In den kommenden Monaten wird Marketing Analytics weiter an Bedeutung gewinnen, auch wenn das Werkzeug kein Alheilmittel für die Probleme in der Disziplin ist. Das Tool kann aber helfen, effizienter zu werden. Ein Gespräch mit Professor Marc Fischer.
In den Unternehmen gewinnt Marketing Analytics an Bedeutung. Es wird investiert, Systeme implementiert um der wachsenden Komplexität im Marketing Herr zu werden. Einer, der sich häufig mit dieser Entwicklung beschäftigt ist Marc Fischer. Der Professor an der Universität Köln ist einer der führenden Experten an dem Gebiet der Analytics und Redner auf der diesjährigen AxCon-Konferenz, dem Marketing ROI Best Practice Day in Berlin. HORIZONT ist Medienpartner der Tagung.
Herr Professor Fischer, Sie sind Wissenschaftler, Marktbeobachter, Analytics-Experte. Im Marketing wird derzeit heftig über die Wirksamkeit des digitalen Marketings gestritten. Wundert Sie die Debatte? Nein. Die Unternehmen haben zwar erkannt, dass die sie mit digitalem Marketing und den sozialen Netzwerken, ihre Kunden besser kennenlernen und beeinflussen können. Gleichzeitig gibt es aber zwei Entwicklungen. Die Firmen merken zunehmend, dass es nicht reicht, nur auf einen Zug aufzuspringen und alles Mögliche zu machen, was Ihnen angeboten wird, von Social-Media über Search Engine Advertising und Contentplattformen bis hin zu Programmatic. Und die Unternehmen haben erkannt, dass sie besser verstehen müssen, was tatsächlich bei Ihrer Kommunikation in den digitalen Kanälen passiert.
Mit welchen Folgen? Bei vielen Unternehmen gibt es eine Erkenntnis: Die Kontaktpunkte im Netz sind nicht die einzigen, die eine Kaufentscheidung definieren. Diese ist das Ergebnis einer komplexen Customer Journey und wird bereits in anderen Kanälen vorbereitet, etwa in traditionellen Medien wie TV. Hier wird die Bekanntheit aufgebaut. Erst dann geht jemand ins Netz und sucht gezielt nach Informationen. Es geht um Kausalitäten, nicht nur um Korrelationen. Deshalb wird mehr hinterfragt und mehr diskutiert, nicht nur bei Procter & Gamble und Unilever. Nehmen Sie amerikanische Bankhaus JP Morgan Chase, das bewusst nur noch auf 5000 zuvor geprüften Websites wirbt. Vorher waren es 400.000 – ein Ergebnis automatisierter Werbeplatzierung im Netz. Das kann nicht effizient und zielgenau sein, also genau das Gegenteil des Versprechens digitalisierter Werbung.
Wie kann es zu so einem gigantischen Wildwuchs kommen?Wie das bei Trends so üblich ist, wird auch beim digitalen Marketing überreagiert. Die Investitionen haben ihre Berechtigung und die Unternehmen brauchen auch Social-Media, um junge Zielgruppen zu erreichen. Die Frage ist nur, wie viel Geld muss ein Unternehmen dafür wirklich in die Kanäle stecken? Für eine Antwort braucht es mehr Marketing Analytics mit einem aussagekräftigen Konzept dahinter. Nur so können Marketingentscheider verstehen wie etwas funktioniert und ineinander greift.
Der Wissenschaftler
Professor Marc Fischer leitet das Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Marketing und Marktforschung an der Universität zu Köln und ist Professor of Marketing an der University of Technology, Sydney. Der Wissenschaftler ist einer der international führenden Experten der Messung und Steuerung der Marketing Performance. Zu seiner Expertise zählen weiterhin das Markenmanagement und die Optimierung des Marketing Mix-Einsatzes. Fischer ist zudem Mitglied des Advisory Council des Marketing Accountability Standards Boards (MASB) in Chicago und im Beirat von cpi Celebrity Performance, Berlin, sowie dem Zentrum für Marketing und Markenmanagement (ZMM) in Hamburg.
Aber das ist keine neue Erkenntnis. Stimmt. Aber das Marketing tut sich trotzdem mit Marketing Analytics sehr schwer. Mathematik, Daten und Fakten waren noch nie die Freunde des klassischen Marketings. Deswegen gibt es hier in den Abteilungen oft große Widerstände. Maßnahmen und Kampagnen werden mit analytischen Systemen nachprüfbar, denn sie berechnen die Effektivität und den ROI. Das jahrelange Bauchgefühl wird durch Zahlen bestätigt oder widerlegt. Das ist ein Risiko. Und daraus resultiert womöglich ein Reflex, wenn wir das nicht messen, können wir auch nicht kontrolliert werden. Finanzchefs und Controller haben dagegen deutlich weniger Probleme mit Daten und Fakten.
Wie löst man diesen Konflikt? Man muss definieren und verstehen, was Marketing Analytics bedeutet. Erstens muss ein Unternehmen dafür ein Datenmanagement aufbauen. Dafür gibt es mittlerweile gute Lösungen großer Softwarehersteller. Diese sammeln Daten, bereiten diese auf und stellen sie auch mobil jederzeit zur Verfügung. Zweitens müssen die Firmen klären, was sie mit den Daten überhaupt anfangen wollen, welche Algorithmen eingesetzt werden und wie intelligent diese wirklich sind. Ganz wichtig dabei ist: Die Intelligenz muss immer vom Anwender kommen. Dieser hat das Verständnis, wie sein Markt und seine Zielgruppe ticken. Und letztendlich muss man auch an die Fakten, die ein System liefert, und ihre Anwendung glauben.
Die Konferenz
Der diesjährige AxCon-Kongress findet am 11. Mai im CHB in Berlin statt. Im Mittelpunkt steht die Optimierung des Marketing-ROI mit Hilfe von Smart Data Analytics. Es wird Vorträge, Workshops und Diskussionsrunden zu Themen wie Marketing-Attribution und Marketing-Wirkung cross-channel messen geben oder wie man die ROI-optimale Allokation auf Kanäle/Produkte bestimmt und nachweist. Unter anderem sprechen neben Professor Fischer Bernd Körber, Head of Brand Strategy and Brand Management BMW, und Anja Stolz, Bereichsleitung Kundenmanagement und Kommunikation bei der Commerzbank. Die Konferenz findet zum 6. Mal statt. Weitere Informationen gibt es unter www.axcon.info.
Sind die Softwaresysteme dann die Lösung aller Probleme im Marketing? Nein. Wer Marketing betreibt, muss auch weiter kreativ sein. Ich sehe auch keinen Trend, dass es in fünf Jahren nur noch datengetriebenes Marketing in den Unternehmen geben wird. Analytics ist kein Allheilmittel. Es ist ein wichtiges Werkzeug, um effektiver zu werden. Es darf aber nie die Stufe erreichen, dass es meine Entscheidung dominiert. Es geht nur um eine faktenbasierte Unterstützung von Entscheidungen. Denn nur dann kann ich wirklich sinnvoll entscheiden, wie viel Geld in digital fließt und wie viel in TV.
mir