Dietzel: Absolute Zahlen kann ich nicht nennen, zumal sich die Budgets je nach Anlass verändern. Aber man kann schon sagen, dass wir den Social-Etat um rund 50 Prozent erhöht haben.
Roberto Collazos Garcia: Social-Media-Budgets sollten bestenfalls immer eine gewisse Flexibilität haben. Die aktuellen Entwicklungen der Plattformen sind für Agenturen und Kunden schon eine gewisse Herausforderung, da beide gezwungen sind, auf kurzfristige Änderungen, wie etwa beim Facebook-Newsfeed, bestmöglich und schnell zu reagieren.
Garcia: Abschließend kann man das jetzt noch nicht sagen. Wir alle müssen jetzt schauen, was der neue Algorithmus konkret bedeutet. Aber es könnte sehr gut sein, dass Werbungtreibende für Facebook zeitnah eine neue Paid- und Content-Strategie benötigen, um in den Feeds der User zu landen.
Garcia: Für Unternehmen wird es immer schwieriger, auf konventionellem Weg im Newsfeed sichtbar zu sein. Und natürlich ist das eine Kampfansage an alle Werbungtreibenden. Jeder weiß, dass er jetzt mehr denn je für Sichtbarkeit zahlen muss. Andererseits glaube ich, dass die Auswirkungen für Kunden bei weitem nicht so schlimm werden, wie viele derzeit vielleicht glauben. Facebook benötigt die Werbungtreibenden und die Firmen benötigen Facebook.
Wo sehen Sie, neben den Plattform-Schikanen, die größten Herausforderungen bei der Umsetzung einer globalen Content-Strategie?
Dietzel: Ich sehe zwei große Herausforderungen: Einerseits sind es die heterogenen Märkte und Zielgruppen. Manche Länder sind bereits zu 100 Prozent online, andere sind noch lange nicht so weit. Deshalb ist es nicht nur schwierig, eine global einheitliche Ansprache zu finden, sondern auch tatsächlich alle Zielgruppen zu erreichen. Die zweite Herausforderung ist meines Erachtens sogar die noch größere, weil es um die Frage der internen Organisation geht: Wie müssen wir uns organisieren, sodass wir Content allen Märkten gleichermaßen zur Verfügung stellen können und diese den Content für ihre jeweiligen Zielgruppen nach ihren jeweiligen Bedürfnissen einsetzen können?
Dietzel: Wir arbeiten daran. Wichtig ist zunächst eine sehr enge Kollaboration mit den einzelnen Märkten. Aktuell tauschen wir den Content vor allem über eine gemeinsame Facebook-Gruppe aus. Das reicht uns aber nicht. Das Thema ist deshalb einer der Kernpunkte der Zusammenarbeit mit We Are Social in diesem Jahr. Bis Mitte 2018 wollen wir eine neue globale Content-Plattform aufsetzen, die genau dieses Problem lösen soll.
Sie produzieren Content für weltweit rund 60 Märkte. Zwei Ihrer wichtigsten Märkte sind China und die USA. Kann man für diese doch sehr gegensätzlichen Märkte überhaupt ähnlichen Content erstellen?
Dietzel: Der Unterschied ist gar nicht so groß. Wenn eine spannende Idee dahintersteckt, funktioniert sie im Grunde überall auf der Welt. Und wenn dann auch noch wenig Sprache adaptiert werden muss und der Content ein paar regionale Anknüpfungspunkte bietet, lässt sich das weltweit nutzen. Ein hervorragendes Beispiel hierfür sind die beiden Filme, die wir mit dem Freestyle-Skifahrer Candide Thovex produziert haben. Der Mann fährt mit seinen Skiern auf allen möglichen Untergründen – außer auf Schnee – und durch alle möglichen Landschaften, von Island über China bis in die Türkei. Das kommt in den sozialen Medien extrem gut an.
Wie definieren Sie die drei wichtigsten Erfolgskriterien für global funktionierenden Social-Media-Content?
Dietzel: Erstens braucht es einen Impact, einen Hook, der gleich zu Beginn funktioniert. Sonst sind die Leute weg. Zweitens muss der Content authentisch sein und Human Stories erzählen. Die Marke selbst braucht es da gar nicht so sehr. Auch hier ist Candide Thovex ein gutes Beispiel. Während des gesamten Films ist nur zweimal ganz kurz das Audi-Logo zu sehen. Der dritte und letzte Punkt sind natürlich Emotionen. Automobil ist ja ein durch und durch emotionales Produkt.
Wo liegen global Ihre Schwerpunkte bei den Kanälen?
Garcia: Twitter und Instagram sind global betrachtet die wichtigsten Kanäle für uns. In China wird es zudem spannend zu beobachten sein, wie sich die weitere Abkapselung der Plattformen entwickelt. Wir beobachten etwa sehr genau, wie Wechat versucht, Märkte und Marken immer stärker komplett in seine eigene Welt zu integrieren.
Dietzel: Als Internationales Marketing produzieren wir Materialien, die unsere Märkte auf ihren Owned Platforms einsetzen können – in Ergänzung zu lokal produziertem Content. Es liegt also immer in der Hand jedes Marktes, welche Schwerpunkte er setzt und wie er eine Plattform bespielt. Das ist auch gut so, um eine hohe Relevanz für die lokalen Zielgruppen zu gewährleisten.
Dann anders gefragt: Mercedes sorgt in Deutschland gerade mit einer Influencer-Kampagne mit JP Kraemer für mächtig Aufsehen und Tausende neuer Fans. Neidisch?
Dietzel: Natürlich beobachten wir die Mittbewerber in allen Märkten und analysieren, was sie gut machen und was wir voneinander lernen können. Für uns alle geht es aber in erster Linie darum, unseren eigenen Stil mit eigenen Botschaften zu finden. Nur so liefern wir differenzierende Argumente für die Marke und verhindern Austauschbarkeit.
Auch international hält sich Audi beim Thema Influencer Marketing ziemlich bedeckt. Warum?
Garcia: Zunächst einmal ist es aus globaler Sicht schwierig, international bekannte Influencer zu finden, die wirklich zur Marke passen. Das ist ein langfristiger Prozess, für den man sich Zeit nehmen muss. Weiter ist es wichtig, zwischen Influencern, die man für eine Kampagne einsetzt, und Influencern, die man langfristig an eine Marke bindet und mit denen die Zielgruppe sich auch wirklich identifizieren kann, zu differenzieren. Ich bin überzeugt, dass nicht Influencer Marketing, sondern User Generated Content immer wichtiger wird. Viele Influencer wechseln heute schon die Marken wie ihr Unterhemd. Bei echten Markenfans ist das völlig anders. Hier hat man eine echte Brandloyalität.
Dietzel: Für uns beginnt Influencer Marketing tatsächlich schon bei User Created Content. Deshalb ist das sicher eine Richtung, in die wir uns noch weiter bewegen und die wir ausbauen werden. Wir schauen derzeit sehr genau, wie wir Menschen, die die Marke mögen, weltweit eine optimale Plattform bieten können. Auch unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit halte ich das für extrem wichtig – gerade in der heutigen Zeit.
Dietzel: Sehr relevant. Aber es kommt darauf an, wie man die Botschaft sendet. Egal, ob in klassischen oder sozialen Medien. Einfach nur von oben herab formulieren: „Bitte mögt uns wieder“, wird so oder so nicht funktionieren.
Garcia: Auch hier ist es aktuell extrem wichtig, die Community mitzunehmen. Wir müssen schon sehr genau hinschauen, was die Leute interessiert und bewegt und erst dann mit ihnen in den Dialog treten.
Also spielt Ihnen die Krise insofern in die Hände, als dass Sie jetzt für Budgeterhöhungen für soziale Medien ziemlich gute Argumente haben?
Dietzel: Na ja, in den letzten Jahren war oft das Gegenteil der Fall. Gute Budgets für soziale Medien sind gesetzt. Die Frage lautet doch inzwischen meist: Brauchen wir überhaupt noch Print?
Interview: Anja Sturm