Die Debatte um die Effektivität und Effizienz von Digitalwerbung hat nach den
Budgetkürzungen durch Procter & Gamble Fahrt aufgenommen. "Wenn es die digitalen Vermarktungspartner nicht schaffen, Standards zu etablieren, geben wir unser Geld wieder in Kanäle, wo wir einen garantierten Wirkungsnachweise haben", sagte kürzlich Tino Krause, Chef von Deutschlands größter Mediaagentur Mediacom. Doch werden die Werbebudgets tatsächlich zurück in die klassischen Kanäle fließen? Lars Hense, Sales Director bei Inskin Media, meldet Zweifel an.
In einem Artikel auf HORIZONT Online von Anfang August spricht Tino Krause, Geschäftsführer der deutschen Mediacom, einige wichtige Punkte an. Die Digitalbranche braucht einen Umbruch und muss endlich allgemeingültige Standards schaffen. Doch die ausgesprochene Warnung an die Digitalbranche, dass Werbetreibende ihre Digital-Budgets wieder verstärkt in Richtung der klassischen Kanäle verschieben könnten, möchte ich so einfach nicht unterschreiben.
Ich wage mal einen etwas banalen Vergleich, aber einen, der im Kern doch wahr sein dürfte: Eine Abwendung von digitaler Werbung im Lichte der jüngsten Ereignisse käme einem lebenslangen Verzicht auf Meeresfrüchte nach dem Verzehr einer schlechten Muschel nahe. Wir mögen vielleicht den Lieferdienst wechseln – nie wieder Frutti di Mare zu genießen, erscheint als direkte Reaktion aber doch allzu drastisch.
Mediacom-Chef zu P&G
Tino Krause warnt vor Rückgängen bei digitalen Werbespendings
Um 100 Millionen US-Dollar hat der FMCG-Riese Procter & Gamble seine Digital-Spendings in den USA im vergangenen Quartal gekürzt - war das erst der Anfang, kommt da noch mehr, macht das Beispiel P&G Schule? Gut möglich, sagt Tino Krause, Chef von Mediacom. ...
Machen wir uns nichts vor: Digital ist gekommen, um zu bleiben. Wir können dieses immer weiterwachsende Medium mit seinen Milliarden von Nutzern schlecht ignorieren. Wer Kunden aller Zielgruppen erreichen will, kann das kaum besser, schneller, effizienter als im digitalen Raum. Von den Möglichkeiten hinsichtlich Ausspielung, Messbarkeit und auch Planbarkeit, die sich Werbetreibenden hier bieten, sind die klassischen Medien noch weit entfernt. Niemand wird also ernsthaft glauben, dass das Internet im Marketingmix zukünftig quasi unter ferner liefen geführt werden könnte.
Machen wir uns nichts vor: Digital ist gekommen, um zu bleiben.
Lars Hense
Der Ärger und die damit verbundenen Androhungen seitens der Brands, Budgets zu kappen und Digitalstrategien zu überdenken, ist aus meiner Sicht in allererster Linie der (dringende!) Appell an die Dienstleister und Technologienanbieter, Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu fördern und Marketingverantwortliche auf dem Weg durch den fragmentierten digitalen Werbemarkt an die Hand zu nehmen. Allein aus einer solchen Verpflichtung zur stärkeren Kommunikation zwischen Agentur und Kunde, wird die Verbindlichkeit seitens der Dienstleister steigen, effiziente und nachvollziehbare Marketingaktivitäten auszuführen.
Dass die Diskussion jetzt aufflammt, ist ein gutes Zeichen. Die gesamte Branche ist am Scheideweg und fordert klare Rollenverteilungen und einheitliche Standards aller Akteure. Nachdem nun die Schuldzuweisungen auf allen Seiten gemacht sind, ist es Zeit, die Debatte zielführend in die richtige Richtung zu lenken – und die heißt für mich: Qualitätsoffensive! Sowohl im Werbeumfeld, in der Werbemessung, als auch im Werbemittel.
Auch im Mediaeinkauf gilt wie bei jeder größeren Investition: Qualität überprüfen. Wichtig also, dass nun alle an einem Strang ziehen und allgemeingültige Standards entwickeln, die zur Orientierung dienen. Hier lohnt sich ein Blick auf den internationalen Markt. Wie Adage im Juli berichtete, werden in den USA längst Stimmen laut, die sagen, der Media Rating Council überlege, seine Standards an die deutlich strengeren Viewability-Richtlinien der mächtigen GroupM anzugleichen: Ein klares Zeichen für eine Vereinheitlichung der Messbarkeit.
Auch in unserem Markt beobachte ich den Trend zu einem verantwortungsvolleren Handel mit Medieninventar und die Überprüfung von Branchenstandards, um mehr Qualität in das Online-Werbegeschäft zu bringen. Bestrebungen seitens Publishern wie Burda Forward Advertising, die durch eine Ad-Clutter-Reduktion und technologische Investitionen zur Verringerung der Ladezeiten ihr Inventar auf einen höheren Standard heben, sind sehr zu begrüßen. Auch die AGOF arbeitet daran, bessere Richtwerte zur Verfügung zu stellen, wie die tatsächliche Verweildauer auf einer Website, die eine Vergleichbarkeit schafft.
Premium-Werbeumfelder müssen wir nicht erst schaffen, es gibt sie doch längst.
Lars Hense
Für Dienstleister im Online-Werbemarkt ist es jetzt entscheidend, der Unzufriedenheit entgegen zu wirken und das Vertrauen zu stärken. Denn Display Advertising ist mitnichten per se zu verteufeln. Natürlich kann der Markt Brand Safety garantieren und will eine dauerhafte Verbesserung der Viewability-Raten. Und Premium-Werbeumfelder müssen wir nicht erst schaffen, es gibt sie doch längst – ich kann mir nicht vorstellen, dass Werbungtreibende ernsthaft auf die Reichweiten und das starke inhaltliche Umfeld digitaler Leitmedien verzichten möchten. Zudem entstehen im wachsenden Feld Mobile und Display Advertising neue Kreativ-Möglichkeiten für interaktive und spannende Werbeerfahrungen, die den Nutzer besser als jedes andere Medium erreichen.
Ich denke also, bei all den scharfen Worten, die in dieser Diskussion gerade fallen, werden wir am Ende keine eklatanten Budgetverschiebungen zurück zu den klassischen Medien erleben. Vielmehr wird sich das Budget innerhalb der digitalen Medien verlagern und in Richtung qualitativ hochwertiger Umfelder investiert werden, die langfristig sowohl im Bereich Brand Safety als auch mit sehr hohen Viewability-Raten überzeugen werden. Und das ist die notwendige und richtige Entwicklung, die wir Digital-Media-Experten mit und für unsere Kunden vorantreiben müssen.