Dass der Sprecher des Mediaagentur-Verbandes OMG, Klaus-Peter Schulz, ausgerechnet in diesen Tagen dazu aufruft, das Schicksal der Qualitätsmedien den freien Kräften des Marktes zu überlassen, besitzt eine erhebliche Brisanz.
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Das Thema hat an Aktualität nichts verloren: Vor knapp einem Jahr appellierte Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel an die Werbebranche, die Verteilung ihrer Marketingbudgets zu überdenken. Jetzt meldet sich Klaus-Peter Schulz vom Mediaagentur-Verband OMG zu Wort.
Da ist zum einen die Begriffswahl, mit der Schulz vor einer Subventionierung publizistischer Angebote durch die werbende Wirtschaft warnt. Das ist blanke Polemik. Denn Subventionen erfolgen bekanntlich immer ohne direkte Gegenleistung. Krisengeschüttelte Industrien werden vom Staat subventioniert, weil ohne Stützung die Folgekosten für den Staat noch höher wären. Siehe Kohlebergbau, Landwirtschaft oder Fischerei. Medienhäuser hier implizit einzureihen, ist eine kühne Behauptung. Werbungtreibende erhalten immer einen ROI gemessen in Reichweite oder Kontaktqualität, sonst würden sie ihr Geld schlecht investieren. Das mag, je nach Medienmarke oder Kanal unterschiedlich effektiv ausfallen, ist aber dann bestenfalls eine gute oder weniger gute Investition. Aber noch lange keine Subvention.
„Wer die Qualitätsfrage bei den Medien ausschließlich den freien Kräften des Marktes überlassen möchte, nimmt den schleichenden Verlust an Substanz billigend in Kauf. Das kann genauso wenig im Interesse der Mediaagenturen und ihrer Kunden sein wie in dem von uns Kreativen.“
Ralf Zilligen
Dass mit Werbegeldern prinzipiell das journalistische Angebot finanziert wird, entspricht zwar nur noch teilweise der Realität – viele Medienmarken erwirtschaften inzwischen 2/3 ihrer Erlöse mit dem Vertrieb und machen sich zunehmend frei von der Abhängigkeit durch Werbung – hört sich aber gut an, wenn man gleichzeitig Fake News und Hate Speeches als „inhaltliche Fehlentwicklungen“ verharmlost.
Dass die Finanzierung eines hochwertigen journalistischen Angebotes – ob digital oder traditionell - besonders herausfordernd ist, wird niemand ernsthaft bezweifeln. Genauso wenig sollte aber auch dessen Bedeutung in Frage gestellt werden. Die Bedeutung für Inserenten beispielweise. Denn dem kreativen Produkt, von dem sich ein Werbungtreibender Bewegung im Markt verspricht, ist es keineswegs egal, ob es sich in einem Qualitätsumfeld oder in einem flachen Gewässer befindet. Die Trennlinie verläuft längst nicht mehr zwischen digitalen und gedruckten oder intellektuellen und unterhaltenden Angeboten, sondern zwischen reflektierten und stumpfen.
Schon vor drei Jahren empfahl die Studie einer großen deutschen Media-Agentur einem Telekommunikationskunden die Konzentration auf Umfelder mit Substanz. Weil nur sie langfristig Wahrnehmung und Sympathie einer Marke steigere und damit perspektivisch den Markenwert erhöhe. Stephan Vogel, der Präsident des Art Directors Clubs, hat vor einigen Tagen an dieser Stelle richtigerweise auf den Erfolgsfaktor Haltung in der Markenführung hingewiesen. Ein Blick zurück in den Werbeblock des letzten Super Bowls in den USA zeigt mehr als die Hälfte aller Marken mit einer mehr oder weniger deutlichen politischen Botschaft. Ein Signal, das man sich angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung hierzulande auch langsam einmal wünschen würde.
Im Zentrum der Debatte stehen eben nicht allein kommerzielle Interessen und Konsequenzen, wie uns der Gesamtverband der Mediaagenturen glauben machen will. Es geht um gesellschaftliche Verantwortung. Und hier nimmt Julia Jäkel völlig zu Recht die werbungtreibende Wirtschaft in die Pflicht. Denn genauso wie wir inzwischen von der Automobilindustrie erwarten, dass sie endlich ihren Beitrag zu besserer Luft leistet, müssen sich Inserenten darüber klar sein, dass sie die Verblödung der Gesellschaft beschleunigen oder in Grenzen halten können.
„Denn genauso wie wir inzwischen von der Automobilindustrie erwarten, dass sie endlich ihren Beitrag zu besserer Luft leistet, müssen sich Inserenten darüber klar sein, dass sie die Verblödung der Gesellschaft beschleunigen oder in Grenzen halten können.“
Ralf Zilligen
Auch hier lenkt Klaus-Peter Schulz vom wahren Kern ab, wenn er die Studie der OMG heranzieht. Die Studie stellt im Ergebnis lediglich den Zusammenhang zwischen Medienvielfalt und Meinungsvielfalt her. Das aber genau ist nicht der springende Punkt. Es geht um das Maß an journalistischer Güte und die wirtschaftliche Unterstützung an ihrem Zustandekommen. Wer die Qualitätsfrage bei den Medien ausschließlich den freien Kräften des Marktes überlassen möchte, nimmt den schleichenden Verlust an Substanz billigend in Kauf. Das kann genauso wenig im Interesse der Mediaagenturen und ihrer Kunden sein wie in dem von uns Kreativen.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber weder Regulierung noch Kodexisierung – den Entwurf der EU–Kommission zur Bekämpfung der Online Desinformation kann man durchaus kritisch sehen – aber es geht um ein gesamtgesellschaftliches Verständnis und die Verantwortung für ein lebendiges und qualitativ möglichst hochwertiges journalistisches Angebot. Denn bei aller Phantasie; ich kann mir nicht vorstellen, dass die nächsten Panama Papers im Rechercheverbund mit Snapchat an die Öffentlichkeit gebracht werden.
"Das ist blanke Polemik"