Klaus Eck: "Marken müssen sich vom Kampagnendenken verabschieden"

Klaus Eck
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Immer mehr Marken entdecken Facebook als Plattform für den Diaog mit dem Kunden. Doch sie sollten die Community nicht "als Marketingplattform missbrauchen", warnt Kommunikationsberater, Buchautor  ("Karrierefalle Internet") und Digital-Experte Klaus Eck im Interview mit Horizont.net. Vom klassischen Kampagnendenken sollten sich Unternehmen daher verabschieden. Auch einen Verzicht auf die Kampagnen-Website hält er  für denkbar.

Warum ist Facebook für Marken so attraktiv?
Klaus Eck: An Social Media führt für Marken kein Weg mehr vorbei, weil sie es sich nicht aussuchen können, ob ihre Kunden sich mit ihnen beschäftigen oder nicht. Knapp 10 Millionen Nutzer hat Facebook in Deutschland, weltweit sogar rund 500 Millionen Nutzer. Wer sein Engagement im Social Web verstärkt, profitiert von der Vergrößerung seiner Reichweite um ein Vielfaches.

Unternehmen haben mit Facebook und anderen sozialen Netzwerken zum ersten Mal einen großartigen Rückkoppelungskanal für Feedback und erfahren darüber, was ihre Stakeholder über sie wirklich denken. Das ergänzt sehr gut die klassische Marktforschung. Kampagnen lassen sich somit an die individuellen Bedürfnisse anpassen, auf Kritik kann öffentlich eingegangen werden und Lob und Fans entwickeln eine starke Wirkung als persönliche Testimonials. 

Entsteht da nicht eine neue Form des Kontrollverlusts?
Jedes Unternehmen, das sich in sozialen Netzwerken bewegt, gibt per se einen Teil seiner Kontrolle ab. Denn jeder Kommentar, jeder Dialog ist transparent und für jeden nachvollziehbar im Internet verfügbar. Mit dieser Form des gefühlten Kontrollverlustes müssen Marken erst umzugehen lernen. Wer auf Facebook und Co. als Plattform setzt, erhält andere Formen der Erfolgskontrolle: Die Anzahl der Fans und Kommentare, die Qualität des Dialogs und die Anzahl der Links, die auf die Social Media Präsenz verweisen. Das sind sehr klare Kennzahlen, um Erfolg und Misserfolg im Social Web zu messen.  Letztlich erfahren Unternehmen erstmals quasi in Echtzeit, was ihre Kunden über sie denken - weil sie es twittern, bloggen oder anderer Stelle publizieren. Warum soll es nicht möglich sein, das Feedback in gewisser Weise zu kanalisieren?

Inwieweit verändert dies auch Kampagnenführung?
Die grundlegenden Kampagnenmechanismen ändern sich auch in sozialen Netzwerken nicht. Ob nun online oder offline, Kampagnen müssen zunächst die Aufmerksamkeitsschwelle der Rezipienten überschreiten. Das kann mit Hilfe eines starken Bildmotivs oder - wie eben beim Fall Greenpeace vs. Nestle gesehen - durch ein provokantes Video geschehen. Vom klassischen Kampagnendenken sollten sich Unternehmen allerdings in Social Media verabschieden. Denn Social Media ist ein dauerhafter, kommunikativer Prozess - und endet nicht mit dem letzten Akt einer Kampagne. Von daher ist ein Umdenken aller Kommunikatoren und Marketiers erforderlich. 

Weiterlesen auf der nächsten SeiteUnd die Agenturen?
Agenturen sehe ich mehr in der Rolle als strategische Berater, die den konzeptionellen Part übernehmen und Organisation und den Prozess durchdenken und steuern. Die Kommunikation der Kampagne selbst sollte im Unternehmen stattfinden. Das hat zwei einfache Gründe: Oftmals tangiert eine Social Media Kampagne sehr viele unterschiedliche Bereiche im Unternehmen. Angefangen von der Kommunikationsabteilung bis hin zum Kundensupport, dem Vertrieb oder der Personalabteilung. Eine Agentur kann diese verteilten, internen Prozesse kaum lenken.

Zweitens und unmittelbar damit verbunden: Im Social Web kommt es im Zweifelsfall auf Geschwindigkeit an. Unternehmen, die ihre sozialen Aktivitäten outgesourct haben, sind nicht handlungsfähig. Im Fall von Kommunikationskrisen verhindert ein umständlicher Freigabeprozess ein schnelles und transparentes und glaubwürdiges Agieren im Social Web. Und genau darauf kommt es letztlich an.

Wird Facebook damit langfristig zur reinen Marketingplattform?
Nun, Facebook dürfte sich über den Gewinn nicht beschweren und muss sich auch refinanzieren. Die letzten Facebook-Geschäftszahlen sehen sehr gut aus. Ihren Auftritt auf Facebook sollten Unternehmen dennoch nicht als reine Marketingplattform missbrauchen. Das funktioniert nur kurzzeitig. Nutzer merken sehr schnell, wenn allein Marketingbotschaften und Verkaufsinformationen verbreitet werden und kein Mehrwert hinter einer Fanpage steht. Eine emotionale Ansprache und die richtige Tonalität machen den Unterschied. Plumpe Werbebotschaften können hingegen sehr schnell den Unmut anderer Mitglieder auf sich ziehen. Besser ist es, transparent und glaubwürdig mit Kunden und Interessierten in Dialog zu treten und „auf Augenhöhe" miteinander zu kommunizieren. Das ist für viele neue und erfordert mehr Persönlichkeiten in der Kommunikation. 

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Mehr zum Thema Facebook lesen Sie in der aktuellen HORIZONT-Ausgabe 26/2010 vom 1. Juli 2010.

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Welche Relevanz hat da künftig noch die klassischen Kampagnen-Website?
Da kommt es ganz auf die Zielgruppe an, die ich mit meiner Kampagne erreichen möchte. Soll in erster Linie ein junges oder webaffines Publikum - die Digital Natives -angesprochen werden, dann sollte der Fokus mehr auf Facebook liegen. Wenn alle Inhalte adäquat in Facebook integriert werden können, lohnt sich die Überlegung aus Kostengründen auf die klassische Kampagnen-Webseite zu verzichten, zumal man eine solche durchaus in der eigenen Facebook Fanpage integrieren kann. Tummelt sich die Zielgruppe eher selten auf Facebook, dann setzt man besser auf die klassische Kampagnenwebseite und ergänzt diese nur durch eine Facebook Fanpage.

Wichtig ist es, Social Media Kampagnen langfristig und nicht zeitlich begrenzt zu planen. Besser ist es, solche viralen Kampagnen als Ergänzung zu den eigenen Social Media Aktivitäten zu planen. Integration ist hierbei das richtige Stichwort. Im Vorfeld sollte die Social Media Strategie und deren Ziele festgelegt und im Kommunikationsmix abgebildet werden. Social Media Kampagnen sind dann ein Bestandteil dieser Strategie. Das macht Sinn, da Unternehmen dadurch alle Fanaktivitäten ihre Marke betreffend auf Facebook bündeln und somit schneller sichtbare Erfolge erzielen können. Und solche Erfolge lassen sich dann wieder gut kommunizieren. Interview: Olaf Kolbrück




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