Moderator Jürgen Scharrer und seine Podiumsgäste Antje Neubauer (Deutsche Bahn), Katja Sottmeier (Hornbach), Alexander Ewig (Media-Markt Saturn) und Tim Alexander (Deutsche Bahn, v.l.)
Ist digital noch sexy? Diese Frage sollte die CMO-Runde auf dem Deutschen Medienkongress beantworten, aber wesentlich dominanter war die Frage nach dem schwindenden Sexappeal einer anderen großen Gattungs-Diva: Dem Fernsehen. Gleich drei der vier auf der Bühne versammelten Marketer meldeten Zweifel an der künftigen Qualitätsentwicklung im Königsmedium der deutschen Werbelandschaft an.
Es war eine hochkarätige Runde, die zur CMO-Runde auf der Bühne versammelt war: Der Deutsche-Bank-CMO Tim Alexander, die Deutsche-Bahn-Leiterin Marketing & PR Antje Neubauer, der Media-Saturn-Marketingchef Alexander Ewig und die Hornbach-Digital-Marketing-Verantwortliche Katja Sottmeier. Doch der Einblick, den sie in ihre aktuell relevante Themenliste gaben, dürfte den Vermarktern im Publikum kaum gefallen haben. Hier die brisantesten Punkte:
Budgets
Nur einer der Marketingentscheider bekannte sich zu steigenden Werbeinvestitionen, wie sie die OWM-Umfrage prognostiziert hatte. Allerdings relativierte Tim Alexander seine Aussage sogleich: „Wir haben auch eine Menge Nachholbedarf.“ Alle anderen kommentierten den vermeintlichen Trend in der OWM nur mit der Aussage: „Ich habe dieses Jahr nicht mehr Geld zur Verfügung.“
Durch die Blume wurde zudem deutlich, dass sich die Werbevermarkter auf härtere Preisverhandlungen einstellen müssen. Denn in den Budgets der Marketingabteilungen müssen zunehmend auch neue Investitionen wie CRM-Programme, Ad-Tech und Marketing-Software mitgetragen werden. Ewig: „Wir müssen unsere Budgets effizienter einsetzen, um alle diese neuen Anforderungen zu befriedigen. Und natürlich wird der eine oder andere Vermarkter darunter leiden, weil wir uns auf die besonders viel versprechenden Themen konzentrieren müssen.“
Deutscher Medienkongress 2018: Bilder vom zweiten Tag
Tech
Die Marketingabteilungen rüsten technologisch auf. Und sie haben auch keine andere Wahl, wenn sie die zunehmend komplexeren Prozesse in der Always-On-Kommunikation noch beherrschen wollen, sagt Deutsche-Bank-CMO Alexander: „Das digitale Controlling kann man nicht auslagern, das muss im Unternehmen liegen.“ In diesem neuen Kommunikationsumfeld sieht sich Alexander zudem streckenweise von den Agenturen allein gelassen: „Momentan kämpfen wir mit einigen großen Fragen, die sich eigentlich auch die Agenturen stellen müssten. Und von dieser Seite aus bekomme ich relativ wenige Antworten.“
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Agenturen im Marketingprozess keine Rolle mehr spielen würden. Alexander Ewig – ein starker Anhänger der unternehmensinternen Marketingressourcen – sieht auch Grenzen dieser Strategie: „In unserer hektischen Marketinglandschaft können Sie gar nicht immer sofort entscheiden, mit welchem Trend man sich nur kurz beschäftigen muss, und wo es sich lohnt, langfristig Ressourcen aufzubauen.“ Darüber hinaus riskiere man, den Blick fürs Wesentliche zu verlieren, wenn man sich ausschließlich mit der Optimierung interner Strukturen beschäftige: „Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere eigentliche Aufgabe immer noch das kreative Marketing ist. Denn kreative Kommunikation liefert immer noch die beste Wirkung“.
Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere eigentliche Aufgabe immer noch das kreative Marketing ist. Denn kreative Kommunikation liefert immer noch die beste Wirkung.
Alexander Ewig
Auf diesem Weg nahm die Hornbach-Marketerin Sottmeier die Unternehmen in die Pflicht. Wer gute Kreation wolle, müsse die vertrauensvolle Partnerschaft mit seiner Agentur suchen: „Wenn ich mir eingestehe, dass ich aus meinem Unternehmen heraus keine hervorragende Kreation leisten kann, dann muss ich das meiner Agentur auch wirklich zutrauen und ihr die entsprechenden Freiheiten lassen. Und wenn man alle drei Jahre seine Agentur wechselt wird das bestimmt nichts.“
Sex-Appeal der Medien
Vom Sex-Appeal der digitalen Kanäle wollte keiner der Teilnehmer so richtig sprechen. Man bekam eher den Eindruck einer Vernunftehe, in der die Beziehung ausschließlich auf Nützlichkeit beruht. So erreicht die Deutsche Bahn etwa einen Budgetanteil von 40 Prozent für Online-Werbung aus dem simplen Grund, dass sich in regionalen Kampagnen die ausgewählten Zielgruppen am effizientesten aussteuern lassen und die jungen Zielgruppen bei Rekrutierungskampagnen in denen von Ihnen genutzten Medienumfeldern erreicht werden müssen. Sottmeier lobt die digitalen Kanäle als perfekte Plattform, um das Markenerlebnis der Hornbach-Kunden deutlich zu verbessern: „Ich kann hier – noch zu einem erschwinglichen Preis – eine Vielzahl neuer Kontaktpunkte zu meinen Kunden aufbauen.“
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Gleichzeitig sieht sie aber auch die Schwachstellen eines Kommunikationssystems, indem einige wenige große Player die Landschaft dominieren: „Natürlich nervt es mich, wenn es plötzlich in ganz Tschechien keinen Online-Traffic gibt und ich von Google keine Erklärung bekomme, wo der Fehler liegt.“ Doch radikale Sanktionen müssen Google & Co auch mittelfristig kaum fürchten, da sie aus Sicht der Marketer ein alternativloses Medienumfeld anbieten. Alexander: „Ich würde gerne mehr bei deutschen Vermarktern investieren, aber dazu müssen die mir auch geeignete Plattformen anbieten.“
Vor dem Hintergrund eines relevanten in Deutschland angesiedelten Angebots erscheint auch die Sorge einiger Podiumsteilnehmer um die künftige Attraktivität des Fernsehangebots in einem neuen Licht. Hornbach-Marketerin Sottmeier hat im eigenen häuslichen Umfeld die ersten Warnsignale entdeckt: „Meine Kinder haben drei Wochen gebraucht, um zu merken, dass unsere Antenne kaputt war.“ Die Kritik sei aber nicht als TV-Bashing gemeint: „Der Appell für die bessere Pflege der Programmqualität geschieht mit dem Ziel, dass uns diese wertvolle Medienplattform auch in Zukunft erhalten bleibt. Denn gerade als Hornbach schätzen und brauchen wir die Reichweite, die uns das Fernsehen bietet.“
Wir sind davon überzeugt, dass Fernsehen heute und auch morgen noch die richtige Plattform für uns ist. Was übermorgen sein wird, ist eine andere Frage.
Antje Neubauer
Rückendeckung erhielt sie dabei von Alexander Ewig, der das Publikum zum selbst Testen aufforderte: „Nehmen Sie sich einfach mal eine Fernsehzeitschrift und streichen Sie alle neuen und innovativen Formate an. Sie werden nicht allzu viele finden.“ Auffällig daran: Zum Anwalt der Zukunftssicherheit des Mediums wollte sich niemand auf dem Podium machen. So sagt Antje Neubauer: „Wir sind davon überzeugt, dass Fernsehen heute und auch morgen noch die richtige Plattform für uns ist. Was übermorgen sein wird, ist eine andere Frage.“
KI als Trend - Analog als Gegentrend
Bei der Frage nach den großen Themen des neuen Jahres dominierten ganz klar jene rund um die KI-getriebene Kommunikation. Wurden Entwicklungen wie Chatbots und digitale Sprachassistenten 2017 noch als Phänomene wahrgenommen, soll es im neuen Jahr um die konkrete Praxistauglichkeit gehen. Aber kein Trend funktioniert ohne Gegentrend, sagt die Hornbach-Managerin „Ich finden den analogen Gegentrend, wie er sich in der Maker-Szene äußert, gerade extrem spannend.“ Ähnliche Signale hat auch die Bahn-Kommunikationschefin wahrgenommen. Antje Neubauer: „Immer wenn wir besonders nah an den Kunden herangehen, funktioniert unser Marketing besonders gut. Deshalb werden wir 2018 verstärkt ins Live Marketing investieren.“
cam