Data Driven Intelligence, Chatbots, digitale Assistenten - in der bunten Welt des Marketing wird derzeit jede Woche eine andere (digitale) Sau durchs Dorf getrieben. Doch wie lassen sich kurzfristige Hypes von langfristigen Trends unterscheiden? Frank Rauchfuß, CEO von IntelliAd Media, nennt in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online sieben Herausforderungen, die 2017 angegangen werden sollten.
Nicht jeder Trend lohnt den zweiten Blick. Dennoch erfordert unsere dynamische Branche, sich regelmäßig mit der (möglichen) Entwicklung des Marktes auseinanderzusetzen. Insofern ist der Jahreswechsel ein guter Zeitpunkt, das eigene Handeln zu hinterfragen. Was bedeutet es beispielsweise, wenn Verbraucher nicht nur immer stärker mobil ins Netz gehen, sondern dort auch zunehmend via Smartphone shoppen? Wie lässt sich die Herausforderung einer stärkeren Automation des Marketings verstehen und umsetzen? Wie reagieren Unternehmen auf Digitale Assistenten, Chatbots und das Suchen über Sprache? Was muss 2017 wirklich operativ umgesetzt werden und was wird als kurzfristiger Hype schnell vorbeigehen? Aus meiner Sicht gibt es vor allem sieben Aufgaben, die Sie bzw. Ihre Marketingabteilung 2017 in Angriff nehmen sollten.
1.
Marketing Automation umsetzen
Die wachsende Zahl von Touchpoints, offline wie online, und das zunehmend geräteübergreifende Nutzen von Inhalten und Angeboten, machen eine manuelle Verarbeitung der anfallenden Datenmengen praktisch unmöglich. Die Automation von Teilen des Marketings ist 2017 deshalb kein „Kann“, sondern ein „Muss“. Marketer brauchen mehr Technologiekompetenz und/oder kompetente Berater, um diese Herausforderung zu lösen.
Marketing Suites und Plattformen sind zentrale Elemente beim Umsetzen der Automatisierung. Entscheidend für die Auswahl der richtigen Lösung(en) ist ein Anforderungskatalog, der genau definiert, was die Software leisten soll sowie welche Daten aus welchen Quellen erhoben und miteinander verknüpft werden. Da die Anbieter der Suites und Tools selbstverständlich pro domo argumentieren, kann es nicht schaden, mit einem neutralen Berater an der Seite die verschiedenen Systeme in ihrer Leistungsfähigkeit und ihrem Umfang zu überprüfen. Große Lösungen, von denen im Alltag nur zehn Prozent genutzt werden, helfen in der Praxis für Omnichannel-Ansätze ebenso wenig wie proprietäre Silos.
2.
Situative, kontextbezogene Useransprache
Die Erfahrung aus Millionen analysierter Customer Journeys zeigt, dass es zunehmend mehr Kontaktpunkte über unterschiedliche Geräte und Kanäle hinweg gibt, bevor aus einem Interessenten ein Käufer wird. Den Kunden zu verstehen, bedeutet deshalb auch, sein Verhalten mit Hilfe von Daten zu analysieren. So braucht ein Webshop für Damenmode heute im Schnitt knapp sechs Tage vom ersten Kontakt bis zum Kauf, bei dem dann durchschnittlich 154 Euro im Warenkorb landen. Bei Sportbekleidung geht dieser Prozess drei Tage schneller. Vielleicht auch deshalb, weil bereits 30 Prozent der Käufe in diesem Produktsegment per Smartphone erfolgen.
Eine kundenzentrierte Denke von Unternehmen bedeutet – praktisch umgesetzt – nicht nur, die Eigenheiten der eigenen Branche und die Wünsche seiner Kunden zu kennen, sondern im Ergebnis auch eine individuelle Ansprache der Nutzer. Das kann mit Hilfe von Programmatic Advertising, kontextbezogener Ausspielung und einer dynamischen Gestaltung von Werbemitteln heute schon in der Displaywerbung geleistet werden.
Die Herausforderung für 2017 besteht darin, Kunden situativ und kontextbezogen sowohl Cross Device (also auf Smartphone, Tablet oder Desktop) als auch Cross Channel (Online, TV, Radio etc.) anzusprechen. Dieses Cross Marketing kann aber nur erfolgreich betreiben, wer über eine intelligente Infrastruktur zum Tracken und Verarbeiten der Daten aus unterschiedlichsten Quellen verfügt.
3.
Mobile Commerce überflügelt eCommerce
Dass heute schon ein Großteil des Informationsprozesses über das mobile Internet abgewickelt wird, ist bekannt. In einigen Branchen wie bei Möbeln, Kosmetikartikeln oder digitalen Druckerzeugnissen liegt der Anteil des Mobile Traffics in den Webshops schon heute bereits bei fast 50 Prozent. Das belegen Zahlen des
aktuellen E-Commerce Branchenindex aus dem dritten Quartal 2016. Das Gros der Käufe wird jedoch immer noch über den PC und Laptops abgewickelt. Doch je besser die Webshops für die mobile Nutzung optimiert werden, umso schneller steigt der Anteil des Mobile Commerce. Wir rechnen damit, dass bereits 2019 mehr als die Hälfte aller Sales im Netz über Smartphone, Tablet & Co. abgewickelt werden.
4.
Data Driven Intelligence
Daten alleine stellen noch keinen Mehrwert dar. In vielen Unternehmen liegen bereits Unmengen davon vor. Oft unstrukturiert, häufig in unterschiedlichen Formaten und Systemen. Und selten sind die Daten so miteinander verknüpft, dass sich Erkenntnisse relativ einfach ableiten lassen. Die zentrale Herausforderung besteht darin, eine Struktur zu definieren, in der Daten intelligent miteinander kombiniert werden können.
2017 ist das Jahr des Lernens: Wir müssen mehr Interpretationskompetenz für Datenmuster entwickeln. Das gilt sowohl für die Software, als auch für Menschen. Menschliche Intelligenz ist dabei mindestens genauso gefragt wie künstliche. Auf die Frage „Mensch oder Maschine?“ heißt die Antwort: „Sowohl als auch“. Das Zusammenspiel der beiden Welten erst macht Omnichannel-Marketing realisierbar, ohne Werbetreibende hoffnungslos zu überfordern.
5.
Datensicherheit als Wettbewerbsargument
Wo Daten digitalisiert erhoben werden, besteht grundsätzlich die Gefahr des Missbrauchs. Auch wenn Unternehmen für gezielteres Marketing oder personalisierte Angebote Informationen in völlig datenschutzkonformer Weise sammeln, müssen sie deshalb trotzdem mit einer grundsätzlichen Skepsis in der Bevölkerung rechnen. Gleichzeitig bewegen sie sich in einem Markt, in dem Global Player wie Amazon, Facebook, Google & Co. weitgehend unreguliert Daten erheben und nutzen.
Diese Situation stellt durchaus eine Chance für deutsche oder europäische Unternehmen dar. Das bewusste Einhalten der künftigen europäischen Datenschutzgrundverordnung mit zertifizierten, strengeren Schutzmaßnahmen und Sicherheitssysteme in den Unternehmen selbst oder bei Cloud-Dienstleistern, die sie beauftragen, ist ein positives Argument im Wettbewerb mit Anbietern außerhalb der EU. Menschen akzeptieren die Weitergabe und Verarbeitung ihrer Daten dann, wenn sie einen konkreten Nutzen dafür bekommen. Und wenn sie das Gefühl haben, dass alles Menschenmögliche getan wird, um ihre Daten zu schützen.
6.
Neuer Kanalmix: Mobile als Partner für DOOH und den POS
Die Digitalisierung der Außenwerbung (Digital Out of Home – kurz: DOOH) vollzieht sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Eine individualisierte Ansprache einzelner Personen über Außenwerbeflächen à la Minority Report ist jedoch keine sinnvolle Umsetzung. Die Erfolgskombination heißt: DOOH plus Mobile. Digitale Außenwerbung kann beispielsweise Motive nach Wetter, Tageszeit, Ort oder Event aussteuern. Für eine weiterführende Interaktion oder ein personalisiertes Angebot ist dann das Smartphone der Kanal der Wahl.
Ähnlich wird die Entwicklung am Point of Sale verlaufen. 2017 werden sich etliche CRM- und Kassensysteme am POS für die Vernetzung mit Mobile öffnen. Um sinnvolle Angebote via Smartphone in Echtzeit unterbreiten zu können, ist das Tracking der On- und Offline-Kontakte zwingend. Auch dafür sollten Marketer 2017 Lösungen testen.
7.
Smart Home als POS der Zukunft
Mit der App die Jalousien herunterfahren oder die Heizung steuern, mit dem Dash-Button ordern oder Alexa via Echo die Einkaufsliste durchgeben. Der nächste große Kampf der Internetkonzerne findet nicht im Webshop oder im Offline-Store statt, sondern bei uns zu Hause. Das vernetzte Heim (Smart Home) wird zum neuen Point of Sale. Und die zunehmende Sprachsteuerung durch Alexa, Siri, Cortana & Co. wird Schritt für Schritt die getippte Suche ablösen. Diese Zukunft hat auch schon begonnen: Im Vorfeld des Black Friday hat Amazon bereits exklusive Produkte nur über seine Sprachsuche zugänglich gemacht. Deshalb sollten Marketer 2017 dringend Szenarien durchspielen, wie sie und ihre Marke noch im Relevant Set der Verbraucher landen, wenn die Einkaufsliste nicht vor Ort bei Rewe, Edeka, Aldi & Co. abgearbeitet wird, sondern Amazon zuhause die Produkte des täglichen Bedarfs empfiehlt und auch Flüge oder Hotels direkt per digitalem Assistenten gebucht werden.