Customer Journey

Wer braucht einen Touchpoint-Manager?

TNS-Manager Hartmut Scheffler und Peter Ludwig
TNS
TNS-Manager Hartmut Scheffler und Peter Ludwig
Der Marktforscher Kantar TNS will Marken mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Die Datenbank Connect enthält Benchmarks von Customer Journeys aus drei Jahren. Geschäftsführer Hartmut Scheffler und Peter Ludwig, Head of Brand & Communication, erklären, warum ein professionelles Touchpoint-Management notwendig ist. Das Interview ist der Auftakt der Serie „Berühr mich“, die HORIZONT in der kommenden Woche starten wird.
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Die meisten Entscheidungen über den Kauf oder Nichtkauf von Produkten fallen doch am PoS, egal ob am Regal im Supermarkt oder im Autohaus. Muss man sich darüber hinaus mit Touchpoints beschäftigen?
Hartmut Scheffler: Auf jeden Fall. Jede Entscheidung für eine Marke hat eine Customer Journey. Die fängt manchmal bei null an, wenn ich mich zum ersten Mal mit einem Produkt beschäftige, manchmal ist es auch Routine, wenn man seine gewohnte Marke in den Einkaufswagen legt. In dieser Journey gibt es zahlreiche Momente, in denen wir mit der Marke – sei es vom Markeninhaber beabsichtigt oder nicht – in Kontakt kommen. Man kann eine Menge Geld in die Hand nehmen und dennoch nur eine unzureichende Wirkung erzielen. Um das zu verhindern, braucht es nicht nur Paid-, Earned- und Owned-Kommunikation, sondern ein ausgefeiltes Touchpoint-Management.


Es gibt ja sogar schon Forderungen nach einem Touchpoint-Manager.
Ludwig: Wir haben Beispiele gesehen, wo Unternehmen sich in ihrer Kommunikation auf verschiedenen Kanälen diametral widersprochen haben. Das liegt an der Silo-Problematik. Dem Konsumenten ist aber egal, wie das Unternehmen aufgestellt ist. Er bemerkt nur ein eventuell widersprüchliches Bild der Marke. Zudem bekommt er alle Äußerungen über die Marke mit, nicht nur die sogenannten Paid-Touchpoints. Da ist ein konsistentes und kohärentes und auf die Strategie der Marke abgestimmtes Bild notwendig. Daher ist es hilfreich, wenn Unternehmen einen Verantwortlichen haben, der sich darum kümmert, dass bei allen Touchpoints eine abgestimmte Botschaft vermittelt wird.
Berühr mich!
Die Bedeutung unterschiedlicher Kontaktpunkte entlang der Customer Journey für die Markenbildung untersucht Kantar TNS in zahlreichen Studien. Die Ergebnisse sind in der Datenbank Connect gesammelt. Wir nutzen diese Daten von der nächsten Ausgabe an für eine HORIZONT-Serie unter dem Titel „Berühr mich!“ Dort geht es um die Frage, wo und wie der Kunde auf seiner Reise durch die Konsumwelt mit Marken in Kontakt kommt, welcher Touchpoint für seine Entscheidung tatsächlich wichtig ist – und dass der Grat zwischen Berührung und Belästigung bisweilen schmal ist.

Wie kann man die Wirkung, die an einem Touchpoint entsteht, messen?
Ludwig: Wir haben uns für einen Survey-Ansatz entschieden. Wir haben über passive Methoden nachgedacht und testen diese auch aus. Sie sind aber eigentlich nur für digitale Touchpoints geeignet und nicht für Reichweitenmessung klassischer Medien. Die Erinnerung der Wirkung an allen Touchpoints kann man am besten mit einer impliziten Befragung – und möglichst zeitnah – erfassen.
Scheffler: Es gibt viele technische Verhaltensmessungen ohne Befragung, aber eben überwiegend für die digitalen Touchpoints. Was komplett außen vor bleibt, sind die klassischen Massenmedien, aber auch die vielen Möglichkeiten am PoS, die Nutzungserfahrungen mit einer Marke und natürlich auch Kontakte am Gartenzaun, wie wir sie immer nennen. Für ein Bild von der Marke beim Verbraucher sind das aber alles ganz wichtige Touchpoints, die gemessen werden müssen. Deshalb haben wir uns für die klassische Befragung entschieden.

Aber keine Befragung am PoS?
Ludwig: Nein, weil es nicht nur um das Kaufverhalten geht. Wir wollen übergreifend wissen, wie die Touchpoints die Marke beeinflussen und der Markenaufbau funktioniert. Wir haben immer die beiden Variablen im Blick, Kaufverhalten und die Markenstärke. Eine Befragung am PoS greift da zu kurz.
Scheffler: Die Grundvoraussetzung für einen Kauf ist, dass die Marke im Relevant Set des Konsumenten ist. Nun mögen manche sagen ‚Das geschieht doch alles unbewusst‘. Stimmt, aber wir kommen nicht auf die Welt und wissen unbewusst, was wir kaufen wollen. Das wird bestimmt durch Routinen und Heuristiken, die fußen auf Erziehung, Normen, Gewohntem und Gelerntem. Und dazu gehört auch jede Art der Kommunikation und des Kontaktes mit der Marke inklusive der Gespräche über die Marke, sei es positiv oder negativ, sei es offline oder in sozialen Medien. Dies hinterlässt dann einen Eindruck, der in ganz vielen Situationen zu automatischen und impliziten Entscheidungen führt. Es gibt also Automatismen, aber die fallen nicht vom Himmel, sondern sind oft das Ergebnis langer und intelligenter Markenarbeit.
Ein Touchpoint ist ...
...jeglicher Kontakt eines Konsumenten mit der Marke. Angefangen vom Produkt, alle Arten von Werbung, aber auch die Kontakte in Social Media und auch wenn Leute über eine Marke sprechen, also Word of Mouth. Dann natürlich die Webseite, die Verpackung, das Regal-Layout und die Platzierung, die Anzahl der Facings im Regal, also alles was der Konsument von der Marke wahrnimmt. Und er macht sich durch all diese Berührungspunkte ein Bild von der Marke. Alle diese Kontaktpunkte gilt es zu managen.
Hat TV-Werbung für alle Marken eine Bedeutung, oder können manche Marken auch darauf verzichten?
Scheffler: In der Regel geht es bei den meisten Marken darum, in einer weiten Zielgruppe Awareness und Markenbild aufzubauen. Dabei sind die klassischen Massenmedien unschlagbar. Kein Medium erreicht in so schneller Zeit so viele Leute – also Nettokontakte – wie TV. Was mich ärgert ist, dass häufig Bruttokontakte mit Nettokontakten verglichen werden. Das sollte man auseinanderhalten. Für den Aufbau einer Marke, die nicht very very special adressiert, sind die Massenmedien TV, Print und Audio weiterhin notwendig. Aber alle Medien haben ihren Platz in einem intelligenten Touchpoint-Management. Es gibt keine Zauberformel für eine bestimmte Kategorie oder Marke. Man muss sich anschauen: Wer ist meine Zielgruppe? Was macht der Wettbewerb? Wie kann ich mich abgrenzen? Deswegen gibt es auch nicht die 08/15-Forschung, die auf Knopfdruck Insights erzeugt, sondern jede Marke braucht spezielle Messung, strategische Beratung und operative Umsetzung.

Und wie sieht das bei den digitalen Touchpoints aus?
Scheffler: Da muss man in zwei Richtungen denken, digitale Werbung und alles, was in Social Media passiert. Bei digitaler Werbung haben wir ein riesiges Problem mit der Akzeptanz. Je kleiner der Bildschirm, je spontaner die Nutzung, desto mehr wirkt Werbung störend. Da kann man viel falsch machen und die Connect-Datenbank zeigt bei digitaler Werbung sogar manchmal negative Markeneffekte. Die Frage, ob man auf die Berücksichtigung von Social Media verzichten kann, würde ich ganz klar mit Nein beantworten.
Social Media links liegen zu lassen, nicht auf den passenden Plattformen stattzufinden, das geht heutzutage nicht mehr.
Hartmut Scheffler

Ludwig: Wir sehen in der Datenbank, dass rund 3 Prozent der Markenwirkung auf digitale Werbung zurückgeführt werden kann. Aber es ist wichtig, dass man genau versteht, welchen Mehrwert digitale Werbung in der Customer Journey hat. Wenn sie keinen messbaren Mehrwert hat, vielleicht den Nutzer eher stört – zum Beispiel, weil sie ihn davon abhält, seine Youtube-Videos anzuschauen –, dann wirkt sie eher negativ auf die Marke.
Scheffler: Das Zauberwort heißt Relevanz. Die Information, die ich bekomme, muss für mich relevant sein. Wenn ich das Wort Relevanz in den Mund nehme, denken viele Leute an den rationalen Nutzen. Es ist viel mehr. Für den Konsumenten können sehr emotionale Dinge Relevanz haben. Eine Unterhaltung mit Freunden oder Entspannung kann hochrelevant sein. Relevanz ist das Mantra der Kommunikation und Touchpoint-Management ist somit auch immer Relevanz-Management.

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