In Sachen Digitalisierung gehört Deutschland nicht zu den Vorreitern
Es ist nicht von der Hand zu weisen, German Engineering hat im Bereich Digitalisierung versagt. Zu diesem Fazit kamen die Teilnehmer des Panels "Deutschland 4.0" am Mittwoch auf der Dmexco.
"Deutschland hat massiven Aufholbedarf. Wir sind bestenfalls Mittelmaß", stellt
Tobias Kollmann fest. Kollmann ist Professor für BWL und Wirtschaftsinformatik an der Universität Duisburg-Essen und Mit-Autor des Buches "Deutschland 4.0". Seine Einschätzung: Deutschland braucht dringend ein digitales Update: ob es um den Aufbau von Startups, technologische Entwicklungen oder Bereitstellung von Venture Capital geht.
Vor allen Dingen die rechtlichen Rahmenbedingungen stellen nach wie vor ein großes Hemmnis dar. Am eigenen Leib erfahren hat das Uber. Das Geschäftsmodell der privaten Chauffeurdienste, das in den USA hervorragend funktioniert, scheitere hierzulande eindeutig an den rechtlichen Grenzen, stellt Deutschland-Chef
Christoph Weigler fest. Die Politik, so sein Wunsch, solle sich besser an den Bedürfnissen der Verbraucher orientieren.
Und sie muss schneller und flexibler agieren, gibt
Lars Kingbeil zu, der für die SPD als Mitglied des Bundestag das Thema im Auge behält. Man sei mit dem Breitbandausbau zwar schon weit vorangeschritten, doch längst schon sei die Notwendigkeit für Glasfaser-Verbindungen gegeben. Klingbeil bemängelt zudem die zersplitterten Zuständigkeiten. "Das Thema Digitalisierung ist auf drei Ministerien verteilt, da gibt es viel zu viel Abstimmungsbedarf und keiner hat den Lead."
In die gleiche Kerbe schlägt BVDW-Präsident
Matthias Wahl: "Die Notwendigkeit, die Digitalisierung voranzutreiben, ist von allen Seiten erkannt, aber es passiert nichts. Das ist fahrlässig auf der politischen Seite." Seine Befürchtung: Im Vorfeld der Wahl werde auch nichts mehr passieren. "Ein Jahr Stillstand wirft uns aber um 10 Jahre zurück in der Entwicklung."
Die Schuld allein der Politik zuzuschreiben, wäre aber zu kurz gedacht. Auch die deutschen Unternehmen hinken gewaltig hinterher. Es gebe zu wenig Digital Leadership in den Führungsetagen, 70 Prozent im Mittelstand hätten immer noch keine digitale Strategie", so Kollmann: "Die meisten Industriekapitäne stehen auf dem Deck der immer noch gut funktionierenden Titanic. dabei sei der digitale Eisberg schon in Sicht."
Ganz oben an der Spitze des Eisbergs: der sich drastisch ändernde Arbeitsmarkt. Die digitale Transformation stellt ganz andere Anforderungen an die Arbeitnehmer als diese bislang erfüllt haben. Neue Jobs entstehen, viele alte Berufsbilder sterben aus. Für lang etablierte Unternehmen der Old Economy sei das ein Spagat, glaubt Payback-Chef
Dominik Dommick. "In Industrieunternehmen gibt es völlig unterschiedliche Erwartungshaltungen zwischen alten und neuen Mitarbeitern." Man müsse attraktiv sein für die jungen digital ausgebildeten Newcomer, man dürfe aber ältere Mitarbeiter nicht erschrecken.
Das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, fordert Wahl. Unternehmen hätten längst erkennen müssen, dass man in bestimmten Richtungen weiterbilden muss. Nötig seien zudem eine schulische Grundausbildung und neue sehr fachspezifische Studiengänge.
Wie die digitale Transformation doch noch gelingen kann? Dafür hatten auch die Panelteilnehmer keine Patentlösung. Nur schnell muss sie passieren, darin waren sich alle einig.
vg