Roland Albrecht, GoYa
Erfolgstreiber Marke?

"Da können wir das Geld doch gleich im Bodensee versenken."

Starke Marken haben ein hohes Ansehen bei den Konsumenten, paradoxerweise aber haben sie immer noch ein geringes Ansehen innerhalb vieler Unternehmen. Woher kommt dieses Imageproblem der Marke im Businessumfeld? Roland Albrecht, Geschäftsführer der Heidelberger Markenagentur Goya, hat sich dazu seine Gedanken gemacht.
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Das Misstrauen, das dem Erfolgstreiber Marke immer wieder seitens Managern, bevorzugt aus dem Vertrieb, entgegenschlägt, bedeutet, dass wir noch gründlicher darüber nachdenken sollten, wie wir dafür sorgen können, dass der Marke die allgemeine Anerkennung zukommt, die sie aufgrund ihrer Erfolge verdient. 

Die drei großen Kräfte: Geld, Innovation, Marke.

Seit ca. 140 Jahren haben sich Markenbildungen und Werbekampagnen als ein sehr erfolgreicher Weg beim Verkaufen von Waren und Dienstleistungen bewährt. Kapitalismus ist nach meinem Verständnis deshalb auch ein Wirtschaftssystem, das auf folgendem Dreiklang basiert: Geld, Innovation und Marke.

Erst durch diesen Dreiklang wurde Wirtschaftswachstum und steigender Lebensstandard zur Norm in der westlichen Welt. Zum Faktor Geld an dieser Stelle nur so viel: Ohne Geld (= Kapital) kein Kapitalismus - das ist klar. Klar ist aber auch, dass wir das Geld- und Bankwesen noch immer nicht richtig im Griff haben.

Ich erlebe ich immer wieder Diskussionen, in denen der Faktor Marke von Managern als völlig überflüssig und nutzlos für den Unternehmenserfolg bezeichnet wird.
Roland Albrecht
Im Gegensatz zum Faktor Marke, den wir in den letzten Jahren, auch dank der Erkenntnisse aus der modernen Hirnforschung, immer besser in den Griff bekommen haben. Was die hohe Relevanz von Innovationen für unser Wirtschaftssystem anbelangt, so steht diese außer Frage - und wird auch von niemandem im wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskurs angezweifelt.

Marken stehen weiterhin unter Rechtfertigungsdruck.

Während also Geld per se trotz der zahllosen Finanzkrisen im Laufe des Kapitalismus bis heute unter keinem Rechtfertigungsdruck steht, erlebe ich in meiner Beratertätigkeit immer wieder Diskussionen, in denen der Faktor Marke von Managern als völlig überflüssig und nutzlos für den Unternehmenserfolg bezeichnet wird. In solchen Situationen sehe ich mich oftmals veranlasst, ein schnelles Proseminar in Sachen Markenrelevanz abzuhalten. Danach verstummen die kritischen Stimmen jedes Mal - zumindest solange ich im Raum bin.

Ohne Vertrauen keine Marktwirtschaft.

Vertrauen ist das Element, das die Marktwirtschaft funktionieren lässt. Ohne Vertrauen ist das wirtschaftliche Alltagsleben unmöglich: Wir geben Fremden beim Shopping im Internet unsere Kreditkartendaten und arbeiten für Unternehmen als Angestellte oder Freelancer, obwohl wir erst nach Verrichtung der Arbeit dafür bezahlt werden. Und wenn Vertrauen sich mal in Misstrauen verwandelt, dann ist das für unser Wirtschaftssystem ein existentielles Problem - siehe die letzte Weltfinanzkrise von 2007/2009, als der Vertrauenszusammenbruch im Bankensektor uns an den Rand des Zusammenbruchs der Weltwirtschaft brachte.

Also, ohne Vertrauen keine Marktwirtschaft. Und ohne Marken ein deutlich niedrigeres Vertrauensniveau. Denn es gilt die Gleichung: Marke = Vertrauen. Erstes Learning: Das chronische Risiko- und Vertrauensproblem der radikalen Ungewissheit in der Marktwirtschaft wird signifikant reduziert durch Marken.

Es sind die Marken, welche Konsumenten und Unternehmen Orientierung und Sicherheit geben - und welche Vertrauen via Vertrautheit und Attraktivität aufbauen. Starke Marken sind also der "Rückenwind" für viele Volkswirtschaften und Unternehmen.

So würde es z.B. diese ständig hohen Handelsüberschüsse Deutschlands ohne die Weltmarke "Made in Germany" in diesen Dimensionen nicht geben - und Deutschland wäre ohne diesen Marken-Rückenwind auch niemals so oft Exportweltmeister geworden.

Ein Schlüsselerlebnis.

Warum nun trotzdem diese Geringschätzung gegenüber Marken bei einigen Managern? Vor vielen Jahren hatte ich hierzu ein Schlüsselerlebnis: Ich habe damals einen Kunden aus der Getränkebranche in Baden-Württemberg beraten. Der Geschäftsführer und Mitinhaber wollte, dass wir sein Getränkesortiment in drei starke regionale Marken weiterentwickeln. Ein weiterer Gesellschafter sprach sich jedoch gegen dieses Vorhaben aus. Seine Haltung kulminierte seinerzeit in folgendem Ausspruch:

"Da können wir das Geld doch gleich im Bodensee versenken."

Wir versenkten seinerzeit das Geld nicht im Bodensee, sondern investierten es erfolgreich in den Aufbau der Marken alwa, FONTANIS und Griesbacher.

Alles dreht sich um den Substanzwert.

Dieses Erlebnis und weitere ähnliche Erlebnisse ließen mich damals folgendes tiefsitzende Problem des Faktors Marke erkennen: In Money and Innovation we trust - aber nicht in Marken. Grund: Weil Marken für viele Manager keinen Substanzwert haben.

Das Produkt hat einen mit Händen greifbaren Substanzwert. Das Forschungslabor und die Fabrik mit all ihren Maschinen und Robotern, in denen das Produkt hergestellt wird, haben ebenfalls einen mit den Augen sichtbaren Substanzwert. Nur die Marke hat keinen Substanzwert, der mit unseren Sinnen erfahrbar ist. Sprich: Marken haben keinen realen Substanzwert. Und diese Nicht-Erfahrbarkeit führt bei einigen Managern immer wieder zu dem Vorurteil, dass Marken keinen Substanzwert haben.

Manager wollen in der Regel Sachen besitzen - sie wollen das Eigentum ihres Unternehmens quantifizieren. Das ist ihr "Goldstandard". Marken  hingegen "besitzen" de facto die Kunden - nicht die Manager. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen noch immer nicht mittels monetärer Markenbewertung ihre Marke quantifizieren. Das ist das Imageproblem der Marke.

Der Substanzwert von Marken basiert nämlich auf den immateriellen Wertspeichern Relevanz, Attraktivität, Differenzierung und vor allem Vertrauen. Diese Wertspeicher sind weich, nicht hart. Sie bestehen nicht aus Atomen. Sondern aus den Bedürfnissen, Wünschen, Träumen und Fantasien der Menschen.

Marken sind Fiktionen, soziale Konstrukte, erfundene Wirklichkeit. Marken sind Glaubensgemeinschaften, die auf positiven wie negaiven Vorurteilen und auf kollektiven Mythen basieren. Marken sind nichts anderes als eine mit bloßen Worten und Bildern erschaffene Wirklichkeit.

Die besondere Stärke von Marken ist es also, eine starke Reputation und starke emotionale Beziehungen aufzubauen. Diese ökonomische wie soziale Relevanz spielt sich für unser Bewusstsein jedoch unsichtbar in den Köpfen der Menschen, genauer gesagt in deren Nervenzellen und neuronalen Netzen ab. Marken hinterlassen einen Fingerabdruck in unserem Nevensystem, den wir nicht sehen können. Es gibt in der Ökonomie also nicht nur die berühmte unsichtbare Hand von Adam Smith, sondern – eigentlich logisch - auch den unsichtbaren Fingerabdruck. Zweites Learning: Dieser Umstand vermindert die Akzeptanz und das Ansehen von Marken.

Die verborgene und unverstandene Macht.

Das ist der entscheidende Grund, warum Marken bei Managern noch immer als ungewisser Wert gelten. Marken sind letztlich eine verborgene und zum Teil noch immer unverstandene Macht. Marken sind zwar ein Fels in der Brandung von Mobilität, Virtualität und Globalisierung. Aber dieser Fels ist nicht versicherbar - und wenn Manager und Berater Markenentscheidungen treffen, dann setzen sie zudem auf ihre Intuition bzw. ihr Bauchgefühl. Manchen Managern ist das letztlich unheimlich - sie bevorzugen die kühle Einschätzung, basierend auf einer rationalen Auswertung der Wahrscheinlichkeiten einer bekannten und begrenzten Zahl von Möglichkeiten.

Die Take-Home-Message.

In unserer hochgradig komplexen Welt, die noch dazu durch radikale Ungewissheit gekennzeichnet ist, in einer amazonisierten Welt, in der wir alles wollen, und zwar sofort, in solch einer Welt spielt der Dreiklang aus Geld, Innovation und Marke eine einzigartige Rolle.

Alle drei Faktoren sind ein jeweils spezifisches Merkmal einer kapitalistischen Wirtschaft. Alle drei sind in einer Welt mit einer unbekannten und damit unsicheren Zukunft eine Grundvoraussetzung für den Betrieb unserer Wirtschaft. Alle drei sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg eines jeden Unternehmens.

Geld, Innovationen und Marken schmieren auf ihre jeweilige Weise die Räder einer Marktwirtschaft - und alle drei Faktoren müssen in ausreichender Menge vorhanden sein, um das stete Wachstum unserer Wirtschaftstätigkeit in Gang zu halten. Es wäre daher sehr von Vorteil, wenn wir diese Tatsache in Zukunft nicht mehr diskutieren müssten. Schließlich diskutieren wir auch nicht mehr die Tatsache, dass unser Planet rund ist - und eben keine flache Scheibe.




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