Interview mit Audi und We Are Social

"Viele Influencer wechseln Marken wie Unterhemden"

Roberto Collazos Garcia von We Are Social und Jörg Dietzel, Leiter Kreation und Verkaufsmedien bei Audi (v.l.)
Audi/We Are Social
Roberto Collazos Garcia von We Are Social und Jörg Dietzel, Leiter Kreation und Verkaufsmedien bei Audi (v.l.)
Audi gilt als eine der kreativsten Automarken der Welt. Gerade auf seinen Social-Media-Kanälen sorgt der Ingolstädter Hersteller für große Reichweiten und hohes Engagement. Als Leiter Kreation und Verkaufsmedien im internationalen Audi-Marketing betreut Jörg Dietzel auch das globale Social-Media-Marketing des Konzerns. Vor gut einem Jahr erhöhte Audi den globalen Social-Media-Etat um 50 Prozent und vergab ihn an die Münchner Agentur We Are Social. Gemeinsam produzieren sie Content für rund 60 Märkte. Im Interview erklären Dietzel und Roberto Collazos Garcia von We Are Social, warum User Generated Content auf Facebook, Instagram und Co. das Erfolgsgeheimnis von Audi ist.
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In der Pressemitteilung zur Vergabe des globalen Social-Media-Etats an We Are Social stand: "Wir haben erkannt, dass wir unsere Zielgruppen verstärkt über Social Media ansprechen müssen." Ist das im Januar 2016 nicht eine ziemlich späte Einsicht für einen Premiumautomobilkonzern?

Jörg Dietzel:
Nein. Denn die Betonung liegt hier ganz klar auf dem Wort "verstärkt". Natürlich haben wir nicht erst vor einem Jahr mit dem Thema angefangen. Dennoch reden wir hier ja über eine globale Strategie, und da ticken die Märkte teilweise noch immer recht unterschiedlich. In Korea beispielsweise, wo ich die letzten Jahre für Audi gearbeitet habe, muss man auch heute noch stark auf Print setzen, wenn man etwa den Audi A8 verkaufen will.

Und trotzdem setzen Sie jetzt auf eine neue globale Content-Strategie.

Dietzel: Ja. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Wir haben in den letzten Jahren eine deutliche Verschiebung in den Märkten festgestellt. Einerseits bringen wir Content weltweit direkt in die verschiedenen Kanäle, andererseits stellen wir den Märkten Content zur Verfügung, über dessen Nutzung sie selbst entscheiden können. Nach beiden Formen hat die Nachfrage in den letzten Jahren massiv zugenommen.

Also ging mit der Neuausrichtung Anfang 2016 auch eine deutliche Budgetsteigerung einher?


Dietzel:
Absolute Zahlen kann ich nicht nennen, zumal sich die Budgets je nach Anlass verändern. Aber man kann schon sagen, dass wir den Social-Etat um rund 50 Prozent erhöht haben.

Roberto Collazos Garcia: Social-Media-Budgets sollten bestenfalls immer eine gewisse Flexibilität haben. Die aktuellen Entwicklungen der Plattformen sind für Agenturen und Kunden schon eine gewisse Herausforderung, da beide gezwungen sind, auf kurzfristige Änderungen, wie etwa beim Facebook-Newsfeed, bestmöglich und schnell zu reagieren.

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Gutes Stichwort. Wie reagiert Audi?

Garcia: Abschließend kann man das jetzt noch nicht sagen. Wir alle müssen jetzt schauen, was der neue Algorithmus konkret bedeutet. Aber es könnte sehr gut sein, dass Werbungtreibende für Facebook zeitnah eine neue Paid- und Content-Strategie benötigen, um in den Feeds der User zu landen.

Wie dramatisch schätzen Sie den Strategieschwenk von Facebook-Chef Mark Zuckerberg für Werbungtreibende ein?

Garcia: Für Unternehmen wird es immer schwieriger, auf konventionellem Weg im Newsfeed sichtbar zu sein. Und natürlich ist das eine Kampfansage an alle Werbungtreibenden. Jeder weiß, dass er jetzt mehr denn je für Sichtbarkeit zahlen muss. Andererseits glaube ich, dass die Auswirkungen für Kunden bei weitem nicht so schlimm werden, wie viele derzeit vielleicht glauben. Facebook benötigt die Werbungtreibenden und die Firmen benötigen Facebook.

Wo sehen Sie, neben den Plattform-Schikanen, die größten Herausforderungen bei der Umsetzung einer globalen Content-Strategie?

Dietzel: Ich sehe zwei große Herausforderungen: Einerseits sind es die heterogenen Märkte und Zielgruppen. Manche Länder sind bereits zu 100 Prozent online, andere sind noch lange nicht so weit. Deshalb ist es nicht nur schwierig, eine global einheitliche Ansprache zu finden, sondern auch tatsächlich alle Zielgruppen zu erreichen. Die zweite Herausforderung ist meines Erachtens sogar die noch größere, weil es um die Frage der internen Organisation geht: Wie müssen wir uns organisieren, sodass wir Content allen Märkten gleichermaßen zur Verfügung stellen können und diese den Content für ihre jeweiligen Zielgruppen nach ihren jeweiligen Bedürfnissen einsetzen können?

Facebook benötigt die Werbungtreibenden und die Firmen benötigen Facebook.
Roberto Collazos Garcia
Und wie lautet Ihre Antwort?

Dietzel: Wir arbeiten daran. Wichtig ist zunächst eine sehr enge Kollaboration mit den einzelnen Märkten. Aktuell tauschen wir den Content vor allem über eine gemeinsame Facebook-Gruppe aus. Das reicht uns aber nicht. Das Thema ist deshalb einer der Kernpunkte der Zusammenarbeit mit We Are Social in diesem Jahr. Bis Mitte 2018 wollen wir eine neue globale Content-Plattform aufsetzen, die genau dieses Problem lösen soll.

Sie produzieren Content für weltweit rund 60 Märkte. Zwei Ihrer wichtigsten Märkte sind China und die USA. Kann man für diese doch sehr gegensätzlichen Märkte überhaupt ähnlichen Content erstellen?

Dietzel: Der Unterschied ist gar nicht so groß. Wenn eine spannende Idee dahintersteckt, funktioniert sie im Grunde überall auf der Welt. Und wenn dann auch noch wenig Sprache adaptiert werden muss und der Content ein paar regionale Anknüpfungspunkte bietet, lässt sich das weltweit nutzen. Ein hervorragendes Beispiel hierfür sind die beiden Filme, die wir mit dem Freestyle-Skifahrer Candide Thovex produziert haben. Der Mann fährt mit seinen Skiern auf allen möglichen Untergründen – außer auf Schnee – und durch alle möglichen Landschaften, von Island über China bis in die Türkei. Das kommt in den sozialen Medien extrem gut an.

Wie definieren Sie die drei wichtigsten Erfolgskriterien für global funktionierenden Social-Media-Content?

Dietzel: Erstens braucht es einen Impact, einen Hook, der gleich zu Beginn funktioniert. Sonst sind die Leute weg. Zweitens muss der Content authentisch sein und Human Stories erzählen. Die Marke selbst braucht es da gar nicht so sehr. Auch hier ist Candide Thovex ein gutes Beispiel. Während des gesamten Films ist nur zweimal ganz kurz das Audi-Logo zu sehen. Der dritte und letzte Punkt sind natürlich Emotionen. Automobil ist ja ein durch und durch emotionales Produkt.

Wo liegen global Ihre Schwerpunkte bei den Kanälen?

Garcia: Twitter und Instagram sind global betrachtet die wichtigsten Kanäle für uns. In China wird es zudem spannend zu beobachten sein, wie sich die weitere Abkapselung der Plattformen entwickelt. Wir beobachten etwa sehr genau, wie Wechat versucht, Märkte und Marken immer stärker komplett in seine eigene Welt zu integrieren.

Die Manager
Seit Januar 2017 ist Jörg Dietzel Leiter Kreation und Verkaufsmedien im internationalen Audi-Marketing und somit auch für das globale Social-Media-Marketing verantwortlich. Zuvor war er vier Jahre lang Marketing Director bei Audi Korea. Davor war er auf Agenturseite tätig: Schon 1995 gründete er im Auftrag von Audi das internationale Audi Agency Network (AAN) mit Sitz bei BBH in London. Weitere Stationen waren General Manager DDB China sowie DDB Berlin mit dem Hauptkunden Volkswagen. Roberto Collazos Garcia ist seit zwei Jahren Geschäftsführer von We Are Social Deutschland. Zuvor arbeitete er unter anderem bei Prada (Treasury Manager), Sony Music Germany (Financial Controller) sowie Pro Sieben Sat 1 Media (Governance & Finance Manager).
Sie nennen Instagram als einen der wichtigsten Kanäle. In Deutschland allerdings ist Audi auf diesem Kanal, verglichen mit Mercedes und BMW, extrem schwach. Wie kommt das?

Dietzel: Als Internationales Marketing produzieren wir Materialien, die unsere Märkte auf ihren Owned Platforms einsetzen können – in Ergänzung zu lokal produziertem Content. Es liegt also immer in der Hand jedes Marktes, welche Schwerpunkte er setzt und wie er eine Plattform bespielt. Das ist auch gut so, um eine hohe Relevanz für die lokalen Zielgruppen zu gewährleisten.

Dann anders gefragt: Mercedes sorgt in Deutschland gerade mit einer Influencer-Kampagne mit JP Kraemer für mächtig Aufsehen und Tausende neuer Fans. Neidisch?

Dietzel: Natürlich beobachten wir die Mittbewerber in allen Märkten und analysieren, was sie gut machen und was wir voneinander lernen können. Für uns alle geht es aber in erster Linie darum, unseren eigenen Stil mit eigenen Botschaften zu finden. Nur so liefern wir differenzierende Argumente für die Marke und verhindern Austauschbarkeit.

Auch international hält sich Audi beim Thema Influencer Marketing ziemlich bedeckt. Warum?

Garcia: Zunächst einmal ist es aus globaler Sicht schwierig, international bekannte Influencer zu finden, die wirklich zur Marke passen. Das ist ein langfristiger Prozess, für den man sich Zeit nehmen muss. Weiter ist es wichtig, zwischen Influencern, die man für eine Kampagne einsetzt, und Influencern, die man langfristig an eine Marke bindet und mit denen die Zielgruppe sich auch wirklich identifizieren kann, zu differenzieren. Ich bin überzeugt, dass nicht Influencer Marketing, sondern User Generated Content immer wichtiger wird. Viele Influencer wechseln heute schon die Marken wie ihr Unterhemd. Bei echten Markenfans ist das völlig anders. Hier hat man eine echte Brandloyalität.

Dietzel: Für uns beginnt Influencer Marketing tatsächlich schon bei User Created Content. Deshalb ist das sicher eine Richtung, in die wir uns noch weiter bewegen und die wir ausbauen werden. Wir schauen derzeit sehr genau, wie wir Menschen, die die Marke mögen, weltweit eine optimale Plattform bieten können. Auch unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit halte ich das für extrem wichtig – gerade in der heutigen Zeit.

Für uns beginnt Influencer Marketing tatsächlich schon bei User Created Content. Wir schauen derzeit sehr genau, wie wir Menschen, die die Marke mögen, weltweit eine optimale Plattform bieten können.
Jörg Dietzel
Sie meinen, weil die Automobilbranche derzeit unter massiven Imageproblemen leidet. Wie relevant sind in diesem Kontext soziale Medien verglichen mit den klassischen Medien?

Dietzel: Sehr relevant. Aber es kommt darauf an, wie man die Botschaft sendet. Egal, ob in klassischen oder sozialen Medien. Einfach nur von oben herab formulieren: „Bitte mögt uns wieder“, wird so oder so nicht funktionieren.

Garcia: Auch hier ist es aktuell extrem wichtig, die Community mitzunehmen. Wir müssen schon sehr genau hinschauen, was die Leute interessiert und bewegt und erst dann mit ihnen in den Dialog treten.

Also spielt Ihnen die Krise insofern in die Hände, als dass Sie jetzt für Budgeterhöhungen für soziale Medien ziemlich gute Argumente haben?

Dietzel: Na ja, in den letzten Jahren war oft das Gegenteil der Fall. Gute Budgets für soziale Medien sind gesetzt. Die Frage lautet doch inzwischen meist: Brauchen wir überhaupt noch Print?

Interview: Anja Sturm

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