Rolf Anweiler, Mapp Digital
Oldie but Goldie

Warum Marketer nicht jedem "heißen Scheiß" folgen sollten

Snapchat? Influencer? Programmatic? Werbungtreibende sollten neuen Trends nicht sofort folgen, findet Rolf Anweiler, der als Senior Vice President Marketing für die globale strategische Ausrichtung der Marketingkommunikation von Mapp Digital verantwortlich ist. In seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online begründet er, dass Marketer die neuen Kanäle erst einmal vollständig verstehen und so weit wie möglich optimiert haben sollten.
Teilen

Seit den Anfängen des Internet-Wahnsinns in den Neunzigern (ja, ich bin schon viel zu lange dabei), stelle ich immer wieder fest, dass Marketer wiederholt den gleichen Fehler machen: Sie stürzen sich voller Elan auf den nächsten "heißen Scheiß", obwohl sie den vom vergangenen Jahr weder vollständig verstanden, noch effektiv umgesetzt oder wenigstens so weit wie möglich optimiert haben. Trend-Hopping dieser Art ist kontraproduktiv und führt mittelfristig zu keinem echten Erfolg.


Und ja, ich gebe es zu – ich bin Teil des Problems – denn auch ich bin Teil der Machine, bei der es zu häufig nur darum geht, einen Haken im Marketingplan zu machen. Boss: "Sagen Sie mal, was machen wir denn eigentlich im Bereich Mobile Programmatic Inbound Storytelling? Habe gehört, Wettbewerber XYZ ist da wahnsinning erfolgreich. Da müssen wir auch rein...." Ich: "Ähm...., natürlich haben wir das auch auf dem Schirm. Habe kommende Woche ein Meeting mit der Agentur, dann setzen wir das richtig auf." Boss (im Herausgehen): "Gut."

Zugespitzt – zugegeben, aber derartige "Entscheidungsfindungen" gibt es Woche für Woche in tausenden Unternehmen. Klar, im Marketing geht es immer um Innovation und deshalb sollten – nein, müssen - wir auch ständig neue Sachen testen und die übernehmen, die funktionieren. Allerdings glaube ich fest daran, dass es einfacher ist, Umsatz mit einem Kanal zu erzielen, den ich zumindest halbwegs verstanden habe, als mit etwas, das völlig neu ist und das ich erst von Grund auf lernen muss. Denn gern wird bei der Vielfalt an Möglichkeiten der effektivste Weg zur Zielgruppe übersehen und bei der Zuteilung von Marketingbudget nicht berücksichtigt.

Das Problem, das ich als Marketingentscheider lösen muss, ist im Grunde einfach – wieviel Budget investiere ich in die Optimierung und des Ausbau bestehender Aktivitäten – sprich (Achtung: wirtschaftswissenschaftlicher Exkurs) wann wird der Grenznutzen derselben negativ versus wie viel Budget erlaube ich mir für Innovation und das Testen von neuen Technologien oder Strategien, bei denen ich insbesondere im digitalen Marketing häufig nicht weiß, wie hoch der Nutzen sein wird, beziehungsweise wie schnell er sich einstellen wird.

Ein Paradebeispiel hierfür ist die gute, alte E-Mail. Marketer sollten diesen Kanal in jede erfolgreiche Online-Marketing-Strategie integrieren, sonst vernachlässigen sie ein riesiges Potential an zusätzlichen Abverkäufen: laut eMarketer liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Online-Käufer nach dem Erhalt einer E-Mail, die auf seinen Kaufgewohnheiten basiert, einen weiteren Kauf tätigt, bei 81 Prozent.

Und trotzdem: Die meisten Händler, die dieses Instrument seit mehr als einem Jahrzehnt einsetzen, erzielen damit immer noch nicht den zu erwartenden E-Commerce-Umsatz von 15 bis 25 Prozent. Warum ist das so? Diese Unternehmen nutzen den Online-Kanal nicht effizient genug und anstelle zu optimieren, stürzen sie sich bereits auf den nächsten Marketing-Hype, der implementiert sein will.

Natürlich sollten Marketer die neuen Online-Kanäle nicht ignorieren. Die besten Ergebnisse erzielen sie, wenn sie E-Mail und die anderen Kanäle miteinander kombinieren. Aber wie können Unternehmen die Kanäle so verknüpfen, dass sie das Beste aus ihren Marketingausgaben herausholen?

Mobiltelefone und Tablets sind entscheidend

Daten aus Google Analytics zeigen, dass 50 Prozent aller Online-Zugriffe heute von Smartphones und Tablets stammen. Abonnenten lesen gerne und regelmäßig ihre E-Mails, wenn sie unterwegs sind. Zudem erlauben sie Marken und Unternehmen, für die sie sich interessieren, ihnen Nachrichten zu schicken. Gleichzeitig tolerieren sie es aber immer weniger, wenn Unternehmen ihnen Nachrichten senden, die nicht personalisiert sind und einfach keinen Mehrwert bieten. Nennen wir es platte Werbung. Im schlimmsten Fall, landen solche Botschaften direkt im Papierkorb. Darüber hinaus löscht die Mehrzahl der Konsumenten E-Mails sofort, wenn sie auf dem jeweiligen Endgerät nicht korrekt angezeigt werden.

Deshalb reicht es heute bei Weitem nicht mehr aus, E-Mails im Responsive Design zu entwickeln und sie für Mobilgeräte zu optimieren. Das ganze Kauferlebnis muss nahtlos gestaltet sein, da die Verbraucher zwischen den Endgeräten hin- und herwechseln. Zwar wird ein Verbraucher aufgrund einer responsiven E-Mail-Kampagne vielleicht nicht gleich einen Kauf abschließen, aber ein positives Nutzererlebnis wird seine Kaufneigung ganz sicher positiv beeinflussen.

E-Mail-Abonnenten sind "Social"

E-Mail-Abonnenten suchen immer das beste Angebot und folgen Unternehmen in den sozialen Medien, weil sie Geld sparen wollen. Laut QuickSprout gelingt es Marken, die in ihren Mailings mit relevantem Content punkten und aktiv zur Interaktion über die sozialen Netzwerke aufrufen, eine tiefere Kundenbindung aufzubauen. Darüber hinaus sind Kundenempfehlungen auf Facebook und Co meistens darauf zurückzuführen, dass die Verbraucher für sie interessante Inhalte gern in ihren sozialen Netzwerken teilen. Allerdings muss trotz dem Social-Media-Hype jedem Marketer klar sein, dass Verkaufen über Facebook und Co immer noch nicht funktioniert. Hingegen die E-Mail fährt den Umsatz einfährt.

E-Mail beeinflusst das Kaufverhalten: Der erste Kauf wird nicht der letzte sein

Verbraucher abonnieren E-Mail-Angebote aus unterschiedlichen Gründen, etwa weil sie Rabatte erhalten oder über Sonderangebote informiert werden wollen. Laut einer Umfrage von MyBuys und der e-tailing group sagen 41 Prozent, dass sie mehr von Einzelhändlern kaufen, die ihnen personalisierte E-Mails schicken. Man könnte denken, dass die "Buyer’s Journey" endet, sobald der Interessent zum Kunden wird. Tatsächlich aber sollten Unternehmen ihm auch nach dem Kauf unvermindert weiter einen Mehrwert liefern, damit der Käufer zum Stammkunden und Markenbotschafter wird.

Fazit: Unternehmen müssen die Reichweite und Effizienz von E-Mail richtig nutzen

Der Erfolg von E-Mail-Kampagnen steht und fällt mit der Relevanz und dem Personalisierungsgrad für jedes Verbrauchersegment. Demografische Merkmale können zu unterschiedlichen Präferenzen führen, aber alle Verbraucher erwarten ein personalisiertes, integriertes, kanalübergreifendes Erlebnis und sie erwarten, dass ihre Daten bei der Erstellung der E-Mails sinnvoll genutzt werden. Marketer müssen Daten erfassen und organisieren, ganzheitliche Sichten auf Kunden und Zielgruppensegmente erstellen, Automatisierung einführen und die Kommunikation so weit wie möglich personalisieren, um den kontinuierlichen Dialog mit dem Kunden aufrechtzuerhalten.

Trotz der explosionsartigen Zunahme von Marketinginstrumenten, die neue Kanäle nutzen, legen Umfragen nahe, dass E-Mail immer noch der effektivste Kanal ist. E-Mail-Marketing wird von immer mehr Verbrauchern akzeptiert. Deshalb legen vorausschauende Online-Marketer großen Wert auf die ständige Aktualisierung und Optimierung ihrer E-Mail-Marketing-Strategie. Die Millennials und die Generation Y sind starke, attraktive Zielgruppen für das E-Mail-Marketing, aber gerade sie erwarten ein Erlebnis, das berücksichtigt, was sie wollen, wie sie es wollen und wo sie es wollen. 

stats