Das Rätselraten beginnt schon bei der Frage, welche Agentur verantwortlich ist. Auf Nachfrage will sich das Unternehmen dazu derzeit nicht äußern. Das ist insofern pikant, als der Discounter derzeit vor einem Wechsel von seiner langjährigen Leadagentur Freunde des Hauses zum neuen Etathalter BBDO steht.
Aber noch mehr Raum zu Spekulationen liefert die kommunikative Absicht des Auftritts. Tatsächlich lässt die Inszenierung - bekannte Markenartikel werden in einem direkten Preisvergleich Lidl-Eigenmarken gegenüber gestellt - zunächst an einen Angriff auf die Markenindustrie denken. Der Schluss liegt umso näher, als Aldi in Großbritannien eine ähnliche Werbestrategie äußerst erfolgreich nutzte, um seine eigenen Handelsmarken als ernstafte Alternativen zu den Markenartikeln der Vollsortimenter zu empfehlen.
Aldi-Spot aus Großbritannien
Allerdings ergäbe eine derartige Strategie für Lidl in Deutschland schlicht keinen Sinn: Denn der Discounter definiert sich ohnehin schon seit langem als der Discounter mit dem besonders hohen Anteil an Markenartikeln. Aber entscheidender noch: In der noch immer geltenden Imagekampagne "Was ist eigentlich gut?" ist die Preisgünstigkeit des Angebots nur ein Faktor unter vielen, der den Claim "Lidl lohnt sich" für Kunden erlebbar machen soll.
In Wahrheit zielt die breit über TV, Online, Out-of-Home und Prospekte gestreute Kampagne auf einen viel direkteren Gegner. Denn seit Aldi mit der Listung von Markenartikeln begonnen hat, hat Lidls Positionierung als der Markenartikel-Discounter bei den Kunden an Präsenz verloren.
In der neuen Kampagne geht es um knallharte Preisvergleiche
Dazu hat die Hochpositionierung der Marke im vergangenen Jahr tendenziell auch das Risiko erhöht, von den Kunden nicht als "echter" Discounter und damit als zu teuer wahrgenommen zu werden. Hier will das Neckarsulmer Unternehmen mit der neuen Kampagne wieder Boden gutmachen. Die Ironie daran: Mit dem Auftritt zugunsten der eigenen Discount-Glaubwürdigkeit folgt Lild letztlich einer Werbestrategie von Nicht-Discountern wie Edeka und Rewe, für die die Darstellung der verfügbaren Bandbreite aus billigen Eigenmarken und höherwertigen Markenartikeln schon seit Jahren zum Marketingalltag gehört.
cam