Social Media

Wie Neckermann Reisen mit Snapchat die Marke verjüngen will

 Neckermann ist seit diesem Jahr auf Snapchat
Neckermann
Neckermann ist seit diesem Jahr auf Snapchat
Alle Welt redet von Facebook, Twitter und Instagram - doch mit Snapchat gibt es eine weitere Social-App, die großes Potenzial für Marken bereithält. In Deutschland gehört Neckermann Reisen zu den Snapchat-Pionieren. Social-Media-Manager Martin Widenka erklärt, warum und wie die Thomas-Cook-Tochter die Plattform nutzt.
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Noch ist Neckermann ein Frischling auf Snapchat: Das Unternehmen ist dort seit Juli 2015 mit einem eigenen Account vertreten (Name: neckermannde). Und wie viele andere Marken war es auch für die Oberurseler ein Sprung ins kalte Wasser. Denn noch sind die Erfahrungen mit Snapchat sehr begrenzt - vor allem in Deutschland. Facebook, Youtube und Blogs werden von hiesigen Unternehmen gerne genutzt, wie eine Umfrage des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel belegt. Snapchat taucht in den Ergebnissen nicht auf.
Umfrage zur Nutzung von Social Media Plattformen durch Unternehmen in Deutschland
Statista
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Entsprechend schwierig ist es, einen Business-Plan für eine Plattform aufzusetzen, die man erst kennenlernen muss. Neckermann sei daher recht ergebnisoffen an das Thema herangegangen, berichtet Widenka. Ihm gehe es darum, Dinge auszuprobieren und mit einem neuen Kanal zu experimentieren. Dass Snapchat, wo Inhalte nur begrenzte Zeit sichtbar sind, als Marketing-Kanal durchaus vielversprechend ist, beweisen die jüngsten Kennziffern des Unternehmens. Im vergangenen Jahr wurden 700 Millionen Fotos am Tag auf der Plattform hochgeladen. Die Zahl der Video-Views wuchs auf schier unfassbare 6 Milliarden - bei etwa 100 Millionen täglich aktiven Nutzern. Diese sind in der Regel sehr jung: Laut Global Web Index ist mehr als die Hälfte aller Snapchat-Nutzer weltweit zwischen 16 und 24 Jahren alt.

Widenka sieht die App daher als gute Möglichkeit, Zielgruppen anzusprechen, die sich mit klassischer Werbung immer schlechter erreichen lassen: "Mit unseren klassischen und Online-Marketing-Aktivitäten sind wir gut aufgestellt. Wenn wir jedoch an die Kunden von morgen denken, dann müssen wir neue Wege beschreiten – Instagram und Snapchat sind die Netzwerke der Generation unter 20", so Widenka.

Neckermann fällt das Experimentieren dabei möglicherweise leichter als anderen Unternehmen. Denn die Marke verfügt über äußerst attraktive Inhalte: Reisen und Fernweh. "Snapchat hat für Marken ein Riesen-Potenzial, besonders für Touristik-Marken", erklärt Widenka. "Reisen bedeutet, Bilder und Videos zu machen. Die Touristik lebt sehr stark von der visuellen Kommunikation. Das wollen wir nutzen. Wir wollen authentisch sein und den Nutzern zeigen, wie Reisen mit Neckermann aussehen."

Was die Marke jedoch nicht in vergleichbarem Maße hat wie etwa Nike oder Coca-Cola, ist Begehrlichkeit und das Potenzial, die Massen zu begeistern. Deswegen gab das Unternehmen die Kontrolle über seinen Snapchat-Kanal gezielt ab - und legte sie in die Hände von Social-Media-Influencern: Vor wenigen Wochen reisten die Instagrammer rmkhnert_ und lelciaa im Auftrag von Neckermann nach Griechenland und übernahmen für einige Tage den Snapchat-Account der Marke. Von Kreta aus produzierten die beiden Live-Stories und boten den Zuschauern so Einblicke in eine von Neckermann organisierte Reise. Dafür gab es im Schnitt 300 Views.

(Fotos: Neckermann)

Das ist nicht viel - aber immer noch mehr, als wenn Neckermann die App komplett in Eigenregie bespielen würde. "Wenn wir unsere Snapchat-Aktivitäten ausschließlich selbst promoten, würden wir kaum Reichweite aufbauen. Dafür sind wir als Reisekonzern noch nicht bekannt genug auf Snapchat. Deswegen haben wir uns für die Zusammenarbeit mit bekannten Social-Media-Persönlichkeiten entschieden", bescheibt Widenka einen Vorteil dieser Vorgehensweise.

Ein weiterer: Neckermann gibt auf diese Weise Menschen die Kontrolle, die in der Social-Media-Welt zuhause sind und virtuos mit Facebook, Instagram und Snapchat umgehen. Eine ähnliche Kooperation unterhält Neckermann deswegen auch mit der Youtuberin Bibis Beauty Palace. Und die nächsten Influencer-Reisen sind bereits geplant: Anfang Dezember geht es gemeinsam mit dem Instagrammer Sebastian Spasic nach Südafrika. Auch diese Reise wird Neckermann in Snapchat-Stories abbilden. Künftig wolle man regelmäßig Reisen auf Snapchat begleiten, erklärt Widenka, "im Idealfall mehrmals im Monat."
Die Touristik lebt sehr stark von der visuellen Kommunikation. Das wollen wir nutzen.
Martin Widenka
Über eines ist sich Widenka dabei im Klaren: Snapchat eignet sich derzeit nicht für Performance-Ziele. "Snapchat ist für uns ein Branding-Kanal, der zur Verjüngung der Marke Neckermann Reisen beiträgt. Absatz-Ziele verfolgen wir dort nicht", sagt der Social-Media-Manager, schiebt aber hinterher: "Was nicht heißt, dass Snapchat keine Sales treiben kann. Wenn man mit den richtigen Influencern zusammenarbeitet, kann auch das funktionieren."

Ob Snapchat ins Relevant Set von deutschen Werbungtreibenden aufsteigen kann, wird von der weiteren Entwicklung des Netzwerks abhängen. Derzeit gehört die App zu den am stärksten wachsenden Social-Media-Anwendungen der Welt (siehe Chart), der Börsengang des Unternehmens soll kurz bevorstehen. Zuletzt wurde Snapchat mit 16 Milliarden Dollar bewertet - allerdings schrauben erste Investoren ihre Bewertungen bereits herunter.
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Was auch daran liegt, dass Snapchat noch das Geschäftsfmodell fehlt. Die Werbevermarktung steckt noch in den Kinderschuhen, also experimentiert man auch mit Bezahlinhalten. Und Widenka sieht noch eine weitere Hürde für die App: "Momentan ist es ein großes Problem, dass Snapchat sehr viel Bandbreite wegnimmt und dadurch das Datenvolumen sehr schnell aufgebraucht sein kann. Wenn sich das ändert, wird Snapchat in Deutschland einen enormen Schub erfahren, da bin ich mir sicher."

Sollte Snapchat diesen Schub hinlegen, sieht Widenka nicht nur für Werbungtreibende große Chancen - sondern auch für Agenturen: "Um eine anständige Live-Story zu produzieren, braucht man Leute vor Ort. Agenturen könnten Unternehmen Personal zur Verfügung stellen, die am Ort des Geschehens Snapchat bedienen. Das könnte ein neuer Business-Zweig werden." ire
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