Die Ankündigung von Zalando, im Marketing stärker auf Algorithmen und Künstliche Intelligenz zu setzen und im Zuge dessen
200 bis 250 Marketing-Stellen zu streichen, hat nicht nur
Proteste bei dem Onlinehändler ausgelöst. Alle Welt fragt sich jetzt, ob das Beispiel Zalando Schule macht und Marketing-Fachleute allerorten um ihre Jobs fürchten müssen. Zur Beruhigung trägt nun Marc Opelt bei. Der Marketingvorstand von Otto glaubt zwar ebenfalls daran, dass Technologie und Algorithmen künftig den Ton angeben. Allerdings zieht er andere Schlussfolgerungen als die Kollegen bei Zalando, wie er in seinem exklusiven Gastbeitrag für HORIZONT Online erläutert.
Sind wir schon mitten drin im digitalen Kahlschlag? In dieser vielprognostizierten radikalen Umwälzung der Arbeitswelt, die altgediente Jobbilder überflüssig macht? Den Eindruck könnte man bekommen, wenn man immer wieder liest, wo gerade Marketing-Spezialisten entlassen werden sollen und welche Datenanalysten oder KI-Expertinnen sie ersetzen. Auch ich wurde in den vergangenen Tagen oft gefragt, wie OTTO mit den Veränderungen umgeht, die die Digitalisierung für die Marketingwelt mit sich bringt.
Völlig unbestritten ist, dass unser Business nicht erst in Zukunft auf Technologie basieren wird, auf intelligenten Algorithmen, automatisierten Systemen und künstlicher Intelligenz. Nein, faktisch ist dieses Zukunftsszenario schon die Gegenwart; eine Gegenwart, die wir auch bei OTTO leben. Unsere Marketing- und BI-Teams wachsen ständig, vor allem im Bereich der analytischen und technologischen Kompetenzen.
Algorithmen statt Menschen
Zalando baut bis zu 250 Marketing-Stellen ab
Gefährden KI und Algorithmen Arbeitsplätze, oder machen sie die Arbeit nur einfacher? Wer bei Zalando arbeitet, weiß seit heute, dass die erste der beiden Antworten richtig ist. Der Händler setzt stärker auf Technologie und streicht bis zu 250 Marketingstellen. ...
Zu unseren Marketing-Teams gehören heute Business-Analysten, Entwickler, Data Engineers, Reporting Designer und Produktmanager – und wir suchen immer Verstärkung. In interdisziplinären Teams entwickeln sie inhouse neue Tools, denken unser proprietäres Attributionsmodell ständig weiter, optimieren unsere Bidding-Algorithmen und steuern Retargeting komplett auf User-Basis personalisiert aus.
Wir sind überzeugt, dass wir immer noch kreative Menschen brauchen, die ein Gespür für unsere Kunden, Ästhetik, Storytelling und maßgeschneiderten Content haben.
Marc Opelt
Aber: Heißt das, dass wir die anderen Kolleginnen und Kollegen jetzt nicht mehr brauchen, die seit Jahren für uns daran arbeiten, dass wir all das tun können? Heißt das, dass wir diese Kollegen durch Technologie ersetzen und vor die Tür setzen können? Nein, das machen wir bei OTTO anders. Aus zwei Gründen.
Erstens: Bei aller Liebe zur Technologie werden wir Algorithmen längst nicht für alle Marketing-Herausforderungen nutzen können. Wir sind überzeugt, dass wir immer noch kreative Menschen brauchen, die ein Gespür für unsere Kunden, Ästhetik, Storytelling und maßgeschneiderten Content haben. Gerade in Zeiten von hocheffizienten Algorithmen und Künstlicher Intelligenz ist uns dieser menschliche Touch im Marketing-Mix enorm wichtig.
Zweitens: Wir wollen Menschen mitnehmen, anstatt sie auszutauschen. Wir sind eine lernende Organisation, wollen Experten inhouse aufbauen, sie weiterentwickeln und gemeinsam an neuen Technologien für unsere Kunden arbeiten. Dafür investieren wir in diese Kolleginnen und Kollegen. Ganz genauso wie wir, natürlich, konsequent in Technologie und analytische Fähigkeiten investieren.
Es geht darum, Kolleginnen und Kollegen zu schulen, ihnen analytische Fähigkeiten on the job beizubringen und sie vorausschauend weiterzuentwickeln – idealerweise bevor bestimmte Aufgaben weniger relevant werden.
Marc Opelt
Keine Frage: Es geht nicht darum, aus jedem Marketing Manager einen Data Scientist zu machen. Das ist aber auch nicht das Thema. Vielmehr sollten wir Kolleginnen und Kollegen schulen, ihnen analytische Fähigkeiten on the job beibringen und sie vorausschauend weiterentwickeln – idealerweise bevor bestimmte Aufgaben weniger relevant werden. Diese Menschen kennen das Unternehmen, können den Job, beherrschen das Handwerk und sind bereit, sich mit dem Unternehmen zu verändern. Das ist das Wichtige. Alles Weitere kann man lernen.
Sicher – unsere Gesellschaft wandelt sich, der E-Commerce ist eine hochdynamische Branche und neue Technologien werden immer einen Shift nach sich ziehen, von klassischen Aufgaben hin zu neuen Skills. Das ist der Gang der Digitalisierung. Doch wie wir diesen Weg gehen wollen, das entscheiden die Unternehmen selbst. Wir bei OTTO wollen die Menschen auf unserem Weg in die digitale Zukunft mitnehmen, anstatt sie permanent auszutauschen. Das ist für uns auch eine Frage nachhaltiger und vorausschauender Personalplanung und –entwicklung, nicht nur im Marketing. Wir wollen den Weg gemeinsam gehen. Denn eines ist sicher, und das wissen wir das aus jahrzehntelanger Erfahrung: Zu weniger Arbeit wird die Digitalisierung nicht führen. Hoffentlich auch nicht zu weniger Menschlichkeit.