Der Moment, wenn die Last des Arbeitstages von einem abfällt und man sich sein redlich verdientes Feierabend-Bierchen öffnet, ist - das wird niemand bestreiten - ein ganz besonderer. Kein Wunder also, dass die Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei diesen "Biermoment" jetzt mit einer eigenen Kampagne feiert. Der von der Agentur Dorland entwickelte Kinospot ist handwerklich gut gemacht - und bringt das Feierabend-Gefühl auch überzeugend rüber. Doch der Werbefilm hat einen gewaltigen Haken.
Berliner Kindl Jubiläums Pilsener: Dieser Moment verdient ein Jubi
Der Haken ist die Story, die auf Frauen- beziehungsweise Männerklischees beruht, die antiquierter nicht sein könnten. Also: Der Mann, der noch beim Betreten der schicken Altbauwohnung mit bereits gelockerter Krawatte auf seinem Smartphone unheimlich wichtige Business-Sachen erledigen muss, kommt nach einem ultraharten Arbeitstag nach Hause. Dort findet er auf einem Spiegel ein Post-it mit einer Botschaft vor, die auf ihn eine ähnliche Wirkung zu haben scheint wie ein Sechser im Lotto. Auf dem Zettel steht aber gar nichts von einem Millionengewinn. Es handelt sich lediglich um den Hinweis seiner Frau, dass sie die Kinder vom Sport abholt und erst gegen 19 Uhr zurück sein wird. Woraufhin der gestresste End-Dreißiger aus dem Grinsen gar nicht mehr rauskommt und seine gerade erlangte Freiheit brutal abfeiert - mit ordentlicher Männermusik und einem schön gekühlten Berliner Kindl.
Angesichts dieses Rollenbildes - Frau kümmert sich um die Kinder, Mann verdient das Geld und ist froh, wenn er den Nachwuchs mitsamt Ehegattin aus den Füßen hat - drängt sich schon die Frage auf, wie dieser Spot auf Kinozuschauerinnen wirken muss. Haben sich Frauen das Feierabendbierchen etwa nicht verdient? Oder ist der Moment, der "ein Jubi" verdient, wie es in dem Spot heißt, nur Männern vorbehalten?
Man hätte die Geschichte um den "Biermoment" doch auch so erzählen können, dass sie für alle funktioniert. Was hätte denn dagegen gesprochen, die Kinder in einem Sandkasten auf einer schicken Dachterrasse spielen zu lassen, während das junge, berufstätige Paar mit einem Bierchen auf den Feierabend anstößt? Es steht ja sogar ein zweites Kindl im Kühlschrank!
Das hätte durchaus auch strategisch Sinn gemacht. Denn dass Bier ein Männergetränk ist, ist längst widerlegt. Und zwar von offizieller Stelle. So hat das
Bundesforschungsministerium herausgefunden, dass 48 Prozent der Frauen lieber Bier als Wein trinken. Und wer würde den Frauen ihren "Jubi-Moment" nicht gönnen?
mas