Tina Beuchler, OWM
"Ohne den Nutzer geht es nicht"

Ein Plädoyer für nachhaltige Nutzerorientierung in 5 Punkten

Am morgigen Mittwoch fällt in Köln der Startschuss zur runderneuerten Dmexco. Wie in jedem Jahr hat die Organisation Werbungtreibender im Markenverband (OWM) auch 2018 im Vorfeld der Leitmesse der Digitalmarketing-Branche einen umfassenden Forderungskatalog aufgestelltJetzt richtet die Vorsitzende der OWM, Tina Beuchler, erneut einen Appell an die Branche - und spricht sich in ihrem Gastbeitrag bei HORIZONT für eine stärkere Nutzerorientierung im Digitalmarketing aus. Ein Plädoyer in fünf Punkten.
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1. Ohne positives Nutzererlebnis keine Akzeptanz von Onlinewerbung

Onlinewerbung krankt nach wie vor an mangelnder Akzeptanz durch die Nutzer. Deutlichster Ausdruck: Rund ein Viertel der deutschen Internetnutzer hat aus den unterschiedlichsten Gründen einen Adblocker installiert. Ganz gleich ob Werbung als irrelevant, störend und qualitativ schlecht bewertet wird oder sich schlicht nachteilig auf die Geräte-Performance auswirkt: Allen Adblocker-Nutzern fehlt ein positives Erlebnis auf ihrer Reise durchs World Wide Web und sie empfinden Onlinewerbung nicht als hilfreiche Information, Inspiration oder gar Bereicherung. Zwar tut die Branche vieles gegen Adblocking, doch zielen diese Bemühungen bislang nur auf das Symptom, nicht aber die zugrundeliegende Ursache des „Phänomens Adblocker“. Warum ist das so?

2. Consumer Experience schlägt technische Optimierung 

Die Marketingbranche ist einerseits stark technologiegetrieben und andererseits überfordert von dem Tempo der technologischen Entwicklung. Während alle Konzentration darauf gerichtet ist, Schritt zu halten, geraten die Bedürfnisse des Nutzers aus dem Blick. Alle Player im digitalen Marketing-Ökosystem sind gleichermaßen vom Tunnelblick auf ihre Individualinteressen gefangen. Dabei ist der Hebel denkbar einfach: Es muss ein positives Online-Erlebnis her. Weg vom Paradigma der technologischen Machbarkeit hin zu einer Onlinewelt, die das Nutzererlebnis optimiert, statt es zu stören. Es ist also höchste Zeit, den Menschen wieder ins Zentrum aller digitalen Marketingaktivitäten zu stellen und seinen Bedürfnissen bei der Planung und Umsetzung den Vorrang zu geben.
Es ist höchste Zeit, den Menschen wieder ins Zentrum aller digitalen Marketingaktivitäten zu stellen und seinen Bedürfnissen bei der Planung und Umsetzung den Vorrang zu geben.
Tina Beuchler

3. Die Coalition for Better Ads – die globale Lösung? 

Vor exakt zwei Jahren wurde auf der Dmexco die Coalition for Better Ads (CBA) ins Leben gerufen mit dem Ziel, durch mehr nutzerfreundliche Werbeformen die Adblocker-Rate weltweit zu senken. Es wurden globale Standards für Onlinewerbung entwickelt, die sich an Nutzerbedürfnissen orientieren und so nachhaltig die Akzeptanz von Onlinewerbung sichern sollen. Inzwischen sind „Initial Better Ads Standards“ auf dem Markt und dienen Inventaranbietern als Leitlinien bei der Auswahl geeigneter Formate. Die OWM unterstützt die CBA von Anfang an, denn jegliche Maßnahmen zur Sicherung und Steigerung der Akzeptanz von Onlinewerbung sind dringend notwendig. Um auch dem europäischen Markt gerecht zu werden und ihm mehr Gewicht zu verleihen, braucht die Initiative allerdings ein European Chapter, eine Forderung, die die OWM im Schulterschluss mit dem BVDW stellt. In diesem Kontext ist es notwendig, jetzt eine erste Evaluation der Initial Standards sowie der Adblocking-Gründe vorzunehmen, um herauszufinden, ob und wie die Standards wirken. 

4. Personalisierung versus Datenschutz – zwei Gegenspieler? 

Interessenbasierte Werbung ist der gängige Hebel, um für jeden Nutzer individuell relevante Anzeigen auszuspielen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit angesichts der heutigen technologischen Möglichkeiten im Digitalmarketing. Die aktuellen Datenschutzregulierungsprojekte drohen diese Möglichkeiten allerdings wieder einzuschränken. Die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung sind sinnvoll und begrüßenswert, denn sie vereinheitlicht den Schutz personenbezogener Daten europaweit und bestätigt in Deutschland bereits bestehendes Recht.
Interessenbasierte Werbung ist der gängige Hebel, um für jeden Nutzer individuell relevante Anzeigen auszuspielen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit angesichts der heutigen technologischen Möglichkeiten im Digitalmarketing.
Tina Beuchler
Die E-Privacy-Verordnung (EPVO) als Regularium speziell für elektronische Kommunikation hat auch den Schutz der Nutzerdaten zum Ziel, schafft aber – zumindest in ihrem aktuellen Entwurf – eine Schieflage, denn sie ignoriert die Bedürfnisse der Digitalwirtschaft. Interessenbasierte Werbung wäre danach nur noch per individuelles Opt-in möglich, das realistisch betrachtet nur schwer einzuholen sein wird. Der Weg der EPVO führt die Branche zurück in die Steinzeit des Onlinemarketing und zum Prinzip Gießkanne. Die Konsequenzen für die Akzeptanz von Onlinewerbung liegen auf der Hand. Glücklicherweise ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen und es bleibt zu hoffen, dass die politischen Akteure sich am Ende für eine ausgewogene Ausgestaltung entscheiden, die Bürger- und Wirtschaftsinteressen gleichermaßen berücksichtigt. 

5. Die Akzeptanz von Onlinewerbung ist Aufgabe des gesamten Marktes 

Nur der vereinte Markt kann die Branche in ein nachhaltigeres digitales Marketing-Ökosystem führen. Jeder einzelne an der werblichen Wertschöpfungskette Beteiligte ist in der Pflicht, Verantwortung für den Markt zu übernehmen und einen Beitrag zu besserer Onlinewerbung zu leisten. Vermarkter müssen ihr Inventar maßvoll einsetzen, Dienstleister müssen ihre Leistung stärker auf Nachhaltigkeit statt auf kurzfristige Optimierung eigener Interessen ausrichten. Auch Werbungtreibende müssen ihren Beitrag leisten zu akzeptierter Digitalwerbung, die informativ, relevant und kreativ ist.



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