Nach dem Nein der Briten zur Europäischen Union bläst Europas Wirtschaft Trübsal. In Deutschland haben sich am Freitag eine ganze Reihe von Branchenverbänden mit Einschätzungen zu den Folgen des Brexit zu Wort gemeldet. Vor allem die Internetwirtschaft fürchtet die Konsequenzen. Aber auch aus der Werbewirtschaft gibt es erste Stimmen.
Nachdem sich bereits am Freitagmorgen
WPP-Chef
Martin Sorrell in einem Statement "sehr enttäuscht" vom EU-Votum der Briten zeigte und
vor den Folgen warnte, hat sich mit
Frank-Peter Lortz nun ein weiterer hochrangiger Agenturmanager zu Wort gemeldet.
„Die Entscheidung der Briten wird auch Auswirkungen auf den deutschen Werbemarkt haben", ist sich der CEO von Publicis Media in der deutschsprachigen DACH-Region sicher. "Angesichts der prognostizierten drastischen Börseneinbrüche von bis zu 40 Prozent ist die Verunsicherung auch unter den Werbungtreibenden enorm", glaubt Lortz. Das Exportland Deutschland werde als einer der größten Verlierer dastehen. "Unternehmen mit starken Verbindungen nach Großbritannien werden Art und Umfang ihrer Marketingaktivitäten überdenken", sagt Lortz, der davon ausgeht, dass die Unsicherheit keine Frage von Wochen, sondern von Monaten oder Jahren sein wird. Aber auch Europa als Marke wird aus Sicht von Experten die Folgen zu spüren bekommen. "
Nach dem Brexit ist Europa endgültig eine Out-Brand", sagt Achim Feige, Partner bei BrandTrust. "Die Marke Europa braucht als GOOD-Brand ein neues radikales Versprechen jenseits der reinen Vernunft." Vor allem in der Digitalwirtschaft geht man von negativen Folgen aus. So befürchtet der deutsche Verband der Internetwirtschaft
eco, dass die europäischen Digitalunternehmen im Wettbewerb mit der US-Konkurrenz durch einen Austritt Großbritanniens aus der EU weiter an Boden verlieren werden. Das Brexit-Votum sei ein schwerer Rückschlag auf dem Weg zum gemeinsamen digitalen Binnenmarkt, warnte der für Politik und Recht zuständige eco-Vorstand
Oliver Süme am Freitag. "Einem fragmentierten Markt fehlt jede Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit Ländern wie die USA."
Das Abkommen soll als Nachfolgeregelung von Safe Harbor für den sicheren Datenaustausch zwischen Europa und den USA in Kraft treten.
Zugleich hält es Süme für möglich, dass als Folge Berlin London als wichtigstes Start-up-Zentrum in Europa ablöst, weil die britische Hauptstadt als Standort unattraktiver werde.
Katerstimmung herrscht auch beim deutschen Digitalverband Bitkom. Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder fürchtet wie sein Kollege vom eco-Verband, dass das Ziel des großen einheitlichen digitalen Binnenmarkts in weite Ferne rückt. Damit werde es für hiesige Unternehmen schwerer, "auf Augenhöhe mit Ländern wie den USA oder China" zu agieren. Rohleder glaubt, dass insbesondere Dienstleister und Start-ups unter dem Brexit leiden werden. „Es ist zu erwarten, dass sich Großbritannien von den Standards des digitalen Binnenmarkts entfernen wird. Für Unternehmen aus Deutschland bedeutet das, dass sie sich mit abweichenden Regeln in Großbritannien beschäftigen müssen. Gerade für Mittelständler und Start-ups ist das oft kaum möglich", so Rohleder. Zudem warnt der Bitkom-Chef vor den Folgen für den Arbeitsmarkt. "IT-Dienstleister, die fast immer in internationalen Teams arbeiten, werden künftig nicht mehr von der Arbeitnehmerfreizügigkeit profitieren können", sagt Rohleder. Das Ziel müsse es nun sein, auch nach dem EU-Austritt Großbritanniens einen möglichst einheitlichen Rechtsrahmen zu behalten.
Der Händlerbund warnt unterdessen vor den Folgen für den Onlinehandel.
„Ein Brexit bedeutet einen Rückschritt für den europäischen E-Commerce, der mit einem Anteil von 60 Prozent die stärksten Umsätze in Großbritannien, Frankreich und Deutschland verzeichnet", sagt Hauptgeschäftsführer Florian Seikel. Vor allem kleine und mittelständische Online-Händler werden es aus Sicht Seikels schwerer haben. mas