Witzig oder total daneben? Die neue ADAC-Kampagne dürfte auf gespaltete Meinungen treffen
Der ADAC überrascht mit einer rein digitalen Imagekampagne, die so ganz anders ist als das, was man von Europas größtem Automobilclub kommunikativ bisher gewohnt ist. Anvisierte Zielgruppe von "Don't call mom - call ADAC" sind 15-bis 30-Jährige - also Leute, die mit dem ADAC in der Regel nicht allzu viel am Hut haben. Im Interview mit HORIZONT Online sagt Kommunikationschef Christian Garrels: "Man muss auch mal etwas riskieren und Neues wagen. Wenn schon frech und ungewöhnlich, dann doch bitte richtig."
#DontCallDad - Ritter Schwert | ADAC
In drei Youtube-Filmen und Online Ads werden Eltern gezeigt, die gerade Besseres zu tun haben als sich um die Probleme ihrer Kinder zu kümmern - zum Beispiel Sex in Lederklamotten oder Ritterspiele im Wald. Dazu die Aufforderung: "Gönn deinen Eltern mal 'ne Pause. Und frag lieber uns!" Trifft der ADAC damit den Nerv der jungen Zielgruppe - oder ist "Don't call mom - call ADAC" eher daneben?
Mediatechnisch ziehen die Münchner so ziemlich alle Register, die digitales Marketing heute hergibt: Banner Ads auf Facebook, Instagram und Youtube, drei Online-Videos des dänischen Regisseurs Peter Harton sowie viel Influencer Marketing. Das zentrale Instrument ist eine ADAC-Hotline bei Whatsapp (0171 555 0 555). Über die können sich die User mit ihren Fragen an den ADAC wenden. Der auf diese Weise generierte Content wird dann wiederum über die Social-Media-Kanäle des ADAC ausgesteuert.
ADAC: Die Motive der Digitalkampagne
Die Münchner investieren einen mittleren sechsstelligen Betrag in die Kampagne, was für ADAC-Verhältnisse viel ist. Dafür will man dann aber auch auf 15 bis 20 Millionen Kontakte im Netz kommen. Klappen wird das nur, wenn die Kampagne wirklich fliegt und sich auch viral verbreitet. Kampagnenidee und -umsetzung stammen von der Berliner Agentur RCKT. Als Creative Director zeichnet Ioana Lahr verantwortlich, als Managing Director Lisa Teicher.
"Der Auftrag war: Überrascht uns"
ADAC-Kommunikationschef Christian Garrels
Herr Garrels, eine Kampagne wie "Don't call mom - call ADAC" hätte man von Ihrem Hause nun wirklich nicht erwartet.
Schön, wenn uns die Überraschung gelungen ist. Das ist die Reaktion, die wir uns erhoffen - dieses "Wow, das hätte ich dem ADAC gar nicht zugetraut." Die Kampagne richtet sich vor allem an junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren. Da muss man auch mal etwas riskieren und Neues wagen. Wenn schon frech und ungewöhnlich, dann doch bitte richtig.
Die Frage ist nur: Passt so eine Kampagne wirklich zu einer gesetzten Marke wie dem ADAC?
Ganz klar, ja. Wir haben im vergangenen Jahr eine neue Dachstrategie beschlossen, die den ADAC für die Zukunft deutlich breiter aufstellt und vom erfolgreichen Pannenhelfer zum digitalen Mobilitätshelfer entwickeln soll, der in allen Fragen der persönlichen Mobilität da ist. Und wir möchten uns bewusst um Zielgruppen kümmern, die den ADAC bislang noch nicht so richtig auf dem Schirm haben: Leute zwischen 15 und 30.
Die Verantwortung für die Kampagne liegt bei Ihnen in der PR und nicht im Marketing. Das ist ungewöhnlich.
Mag sein. Für mich ist viel entscheidender, dass wir intern in einem kleinen Team aus Kommunikations-, Marketing- und Mediaprofis zusammenarbeiten, die für das Projekt brennen und seit Wochen volle Attacke gehen. Dazu haben wir mit RCKT eine tolle Agentur, die nicht nur "digital" komplett verstanden hat, sondern auch extrem kreativ und schnell ist. Der Auftrag an uns war: Lasst einen Ballon steigen, probiert etwas wirklich Neues aus, überrascht uns. Das haben wir getan - und jetzt schauen wir, ob wir das Ding gemeinsam zum Fliegen bringen.
Ungewöhnlich ist nicht nur die Tonalität, sondern auch die Mediastrategie: Sie setzen praktisch zu 100 Prozent auf Digital.
In der Tat. Mit Ausnahme von ein paar Anzeigen in klassischen Medien und Präsenz auf Veranstaltungen wie dem "Sonne Mond & Sterne"-Festival findet die Kampagne komplett digital statt. Weil wir die Menschen dort abholen, wo sie unterwegs sind. Auch das ist Mobilität...
Fragt sich nur, ob man mit einer rein digitalen Kampagne wirklich auf halbwegs vernünftige Reichweiten kommt.
Ich denke, dass vor allem die Youtube- und Facebook-Videos sowie die InstaStories gut funktionieren. Zusätzlich pushen wir die Kampagne über den gezielten Einsatz von Paid Media. Und nicht zuletzt nutzen wir unsere eigenen reichweitenstarken ADAC-Kanäle, um maximalen Buzz auf die Kampagne zu bringen.
Wie sieht die Mechanik genau aus?
Im Zentrum von "Don't Call mom - call ADAC" steht eine Whatsapp-Messenger-Hotline, über die wir in den direkten Dialog kommen. Anstelle der eigenen Eltern können sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sechs Wochen lang mit allen Fragen an uns wenden und bekommen Antworten - schnell, frech, ungewöhnlich. Diese Dialoge erzeugen wiederum frischen Content für die Kampagne. Neben den Videos setzen wir Display Ads auf Facebook, Instagram und Youtube ein und arbeiten auch mit bekannten Influencern zusammen, die auf die Line oder die Microsite "dontcallmom" leiten. Dort sind dann auch sämtliche Elemente der Kampagne abgebildet.
So eine Hotline ist eine heikle Sache - das macht ja nur Sinn, wenn die Dialoge so amüsant und geistreich sind, wie Sie in der Bannerwerbung versprechen.
Exakt, das Ganze steht und fällt vor allem mit dem Sprach- und Wortwitz auf der Line. Wir haben deshalb für die Kampagne ein eigenes Community-Management aufgesetzt, das aus erfahrenen Community-Managern und professionellen Autoren besteht. Die Kollegen arbeiten in Schichten und sind von morgens bis spätabends erreichbar.
An welchen KPIs lassen Sie sich messen?
Für uns steht Image und Brand Awareness klar im Vordergrund der Kampagne. Es geht nicht in erster Linie darum, Mitgliedschaften abzuschließen oder Produkte zu verkaufen, sondern in jungen Zielgruppen sichtbar und relevant zu werden. Wir möchten den ADAC digital neu aufstellen - und dafür kann diese Kampagne hoffentlich einen Beitrag leisten.