Bei Lego sind derzeit die Krisen-Kommunikatoren gefragt. Auf Facebook und Twitter hagelt es Kritik. Grund ist ein Anwaltsschreiben, die Lego einem Influencer zugeschickt hat. Thomas Panke, besser bekannt als "Held der Steine", ist eigentlich das perfekte Aushängeschild für Lego. Doch jetzt wittert die Marke plötzlich "Verwechslungsgefahr". Und der Held der Steine versteht die Welt nicht mehr. Was sagt der Fall über die Macht der Influencer aus? André Karkalis, Geschäftsführer von Karkalis Communications, hat sich Gedanken gemacht.
Seit Sonntag erhält Lego Gegenwind. Grund für den Shitstorm auf Facebook und Twitter: das Unternehmen hat dem für ihn wohl einflussreichsten deutschen Youtuber ein Anwaltsschreiben zugesendet * – den "Held der Steine".
Sein bürgerlicher Name: Thomas Panke. Er führt in Frankfurt ein Geschäft für Klemmbausteine (deren bekanntester Hersteller Lego ist). Gäbe es eine Forbes-Liste für Klemmbaustein-Experten, Panke wäre auf dem Cover. Auf seinem
Youtube-Kanal mit über 300 Videos folgen ihm 160.000 Zuschauer, die sich bei ihm darüber informieren, wieviele Teile ein Set hat, wie komplex es ist und wie es sich von möglichen Vorgängerversionen unterscheidet. Die Geek-Show hat Erfolg: Seine Videos erzielen hunderttausende Aufrufe, Dreiviertel davon im Longtail. Das bedeutet: wer "LEGO" sucht, findet den "Held der Steine".
Das Geheimnis seines Erfolges: Panke liebt, was er tut, seine Begeisterung ist ansteckend. Und er ist erbarmungslos ehrlich. Panke kritisiert Lego, wenn er Qualitätsmängel findet oder Preise aus seiner Sicht überzogen sind. Und das kam in den letzten Jahren des Öfteren vor. Er verzichtet auf Gratis-Zusendungen des Unternehmens und das Gütesigel "Lego Recognized Fan Media". Stattdessen setzt er auf Unabhängigkeit. Bisweilen wirkt der 38-Jährige wie ein Fußballfan, der mit der Transferpolitik des Vorstands unzufrieden ist. Der Zuschauer spürt: Panke geht es um die Sache. Egal wie laut er skandiert, am Ende liebt er die Steine aus dem Hause LEGO.
Wie authentisch der "Held der Steine" tatsächlich ist, konnten wir vor einigen Wochen selbst feststellen, als wir ihn als Agentur für eine Kampagne verpflichten wollten. Obwohl es bei unserem Kunden um ein ganz anderes technisches Produkt ging und er zusätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, eine Brücke zu seiner Leidenschaft zu schlagen, lehnte er ab. Die Kampagne passte nicht in sein Konzept.
Das Anwaltsschreiben von Lego
Am Sonntag, den 20.01.2019, veröffentlicht Panke ein Video, das mit der für seine Follower bekannten Grußformel beginnt: "Welt seid mir gegrüßt. Ich bin der Held der Steine. In Frankfurt am Main im Herzen von Europa. In meinem wunderbaren kleinen LEGO-Lädchen, an einem fantastischen Tag ..."
Das Ende des LEGO®-Ladens - es wird großartig!
Wie immer sitzt er an seinem Tisch, eingerahmt von Klemmbaustein-Bausätzen. Allerdings - und das ist ein Novum - diesmal nicht mehr nur von der Firma Lego. Er zitiert aus einem Anwalts-Brief. Der Vorwurf: Verwechslungsgefahr zwischen ihm, dem "Herrn der Steine" und der Firma Lego, begründet im Logo des Youtubers, auf dem Noppen zu sehen sind, wie man sie von Lego-Steinen kennt.
(Ergänzung vom 22.01.2019: Was aus Pankes YouTube-Video nicht hervorgeht: Er hatte sein Logo nicht nur verwendet, sondern auch als Marke in mehreren Klassen eintragen lassen.)Panke liest einzelne Aussagen des Briefes vor und kommentiert sie. Und er beschreibt seiner Community, welche Konsequenzen er aus dem Schreiben zieht:
Erstens: Er ändert sein Logo.
Zweitens: Er wird in Zukunft nicht mehr nur ausschließlich Lego in seinem Laden verkaufen.
Drittens: Ab sofort werden auch Bausätze von Konkurrenz-Marken vorgestellt, "die ganz normal auf Amazon erhältlich sein werden." Der "Held der Steine" gibt direkt einen Ausblick auf zukünftige Videos und präsentiert Produkte von Xingbao und anderen Anbietern. Das Video klettert auf Rang 14 der YouTube-Trends.
Das juristische Schreiben hat Wirkung erzielt: Aus Deutschlands größtem inoffiziellen Lego-Kanal wird nun ein Klemmbaustein-Kanal verschiedener Hersteller. Und die Community reagiert mit Zustimmung für ihren Experten – mehr als 4.000 Kommentare in wenigen Stunden – und Kritik für Lego. Erste
Medien berichten. Wer die Dynamik von PR-Krisen kennt, weiß, dass mehr folgen wird.
Die Learnings aus diesem Fall.
1.
Für Krisen sensibilisieren
Es werden Erinnerungen wach: 2009 mahnen Juristen im Auftrag von Jack Wolfskin eine DaWanda-Händlerin ab, die Tatzen auf ihre selbstgemachten Kissen stickt. Verwechslungsgefahr. Zahlreiche Medien berichten, wie Goliath David unsympathisch in die Knie zwingt. Damals wie heute gilt: Firmen müssen dagegen vorgehen, wenn ihre Markenrechte verletzt werden, sonst laufen sie Gefahr, diese zu verlieren. Ein Anwaltsschreiben ist aber nicht immer der kommunikativ geschickteste Weg. Hierfür müssen Kommunikatoren sensibilisieren.
2.
Influencer Kooperationen neu denken
Auch wenn es für Lego zur Krisenkommunikation wird, das aktuelle Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie einflussreich Influencer weiterhin sind. Das Beispiel straft diejenigen Lügen, die bereits das Ende des Influencer Marketings heraufbeschwören. Richtig ist: Aufdringliche Product Placements und geringwertige Limited Editions führen nicht mehr zum Ziel, weil Konsumenten sich bereits daran gewöhnt haben. Aber Influencer haben weiterhin Einfluss. Allerdings gilt es für Unternehmen die richtigen Influencer und die passende Strategie zu finden.
Auf der Facebook-Seite von
Lego machen Fans ihrem Unmut Luft. Besonders schmerzhaft für das Unternehmen: die mitgelieferte Marktforschung. Dutzende Fans schreiben ähnliche Kommentare wie Gabriel W.: "Tja, hatte vor 6 Monaten wieder mit Lego angefangen. Weil mir der "Held der Steine" so gut gefiel. Habt inzwischen weit über 1000 Euro an mir verdient. Bis gestern. Mal sehen was der Held von der Konkurrenz zeigt... Tschüß LEGO!".
Damit hat der "Herr der Steine" nicht nur eindrucksvoll bewiesen, welchen Einfluss Influencer auf Kunden haben können, er zwingt Entscheider dazu, sich mit einem Paradoxon zu beschäftigen: Der größte Kritiker eines Unternehmens kann zu dessen besten Verkäufern zählen.
* In einer früheren Version des Beitrags war hier fälschlicherweise von Abmahnung die Rede.