Deutscher Medienkongress 2017

Amazons Echo ist in Frankfurt offiziell das „Next big Thing“

Professor Jürgen Seitz beim DMK
Getty Images / Maja Hitij
Professor Jürgen Seitz beim DMK
Manchmal braucht es keine Experten, sondern Volkes Stimme genügt: Befragt, welche Trends in die Kategorie Big Thing oder Big Hype fallen, war das Votum der Teilnehmer am Deutschen Medienkongress eindeutig: Klarer Spitzenreiter ist der Amazon Lautsprecher Echo mit 82 Prozent Zustimmung. Doch die Präsentation „Big Thing or Big Hype?“ zeigte auch, dass die Suche nach relevanten Trends nicht auf die neuestens Technologien beschränkt bleiben sollte.
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Die auf der Bühne präsentierten Trends bildeten die ganze Bandbreite von alt bis neu ab. Mit Virtual Reality und Amazon Echo standen zwei der aktuell am meisten diskutierten Trends auf der Bühne, während mit Newsletter und Native Advertising Formate präsentiert wurden, die so Manchem aus dem anwesenden Fachpublikum reichlich bekannt vorgekommen sein durften.

In der Abstimmung des Publikums war Amazon Echo der große Gewinner
HORIZONT
In der Abstimmung des Publikums war Amazon Echo der große Gewinner
Eine Ausnahmerolle spielte dabei das Podcasting, das in Deutschland schon seit vielen Jahren als unausweichlicher Trend angepriesen wird, ohne jemals tatsächlich den Durchbruch in den Mainstream geschafft zu haben. Für diesen Trend argumentierte als kurzfristig eingesprungener Pitcher Vincent Kittmann, Head of Marketing der Online Marketing Rockstars (OMR), der trotz seines spontanen Einsatzes eindeutig am überzeugendsten argumentierte. Vor seinem Auftritt hielten nur 40 Prozent der Anwesenden Podcasts für einen relevanten Trend, danach waren es 48 Prozent.

Dabei war Kittmanns Botschaft so einfach wie effektiv. Mittlerweile hat sich durch eine Flut hoch spezialisierter Podcasts eine ganze Podcast-Landschaft herausgebildet, von denen nur einige wenige Werbung beinhalten: „Da liegt Reichweite herum, die noch ungenutzt ist. 100.000 aktive Nutzer des neuen Mediums werden eigentlich gar nicht angesprochen.“ Kittmanns Pitch ist nicht uneigennützig, schließlich ist OMR auch als Podcast-Vermarkter aktiv. Doch sein Argument für das unterschätzte Medium kann der Digitalexperte auch mit Marktforschungszahlen unterfüttern.

Nach einer aktuellen Studie gehen 45 Prozent der Zuhörer nach dem Podcast tatsächlich auf die Website eines Sponsors, um sich über dessen Angebote zu informieren. Kittmann: „Wenn ich das mit der Klickrate klassischer Online-Werbung vergleiche, ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht.“

Sascha Lekic, Director IM B2B Samsung Electronics, musste im Pitch für den Medientrend Virtual Reality dagegen die Erfahrung machen, dass manchmal konkrete Zahlen auch dabei helfen, den Hype-Anteil eines neuen Trends einzuschätzen. Denn auf den ersten Blick sehen die Zahlen gut aus. Um 300 Prozent ist die Zahl der VR-Geräte 2016 weltweit gestiegen und auch in der Wirkung sei die virtuelle Realität anderen Medienformaten überlegen, so Lekic: „Mit dieser Technologie erzählt man Geschichten nicht nur, man erweckt sie als Erlebnis zum Leben.“

Deutscher Medienkongress 2017: Die Bilder vom ersten Tag

Das verspricht Marketern eine attraktive Chance. Schließlich herrscht derzeit Mangel an attraktiven Content und dementsprechend hoch sei das Interesse der Hersteller zu Content-Partnerschaften: „Die beste Brille nützt nichts, wenn es nichts Spannendes zu erleben gibt.“ Und das Spannende daran für Unternehmen: Eine 360-Grad-Kamera, ein passendes Smartphone und ein VR-Headset für zusammen knapp unter 1000 Euro genügen schon, um mit der Produktion von eigenem Content zu beginnen.

Das Problem daran bleibt allerdings immer noch die fehlende Verbreitung der Hardware. Es gibt schlicht noch zu wenige Brillen im Markt, um das gewünschte immersive Erlebnis in der für Massenkommunikation nötigen Quantität anbieten zu können. Samsung ist es als Marktführer 2016 gelungen, in Deutschland rund 200.000 Gear VR zu verkaufen. Daneben ist nur noch die qualitativ deutlich schlechtere Google Cardboard in nennenswerten Stückzahlen verbreitet. Das macht zwar Hoffnung für die Zukunft, ist aber zu wenig um die schon geweckten Hoffnungen schnell befriedigen zu können. Dementsprechend sank die Zustimmung durch den Trendcheck von 82 auf 70 Prozent.

Im Gegenzug zeigten „Tagesspiegel“-Chefredakteur Lorentz Maroldt und Frank Vogel, Sprecher der Geschäftsführung von G+J EMS, dass sich auch in so manch vermeintlich bekannten Format noch echtes Trendpotenzial entfesseln lässt. Maroldt widmet sich mit seinem preisgekrönten Newsletter „Checkpoint“ einem Format, das in vielen Redaktionen nur wenig Liebe erfährt: „Ich wollte mal einen Newsletter machen, der mehr ist als nur eine Werbeplattform für andere journalistische Produkte. Und mittlerweile ist ,Checkpoint‘ nicht nur profitabel sondern ein echter Marketingmotor für unser Haus.“ Maroldts logische Konsequenz: Aktuell testet er, ob mit zwölf stadteilbezogenen Newslettern der Einstieg in die sublokale Berichterstattung gelingen kann: „Das hat in Berlin bis jetzt noch niemand geschafft.“

Vogel hob in seinem Pitch das Native Advertising aus der rein funktionalen Formatdiskussion heraus und plädierte dafür, Native als Chance für einen Neustart in der Werbung zu nutzen. Entstanden ist Native nicht zuletzt aus dem Dilemma heraus, dass im Mobile Web die bespielbaren Bildschirme schlicht zu klein sind, um noch wie auf dem Desktop anteilige Werbeformate sinnvoll platzieren zu können. Doch statt einfach nur nach neuen Formaten zu suchen, sollten die Werbungtreibenden die Chance nutzen, um die verlorengegangene Aufmerksamkeit der User zurückzugewinnen, so Vogel: „Aber es reicht nicht, Pressetexte in ein neues Format zu zwängen. Wir müssen erspüren, was den User wirklich interessiert.“

Während es Vogel gelang, mit Argumenten dem vermeintlich bekannten Native Advertising zumindest ein bisschen mehr Sex Appeal einzuflößen, konnte der letzte Präsentator im Trendpitch gleich mit einer waschechten Liebesgeschichte aufwarten. Protagonisten der Geschichte, die Professor Jürgen Seitz, Dozent für Marketing, Medien und digitale Wirtschaft an der Stuttgarter Hochschule der Medien, zu erzählen hatte, waren sein junger Sohn Alexander und Amazons Digitalassistent Alexa.

Der Digitalassistent ist dank Amazons Lautsprechersystem Echo nun schon seit Monaten in Seitz Privatwohnung präsent und hat sich zum speziellen Liebling für den fast gleichnamigen Sohn des Hauses entwickelt. Dessen Interesse, mit dem sprachgesteuerten Digitalassistenten zu interagieren und die zutiefst emotionale Haltung, die er gegenüber dem unsichtbaren Familienmitglied entwickelt, ist für Seitz ein klarer Beleg, wie grundlegend die Digitalassistenten die Kommunikation der Zukunft verändern werden. Anders als die touchscreen-gesteuerten Smartphones erlauben sie nicht nur eine persönliche, sondern auch eine sehr emotionale Interaktion und sind zudem als jederzeit verfügbarer Helfer omnipräsent im Leben der User. cam
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