Bisher war ja Microsoft eher nicht für kreative Marketingexperimente bekannt. Was tun Sie für mehr Innovation? Ich verfechte eine unternehmerische Marketingstrategie, die kein Problem mit „Try and Learn“ hat. Mein grundsätzlicher Fokus ist, datengetriebenes Marketing viel stärker zu forcieren. Das habe ich schon während meiner Zeit bei der Deutschen Telekom praktiziert, wo es mir auf diese Weise gelungen ist, mit einem reduzierten Budget einen weitaus größeren Impact zu erreichen. Für Microsoft ist meine Vision: Revenue Marketing. Denn der alte Brand-CMO gehört der Vergangenheit an. Wichtig ist es, mit CEO und CFO auf Augenhöhe zu sprechen und klar zu vermitteln, was Marketing konkret für den Umsatz und die Markenkraft des Unternehmens bedeutet. Da sind viele Erfolgsparameter denkbar, aber man muss den Return-on-Marketing-Invest heute klar mit Zahlen dokumentieren können.
Ist das im Dauerbetrieb nicht ermüdend für ein Marketingteam? Das ist ein kompletter Shift in der Marketingstrategie. Aber das Coole ist daran, dass man heute innerhalb von 24 Stunden einen Plan B haben kann. Früher hätte so ein Plakat mindestens ein paar Wochen gehangen und hätte die Passanten jeden Morgen aufs Neue geärgert. Heute konnten wir das innerhalb von 24 Stunden passend zum Kontext lösen und so aus einem Kommunikationsproblem eine neue Chance für uns machen. Das ist ein riesiger Vorteil, den wir heute als Ass im Ärmel haben.
In einem solchen Einzelfall mag das ja funktionieren, aber ist das als Anspruch an das Gesamtunternehmen nicht ungeheuer schwierig einzulösen? Überhaupt nicht. Die klassische Mediaplanung orientiert sich ja auch weiterhin an dem Timing der eigenen Produktkommunikation. Wenn ich ein zentrales Thema wie Windows 10 im Markt bekannt machen muss, brauche ich einfach einen anderen Plan als bei einem kleineren Software-Produkt. Die Planungskomplexität ist hier unverändert. Ich konzentriere mich in der Marketingplanung ohnehin nicht auf Mediaplanung im klassischen Sinn, sondern schaue mir für jedes Produkt anhand einer Heat-Map an, wo der Kunde tatsächlich steht. So lässt sich am besten klären, was eigentlich das Thema ist: Haben wir bei einem Produkt eine Herausforderung bei der Bekanntheit? Oder liegt das Problem bei der konkreten Kaufabsicht?
Das klingt nach mehr Komplexität ... Im Gegenteil: Das erlaubt ein sehr gezieltes Marketing ohne Streuverluste, weil man nicht einfach ein standardisiertes Pflichtenheft abarbeitet, sondern jenseits der etablierten Kanäle die wahren Kommunikationsherausforderungen definiert. Dann muss man das aber auch über ein unternehmerisch angelegtes Marketing umsetzen können. Man muss vor seinem Team klar die Themen und die eigenen Schwerpunkte benennen können. Aber man hat ja auch ein Herz – und nicht nur einen Kopf. Deshalb ist es wichtig, dass alle bei solch einem Prozess nicht nur eine Stoßrichtung vorgegeben bekommen, sondern auch emotional mitgenommen werden. Wenn das gelingt, kommt es innerhalb des Unternehmens zu einem positiven Schneeballeffekt. cam