gerade verschleudert haben.Hinzu kommen weitere Kosten, etwa für Personenbeförderungsscheine und Versicherungen in Deutschland. Schreibt Uber bereits schwarze Zahlen? Für uns ist es in erster Linie wichtig, eine Community aktiver und zufriedener Nutzer aufzubauen, die unser Verständnis von moderner Mobilität teilt und in ihren Alltag integriert. In Deutschland sind wir auf einem sehr guten Weg, dieses Ziel auch zu erreichen.