Greenpeace vs. Nestlé: Heiligt der Zweck die Mittel? / Umweltschützer starten weiteren Spot

In dem neuen Greenpeace-Spot mähen Kitkat-Riegel durch den Urwald.
In dem neuen Greenpeace-Spot mähen Kitkat-Riegel durch den Urwald.
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Greenpeace hat ganze Arbeit geleistet: Das Thema Palmöl steht auf der Tagesordnung, der Nahrungsmittelkonzern Nestlé am Pranger. Die Social-Media-Kampagne, mit der die Umweltschützer auf die Rodung von Urwäldern für den Anbau von Palmöl-Plantagen aufmerksam machen wollten, hat gut funktioniert. Während die Umweltschützer mit einem neuen Spot nachlegen, werden mittlerweile aber auch kritische Stimmen laut, die Greenpeace Propaganda ohne Rücksicht auf Verluste vorwerfen.

Auf den ersten Blick ist die Rollenverteilung eindeutig: Greenpeace sind die Guten, der international agierende Konzern Nestlé ist der Böse. Umweltaktivisten gegen das Kapital. David gegen Goliath. Wo die Sympathien liegen, ist klar. Der aktuelle Fall hat unter PR-Experten eine Diskussion darüber angeheizt, ob sich die Machtverhältnisse in Zeiten des Web 2.0 und Social Media nicht bereits zugunsten der vermeintlichen Underdogs verschoben haben. Sitzt Greenpeace im Social Web nicht am längeren Hebel und nutzt seine Position gnadenlos aus?

"Der Fall Greenpeace versus Nestlé fängt an, mich zu verunsichern", schreibt Mirko Lange, Geschäftsführer der Münchner PR-Agentur Talkabout bei Posterous (Untertitel: "Greenpeace will Nestlé bluten sehen"): "Ich fange an, mir darüber Sorgen zu machen, ob die ehemals Ohn-Mächtigen anfangen, Macht zu missbrauchen." Die Kampagne sei populistisch, der Umweltschutzorganisation gehe nach Ansicht von Lange nicht ausschließlich um die Sache: "Greenpeace geht es um maximale Aufmerksamkeit, und auch vorsätzlich erzeugten Schaden. Für Greenpeace gilt nicht nur 'ohne Rücksicht auf Verluste', für Greenpeace ist der Schaden gewollt." Der PR-Mann geht sogar noch einen Schritt weiter: "Was Greenpeace tut, ist Unrecht. Es ist rechthaberisch, verletzend, schädigend, polemisch und manipulativ." Langes Fazit: "Schade eigentlich um das Social Web. Denn durch einen solchen Missbrauch könnte könnte bald das Medium in Verruf geraten."

Die Vorwürfe des Talkabout-Geschäftsführers haben inzwischen über 80 Kommentare nach sich gezogen, in der die Kommunikationsstrategie von Greenpeace heiß diskutiert wird. Dabei äußern sich auch andere User kritisch zu der Kampagne der Umweltschützer. Der gute Zweck dürfe nicht die Mittel heiligen. 

Greenpeace kann die Vorwürfe dagegen nicht nachvollziehen. "Es ist wirklich sehr gewagt zu behaupten, wir würden Nestlé als die einzigen 'bösen Buben' hinstellen", schreibt die Greenpeace-Expertin Corinna Hölzel. "Es geht uns nicht darum, jemanden 'bluten' zu sehen". Man habe auch andere Hersteller von Lebensmitteln genannt, die Palmöl von zweifelhaften Lieferanten verwenden.

Auf Nachfrage erläutert die Umweltschutzorganisation, warum man sich ausgerechnet auf Nestlé eingeschossen hat: In der Regel suche man zunächst das Gespräch mit den Unternehmen, um diese auf Missstände aufmerksam zu machen und zum Umdenken zu bewegen. Erst wenn die Gespräche nicht auf fruchtbaren Boden fallen, gehe man mit Aktionen in die Öffentlichkeit. Während Unilever und Kraft ihre Verträge mit dem umstrittenen Palmöl-Produzenten Sinar Mas inzwischen gekündigt haben, spiele Nestlé seit Jahren auf Zeit. "Es geht darum, Druck aufzubauen", begründet Greenpeace-Sprecher Björn Jettka die Kampagne. Bei Nestlé will man sich zu der Kampagne von Greenpeace nicht öffentlich äußern, räumt allerdings Fehler in der Kommunikation ein. Man suche derzeit das Gespräch mit Greenpeace. 

Derweil erhöhen die Umweltschützer den Druck auf Nestlé weiter und haben einen neuen Film ins Netz gestellt: In dem neuen Spot mähen überdimensionale Kitkat-Riegel durch den Urwald und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Der Kampf David gegen Goliath geht weiter. Auf der medialen Ebene scheint allerdings inzwischen Nestlé die Rolle des Underdogs zuzukommen. dh



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