Einzelhandel

Führt E-Commerce zum Tod der Geschäfte?

Der Einzelhandel hofft auf mehr Umsatz
Der Einzelhandel hofft auf mehr Umsatz
Dass die Geschäfte in den Innenstädten zunehmend Konkurrenz durch E-Commerce-Unternehmen bekommen, ist bekannt. Jetzt geben zwei neue Studien Aufschluss über die Situation des stationären Handels und zeigen Prognosen, Gefahren und Chancen auf.
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Im stationären Einzelhandel einzukaufen, bietet für Kunden immer noch wichtige Vorteile, wie die sofortige Verfügbarkeit der Waren oder eine persönliche Beratung. Aber auch der Onlinehandel hat Vorzüge für den Kunden, die der Einzelhandel in den Fußgängerzonen nicht bieten kann. Keine Frage: Es besteht Handlungsbedarf beim stationären Handel. Es gilt, neue Konzepte zu entwickeln und auch digitale Kanäle in den stationären Handel zu integrieren.

Zu diesem Ergebnis kommen unabhängig voneinander die beiden Studien "Stadt, Land, Handel 2020" des Instituts für Handelsforschung (IFH) und "Erlebnis Handel: Läden im Aufbruch" des Handelsmonitors.

Eine düstere Prognosen zeichnet das IFH: Danach muss bis 2020 fast jedes zehnte stationäre Geschäft schließen. Treiber dieser Entwicklung seien der Onlinehandel und die fortschreitende Digitalisierung. In den nächsten fünf Jahren seien 45.000 stationäre Geschäfte von der Schließung bedroht. Jeder zehnte Standort in Deutschland würde damit wegfallen.

Ein positiveres Bild zeichnet die Handelsmonitor-Studie. Sie zeigt: Die Aussichten sind gar nicht so übel. Langfristig werde der größte Teil des Handels über stationäre Kanäle laufen. Diese Meinung vertreten knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen.

Zentraler Treiber für die künftige Schließung vieler Ladengeschäfte ist, wenig überraschend, die zunehmende Akzeptanz des E-Commerce. Hier prognostiziert das IFH ein Wachstum des Online-Umsatzanteils am Einzelhandel auf 11,9 bis 15,3 Prozent. Ohne Güter des täglichen Bedarfs werde der Anteil sogar bei bis zu 25,3 Prozent liegen. Der Onlinehandel könnte zudem durch die demographische Entwicklung zusätzlichen Rückenwind erhalten. In Gegenden mit stagnierender oder schrumpfender Bevölkerung ist der Online-Vertrieb prädestiniert, Versorgungslücken zu schließen.

Am wenigsten von diesem Wandel würde der Einzelhandel in Hamburg und Berlin, sowie den Regionen Baden-Württemberg, Mittel-/Südbayern, Südhessen und der südlichen Niederrhein-Region bemerken. Das liegt unter anderem daran, dass diese weniger vom erwarteten Bevölkerungsrückgang betroffen sind. Am stärksten betroffen wären die Regionen Sachen-Anhalt, Thüringen und Sachsen.

Trotz der steigenden Aktzeptanz des E-Commerce hat der stationäre Handel immer noch viele Vorteile gegenüber dem Onlinehandel. Punkten können die Ladengeschäfte laut IFH mit Gestaltung, Ambiente, Erlebnischarakter und Sortimentsvielfalt. Der Handelsmonitor zeigt weitere Vorteile auf.

Die sofortige Verfügbarkeit der Waren gilt hier als wesentliche Stärke des stationären Handels. Die Kunden können die Ware vor Ort in den Händen halten und müssen keine Lieferzeiten in Kauf nehmen. Hinzu kommt der "Touch and Feel-Aspekt", bei dem das Geschäft vor Ort aufgrund der physischen Nähe bei sozialen und emotionalen Aspekten punktet. Durch den Verkäufer erhält der Kunde zudem eine individuelle Beratung – eine Dienstleistung, die der Onlinehandel in dieser Form meist nicht bietet. Gut 82 Prozent der Kunden kaufen in einem Geschäft ein, weil sie eine gute Beratung erhalten. Die persönliche Interaktion ist hier somit ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Trotz dieser positiven Eigenschaften kommen beide Studien zu dem Schluss, dass Handlungsbedarf besteht. Laut IFH-Studie führen beispielsweise Defizite im Angebot des stationären Handels zu drastischen Einbußen der Attraktivität beim Konsumenten, vor allem bei kleinen Standorten. Die Lösung liegt hier laut Studie in der Integration von digitalen Kanälen, die eine Ausweitung des Sortiments ermöglichen, ohne in die stationäre Infrastruktur investieren zu müssen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Handelsmonitor: In Zukunft würden vor allem Line Extensions intensiviert. Damit reagieren die Geschäfte auf die Nachfrage nach einem breiten Sortiment, indem sie Kataloge mit digitalen Hilfsmitteln zur Verfügung stellen.

Der Handelsmonitor sieht die Lösung des Problems in der Entwicklung neuer Konzepte. Beim Trend "Back to the City" beispielsweise wird der Einzelhandel mit Gastronomie oder anderen Freizeit-, Kultur- und sozialen Konzepten kombiniert.
Der Handelsmonitor
Die Studie „Erlebnis Handel: Läden im Aufbruch“ erscheint als Handelsmonitor in der dfv Mediengruppe Fachbuch. Hinter dem 331 Seiten starken Werk stehen die Autoren Joachim Zentes, Dirk Morschett, Tatjana Freer, Daniel Keßler und Matthias Schu. Das Werk kostet 298 Euro. ISBN: 978-3-86641-310-8
So konnte Ikea in den letzten Jahren 7 Millionen Euro mehr Umsatz in der Gastronomie verzeichnen. Frische und Lebendigkeit, aber auch die Stärkung des Erlebnischarakters des Ladens als Begegnungsstätte stehen im Fokus. Die Verschmelzung von Handwerk und Handel scheint ebenfalls großen Erfolg zu bringen. Der Lebensmittelhändler und -produzent Globus nimmt dabei eine Position als Benchmark im Bereich der Integration von Handwerklichkeit in Deutschland ein. Gleich hinter der Theke wird das frische Fleisch verarbeitet und Backwaren kommen direkt aus dem Ofen.

Neben der neuen Kultur der Flächennutzung kann der stationäre Markt laut "Erlebnis Handel" durch Spezialisierung und Konzentration auf einzelne Produktgruppen seine Stärken ausbauen. Die Fokussierung auf Marken stellt mit 40 Prozent die wichtigste Veränderung dar.

Kreativität, Unternehmergeist und Innovation sind also die zentralen Faktoren, wenn es um die positive Zukunft des Handels vor Ort geht. hor



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