Gerald Lindinger-Pesendorfer, Wieselhuber + Partner
Die Digitalisierung der Arbeits- und Marketingwelt erfasst längst nicht nur die global agierenden FMCG-Konzerne. Zunehmend überdenken in der Branche auch Mittelständler deswegen ihre Strategie. Warum das spätestens auf den zweiten Blick notwendig ist, erklärt FCMG-Experte Gerald Lindinger-Pesendorfer, Berater bei Wieselhuber + Partner, im Interview.
Auf den ersten Blick haben Mittelständler bei der Digitalisierung ihrer Prozesse und ihres Marketings einen klaren Nachteil: Sie haben weder die personellen Ressourcen noch die finanziellen Mittel, eigene Digital-Units aus dem Boden zu stampfen. Vielmehr müssen sich sich fokussieren, das Thema individuell auf die eigenen Bedürfnisse anpassen und sich nicht auf jeden angesagten Kanal stürzen. Richtig umgesetzt, birgt das für kleine und mittlere Unternehmen aufgrund kurzer Entscheidungswege auch Chancen, glauben Experten.
Herr Lindinger-Pesendorfer, dass sich L’Oréal und Unilever mit der Digitalisierung beschäftigen, überrascht nicht. Aber wie sehr betrifft die digitale Transformation den FMCG-Mittelstand? Die Einschläge im Mittelstand rücken näher. Noch ist die Digitalisierung zwar für die meisten FMCG-Hersteller keine unmittelbare Bedrohung, mittelfristig muss sie aber für alle ein Thema sein. Viele Mittelständler beschäftigen sich bereits mit der Digitalisierung, oft aber isoliert und fach- oder funktionsspezifisch – etwa nur vom Marketing oder der Produktion beziehungsweise IT getrieben. Großen Nachholbedarf gibt es bei integrierten Konzepten, wenn es etwa darum geht, alle Aktivitäten stringent mit der Unternehmens- respektive Markenstrategie zu verknüpfen.
Thema Marketing. Wie wird die Digitalisierung hier heute verstanden? Viele sehen sie als eine Möglichkeit für neue Vertriebskanäle, aber das Wachstumspotenzial durch Onlinevertrieb darf insbesondere national auch nicht überschätzt werden. In der Kommunikation bedeutet sie den mittlerweile etablierten Weg von der klassischen TV-Werbung hin zur Onlinekommunikation. Hier ist eher die Frage: Wie gut passt das zur Markenstrategie und wie gut gelingt es, den Konsumenten zu verstehen. Bei Verständnis und Umsetzung der Customer Journey sehe ich noch große Defizite – oder anders ausgedrückt: Potenziale.
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Das heißt, es darf keine Digitalisierung um der Digitalisierung willen sein. Das ist der Punkt. Vor einigen Jahren war es noch absolut legitim zu sagen: Alle machen Facebook, das muss ich jetzt auch tun und daraus lernen. Heute reicht das nicht mehr. Es geht nicht um Digitalisierung zum Selbstzweck, sondern die digitale Strategie muss von der Marke und vom Konsumentenverständnis ausgehen. Die Frage hier lautet: Wie und wo kann ich digitale Kanäle sinnvoll einsetzen?
Aber wenn das gelingt, birgt die Digitalisierung auch Chancen für kleine Player und nicht nur für FMCG-Riesen? Absolut. Umso mehr, wenn ich die digitale Transformation nicht nur auf das Marketing begrenze, sondern über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg denke. Man darf nicht in Silos steckenbleiben – wenn Marketing, Produktion, Vertrieb und Einkauf alle ihr eigenes Ding machen, funktioniert es nicht. Dieses umfassende Verständnis von Digitalisierung muss von der Unternehmensspitze ausgehen, sonst wird man in einigen Jahren hinterherhinken.
fam/mir