Mitte der Woche nannte HORIZONT Online anlässlich des
Starts von Apple Music "4 Gründe, warum sich Spotify & Co warm anziehen müssen". Michael Krause, Deutschlandchef des Musik-Streaming-Dienstes Deezer, sieht das naturgemäß anders. HORIZONT Online veröffentlicht die Replik im Wortlaut.
Streaming ist die Zukunft der Musik, der Musikkonsum hat sich grundlegend verändert und der Download-Markt schrumpft kontinuierlich. Grundsätzlich wird der Markteintritt von Apple einen positiven Einfluss auf den Streaming-Markt und auch auf die Musikindustrie als Ganzes haben.
Apple Music Kampagne
4 Gründe, warum sich Spotify & Co warm anziehen müssen
Für 10 Dollar im Monat auf 30 Millionen Songs zugreifen - dazu noch ein Gratis-Radio und sogar eine Android-Version: Beim Einstieg in den Streaming-Markt überlässt Apple nichts dem Zufall. Auch werblich dreht Apple ein großes Rad. Für die Wettbewerber wird es eng. ...
Apple Music wird dabei helfen, Verbraucher von den Vorteilen zu überzeugen und sie als Nutzer hinzuzugewinnen. Davon werden alle Marktteilnehmer profitieren. Aber wie auch schon Daniel Ek von Spotify mit seinem
Tweet „Oh ok“ kommentiert, ist die Weltrevolution vorerst ausgeblieben. 1. Streaming ist kein „Winner-takes-it-all“ Business
Musik wird zunehmend gestreamt
Es wird für keinen Player ein Monopol in diesem Markt geben. Streaming boomt, hat gewaltiges Potenzial, steckt aber noch in den Kinderschuhen. Vier von zehn Internetnutzern ab 14 Jahren nutzen laut den aktuellen BITKOM-Zahlen in Deutschland kommerzielles Musik-Streaming. Da ist also noch viel Luft nach oben und Platz für mehrere Anbieter. Einige Player wie Grooveshark oder Simfy sind bereits aus dem Markt ausgeschieden. Eine Konsolidierung hat begonnen. Aber letztendlich werden sich vier bis fünf Anbieter etablieren, die den Markt dominieren. Die Gruppe der Musikfans ist groß und heterogen. Es wird keinen Anbieter im Markt geben, der in letzter Konsequenz diese Vielfalt in einem Angebot bündeln kann.
2. Komplexität von Geschäftsmodellen im Streaming-Markt
Deezer bietet Musikfans einen Musikkatalog mit 35 Millionen Tracks
Sicher, Apple kann es sich leisten, nicht von Anfang an profitabel zu sein. Schlussendlich wird man in diesem Geschäft aber auch Geld verdienen wollen. Der Streaming-Markt unterliegt dabei gänzlich anderen Gesetzmäßigkeiten als das klassische Download-Geschäft. Selbst für Apple wird es nicht einfach sein, ein komplexes Produkt wie einen Streaming-Dienst zu etablieren. Die Diskussion um Freemium-Modelle versus Abonnenten ist dabei viel zu kurz gesprungen. Strategische Partnerschaften wir wie sie mit Telekom, Vodafone und Sonos abgeschlossen haben, nehmen einen mindestens ebenso großen Stellenwert ein. Apple hat acht Jahre gebraucht, um auf den fahrenden Zug aufzuspringen, in dem andere Marktteilnehmer wie Deezer reichlich Kompetenz und Netzwerke aufgebaut haben. 3. Die Zukunft gehört offenen Systemen
Deezer-Nutzer können den Dienst mit allen Endgeräten nutzen
Das Erfolgsgeheimnis von Apple war neben Design bisher auch immer eine überragende Usability in einem homogenen Kosmos – im Kern ein geschlossenes System. Nicht ohne Grund weicht Apple nun erstmalig von dieser Strategie ab und kündigt an, Apple Music ab Herbst für Android bereit zu stellen. Der Marktanteil für iPhone liegt in Deutschland bei rund 23 Prozent – Android hält 60 Prozent! Ob überzeugte Android-Nutzer konvertieren, bleibt abzuwarten, aber zumindest ist davon auszugehen, dass sich darunter nicht nur Fans befinden, die sonst vor dem Apple Store Schlange stehen. Bei Deezer sind Songs jederzeit und auf jedem Gerät abrufbar. Zudem ist unser Musikdienst offen für Apps Dritter, sodass Inhalte per API (Application Programming Interface) genutzt werden können. Unsere Erfahrung ist, dass Nutzer heute konsequent offene Systeme erwarten und Ihre Musik überall genießen wollen. 4. Don´t believe the Hype
Es ist schon immer wieder erstaunlich, welchen Medien-Hype Apple immer noch auslöst. Bei neutraler Bewertung ist Apple Music im Kern eine Musikplattform, die Nutzern in einer Mischung aus technischem Algorithmus und Experten-Wissen aus einem breiten Produktkatalog kuratierte Inhalte anbietet. Das Produkt ist weder technisch noch inhaltlich eine Innovation. Deezer und andere haben ein vergleichbares Angebot seit Jahren etabliert und zu einem tragfähigen Geschäftsmodell entwickelt. Die Preis-Modelle liegen eng beieinander. Nutzer werden sich für das Angebot entscheiden, das ihnen das beste personalisierte Musikerlebnis bietet. Diese Wünsche können kaum mit „One fits all“-Ansatz erfüllt werden. Vielen Nutzern gerade in Deutschland ist zudem wichtig, wem sie ihre Daten anvertrauen und bevorzugen daher Anbieter, deren Server in Europa stehen. Um Nicht-Abonnenten und Freemium-Nutzer zu konvertieren, muss es in Zukunft für alle Streaming-Anbieter darum gehen, Mehrwerte für Subscription-Modelle zu generieren – ob es dabei um lokale Angebote, die Wünsche unterschiedliche Altersgruppen oder individualisierten Zugang zu reichhaltigen und kuratierten Inhalten geht. Schlussendlich wird der Verbraucher entscheiden, welcher Dienst am besten zu seinen Bedürfnissen passt – und das wird nicht unbedingt die größte Marke sein.