Die Dmexco erfindet sich neu
Die Digitalmesse Dmexco hat schwierige Monate hinter sich, mit
Kritik am Konzept ("zu unübersichtlich, zu abgehoben global") und der
hässlichen Trennung von den früheren Messe-Machern Christian Muche und Frank Schneider. Die neue Führung blickt jetzt nach vorn und ändert die Ausrichtung. Und ein spannender Medienmann wird in Köln seinen ersten Auftritt haben.
Das Motto der kommenden Dmexco (12./13. September auf dem Kölner Messegelände) lautet "Take CARE"; das Akronym steht für Curiosity, Action, Responsibility, Experience. "Bleibt neugierig, handelt bewusst, übernehmt Verantwortung und schafft besondere Erlebnisse", deutet Dominik Matyka das Motto auch mit Blick auf den wachsenden öffentlichen Druck auf die gesamte Branche. Der Digitalinvestor, Berater und frühere Gründer des Werbenetzwerks Plista (2014 an Group M verkauft) fungiert seit Januar als "Chief Advisor" der Dmexco.
Dominik Matyka kümmert sich als Chief Advisor der Dmexco um die Bereiche Strategy & Conference
Drei Ziele hat sich Matyka auf die Fahnen geschrieben: Erstens eine bessere
Orientierung – sowohl auf dem Gelände selber (hier gibt es jetzt eine Kooperation mit Samsung für Info-Screens) als auch inhaltlich, "für ein besseres Verständnis des digitalen Ökosystems". Alle Veranstaltungen und künftigen Inhalte ordnet man in ein neues
Themenraster ein: Marketing, Media, Technologie, Business und Future. Zweitens will die Dmexco mit einem neuen CRM-System (Dienstleister: Hubspot) und mit datengetriebenem Content Marketing die Besucher stärker mit dem Konferenzprogramm, der Ausstellung und mit den Ausstellern
vernetzen.
Drittens möchte die Dmexco mit Besuchern und Ausstellern das ganze Jahr über im
Kontakt bleiben, Inhalte-getrieben und langfristig auch personalisiert – sowohl online (neue Website, Blog, Social Media) als auch analog mit dem neuen Eventkalender und zusätzlichen Events etwa für Sales-Mitarbeiter, Starts-ups und mit Ausstellern. Die bisherige Night-Talk-Tournee indes fällt weg. Man will die Qualität und Relevanz der Kontakte zwischen Ausstellern und Besuchern verbessern und ein Ökosystem schaffen, das an 365 Tagen mit der
Community kommuniziere. "Die Dmexco soll von der Messe zum Medium werden", sagt Matyka.
Die zentrale Plattform dafür – und generell für die dahinterstehende neue
Content Marketing-Strategie – soll
die Website werden, die im Juni relauncht an den Start geht. Die Dmexco und ihr Dienstleister Primus Inter Pares wollen sie ganzjährig mit News und Gastbeiträgen von den Ausstellern bespielen, mit Inhalten von Medienpartnern sowie mit eigenem Content. Bei diesem Modell dürfte man vom Festival
Online Marketing Rockstars inspiriert worden sein.
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (
BVDW) als Träger und Markenrechte-Inhaber der Dmexco verbindet seine Kommentierung des neuen Konzepts mit indirekter Kritik an der bisherigen Ausrichtung. "Statt unbedingt zur internationalen
Leitmesse werden zu wollen, aber dabei doch eher wie eine Kirmesveranstaltung nach dem Motto ,höher, schneller, weiter‘ zu wirken, wird die Dmexco die Bedürfnisse der Besucher und Aussteller künftig besser vernetzen und befriedigen", sagt BVDW-Präsident
Matthias Wahl. Dann erreiche man mit "qualitativem und nachhaltigem Wachstum fast automatisch eine vernünftige Größe".
Die Dmexco war auch 2017 gut besucht
Zudem lobt Wahl den "jetzt transparenteren Umgang" mit dem Veranstalter
Koelnmesse sowie den Ansatz, das Geschehen auf den internationalen Digitalmärkten stärker auf Deutschland zu übertragen. Das Motto: "Global informiert, lokal fokussiert". Und speziell der Online-Vermarkterkreis (
OVK) im BVDW hofft auf "mehr Dialog mit den Werbekunden".
Derweil bezeichnet Matyka 2018 als "Jahr des
Übergangs", mit wichtigen Weichenstellungen und "signifikant höheren" Investitionen in Content, IT, Tools, Dienstleister und zusätzliches Personal bei Operations, Sales, Konferenz, Content und Marketing. Ein halbes Dutzend offene Stellen seien noch zu besetzen. Geführt wird die Dmexco nach wie vor von einem Trio: Neben Matyka ist
seit Januar auch der langjährige Koelnmesse-Manager
Philipp Hilbig neues Mitglied im Board, neben – weiterhin – seinem Messekollegen
Christoph Werner.
Für September rechnet man mit ähnlichen Zahlen wie im vergangenen Rekordjahr mit 40.700 Besuchern und 1100 Ausstellern. Wenn einzelne
Aussteller mal nicht mit dabei sind (2017 hat nicht nur Group M gefehlt), habe das häufig eher unternehmensspezifische Gründe. Für dieses Jahr hätten sich bereits zahlreiche Erstaussteller angemeldet, branchennahe (etwa Xing) sowie branchenfremde (etwa Ericsson).
Bereits seit März ist bekannt, dass der Anteil internationaler Aussteller aktuell etwas höher liegt als im Vorjahr mit 50 Prozent. Und dass der Preis für ein reguläres
Besucherticket bei 99 Euro bleibt (ab Juli online bestellbar), mit Sondertarifen für Vertreter kleinerer Unternehmen und Start-ups sowie für "Young Leaders" und Studenten.
Ab Ende Juli wird das Programm veröffentlicht, mit einer "ausgewogenen Mischung aus nationalen und internationalen
Speakern" und einem ebenfalls "ausgewogenen" Geschlechterverhältnis auf den Panels, sagt Matyka. Seinen ersten Branchenauftritt dort haben wird Max Conze,
ab Juni neuer Chef von Pro Sieben Sat 1, mit einer Keynote.
Zum Zoff vor dem Oberlandesgericht Köln (hier geht es ums Wettbewerbsverbot für Muche und Schneider) und vor dem dortigen Landgericht (zu den Beraterhonoraren) will die Koelnmesse bis zu den
Urteilen nicht mehr viel sagen. Hat der öffentliche Streit dem Event geschadet? Nein, heißt es in Köln: "Die Dmexco als Marke ist stärker als alle handelnden Personen." Man selbst habe kein Interesse am öffentlichen Streit. Wenn Muche und Schneider "der Veranstaltung, die sie über Jahre aufgebaut haben, im Nachhinein schaden wollen, finden wir das sehr bedauerlich."
rp