HORIZONT Forecast

10 Thesen zur Zukunft von Marketing, Agenturen und Medien

Das Jahr 2017 dürfte vor allem vom Wahlkampf geprägt werden
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Das Jahr 2017 dürfte vor allem vom Wahlkampf geprägt werden
Content Marketing, Fake News, Big Data, Chatbots - und natürlich der Bundestagswahlkampf: Schon wenige Tage nach Silvester steht fest, dass spannende Themen und kontroverse Debatten im Jahr 2017 keine Mangelware sein werden. Die HORIZONT-Redaktion wagt einen Ausblick und stellt 10 Thesen zur Entwicklung von Marketing, Agenturen und Medien vor. 
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1.

Große Sehnsucht nach Emotionen



Artificial Intelligence (AI), Programmatic Creativity, Virtual Reality, Big Data, Content Marketing – über all diese Trends wurde in den vergangenen Monaten viel diskutiert. Einige prognostizieren gar, dass gewisse technologische Errungenschaften den Job der Kreativen über kurz oder lang obsolet machen werden. Algorithmen an die Macht? So weit wird es sicher nicht kommen. Im Gegenteil. Die genannten Themen mögen wichtig und relevant sein, den großen Durchbruch können sie aber nur mithilfe von kreativen Ideen feiern. Bestes Beispiel: die AI-Kampagne „The Next Rembrandt“ für die ING-Bank. Durch die emotionale Story dahinter haben viele erst verstanden, in welchem Ausmaß künstliche Intelligenz die kommerzielle Kreation beflügeln kann. Dieses Projekt der Amsterdamer Agentur JWT räumte 2016 einen Kreativpreis nach dem anderen ab. Es war das Zusammenspiel aus innovativer Technik und spannendem Storytelling, das die Menschen begeistert hat. Während die eingangs genannten Trends 2016 in der Theorie vielfach beschrieben wurden, wird es 2017 deutlich mehr praktische Beispiele dafür geben. Ins Rampenlicht schaffen es vor allem diejenigen, bei denen eine einfache, klare Idee im Vordergrund steht, während die Technologie für den Verbraucher unsichtbar im Hintergrund bleibt.

Die Sehnsucht nach kraftvollen Geschichten wird übrigens nicht nur durch die komplexe Medienlandschaft und die fortschreitende Digitalisierung befeuert, sondern auch durch das allgemeine politische Klima. Die Menschen sind zunehmend verunsichert und deshalb besonders empfänglich für Werbebotschaften, die ihnen auf eingängige Weise für ein paar Sekunden ein gutes Gefühl bescheren. Auch traditionelle Werte spielen in der kommerziellen Kommunikation wieder eine größere Rolle. Die Weihnachtskampagnen aus den vergangenen Wochen waren bereits ein Vorgeschmack darauf, was 2017 an der Tagesordnung sein wird: Geschichten, die bewegen. Sei es durch große Emotionen oder großen Humor. bu 

2.

Big Data für Big Brother



Wieder einmal steht die (digitale) Welt vor einer großen Veränderung. Smarte Assistenten machen das Tippen am Computer und das Springen von App zu App auf dem Handy in naher Zukunft ziemlich überflüssig: Diesen mühseligen Job übernehmen Amazon Echo oder Google Home. Sie verraten einem die Wetteraussichten genauso wie den Tabellenplatz von Eintracht Frankfurt. Sie spielen Musik, sofern man einen entsprechenden Account beispielsweise bei Spotify oder Amazon Music hat. Und man kann selbstverständlich endlos viele Produkte kaufen. Dieser „Conversational Commerce“ nimmt dem Käufer einige Mühen ab: Man muss sich nicht mehr am Computer durch eine schier endlose Liste von Anbietern kämpfen, sondern überlässt das dem vermeintlich harmlosen, aber tatsächlich allmächtigen digitalen Sklaven.

Voraussetzung für diese neue Welt ist, dass die Nutzer den Herstellern, also den großen Internet-Oligopolisten, immensen Datenzugriff erlauben. Und zwar nicht nur auf ausgewählte Bereiche wie individuelle Shopping- oder News-Präferenzen, sondern auf ihr ganzes Leben (und das ihrer kompletten Familie).

Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts, heißt es immer. Das klingt harmlos und suggeriert, dass die Menschen selbst noch am Steuer ihrer eigenen Autos sitzen. Weit gefehlt: Mit den smarten Assistenten erhält das Buzzword Big Data eine ganz neue Bedeutung. Die Diskussionen über die Privatsphäre werden zunehmen – genauso wie die Möglichkeiten, die Marketern (und Medien) an die Hand gegeben werden. Und weil dank Alexa und Siri das Internet sprechen gelernt hat, werden, aller Bewegtbildbegeisterung zum Trotz, Audio und Radio(-Journalismus) eine unerwartete Renaissance erleben. vs 

3.

Mit Fake-News in den Wahlkampf



Ein Mitarbeiter von Donald Trump hat auf Twitter Falschmeldungen über die angebliche Verstrickung von Hillary Clinton in einen Pädophilenring verbreitet. Kurz darauf schießt ein junger Mann namens Edgar M. Welch in einer Pizzeria in Washington um sich, zum Glück kann er überwältigt werden. Er habe im Internet gelesen, in der Pizzeria würden Mädchen und Jungen missbraucht, ihre Organe verkauft. „Pizza“ sei zudem ein Codewort, das in den Mails von John Podesta, Clintons Wahlkampfmanager, mehrfach aufgetaucht sei. Die Mails waren auf Wikileaks veröffentlicht worden. Tja, und da wollte der Mann aus North Carolina mal in Washington nach dem Rechten sehen.

Haben wir uns so die Informationsfreiheit im Internet vorgestellt? Oder so wie im Fall Lisa: Die 13 Jahre alte Deutsch-Russin aus Berlin war mehrere Tage lang verschwunden. Im Netz war die Rede von südländisch aussehenden Männern, von Entführung und Vergewaltigung. Tatsächlich hatte sie Probleme in der Schule, war zu einem Freund geflüchtet. Russlands Außenminister Lawrow nannte sie „unser Mädchen“. 20000 Menschen, überwiegend Russland-Deutsche, demonstrierten auf den Straßen – aufgrund einer Falschmeldung.

Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, rechnet damit, dass es Versuche geben werde, die Bundestagswahl auf diese oder ähnliche Weise zu beeinflussen. BND-Chef Bruno Kahl hat Erkenntnisse über Cyberangriffe, die keinen anderen Sinn haben, als politische Verunsicherung hervorzurufen. Von Russland gesteuerte Online-Medien verbreiten Falschmeldungen und Fehldeutungen, um das Land zu destabilisieren und die AfD zu stärken: Das ist ein reales Szenario 2017.

Trump hat die Presse ekelhaft und verlogen genannt, Journalisten als Abschaum bezeichnet. Auch so bereitet man den Boden: für Fake-News, die nicht nur die Medien diskreditieren, sondern das demokratische System. uv 

4.

CM-Battle geht in die nächste Runde



Bisher ist es so: Wenn es um Content Marketing geht, geben C3 und Territory den Ton an. Die beiden machen das ja auch richtig gut. Während die großen Werbe-Holdings bei dem Thema nach wie vor eher konfus wirken, präsentieren die beiden Platzhirsche umfassende Konzepte für einen neuen Agenturtyp. Zusätzlich legen sie mit Übernahmen (Webguerillas), Allianzen (C3/MXM) und Neugründungen (Honey) ein atemberaubendes Tempo vor.

Die Prognose für 2017 lautet: Territory und C3 müssen sich auf viel mehr Gegenwehr als bisher einstellen. Und das nicht nur von den großen Werbeagenturen, sondern auch den Media-Networks. Die rüsten seit geraumer Zeit bei Content Marketing massiv auf und wollen künftig in den Debatten und in Pitches eine sehr viel stärkere Rolle spielen.

2017 wird auch aus einem anderen Grund ein entscheidendes Jahr. Die Zeit der Grundsatzdiskussionen, ob CM mehr ist als „just another Hype“, ist endgültig vorbei. Bei den Werbungtreibenden ist das Thema gesetzt, die Budgets steigen, Content Marketing wird endgültig ein relevantes Geschäftsfeld. Ist der Siegeszug von CM damit beschlossene Sache? Das nun auch wieder nicht. Zwar setzen alle auf die neue Disziplin, aber der Beweis, wie effizient das alles ist, steht noch aus – ein paar schöne Erfolgs-Cases reichen da nicht. Die Diskussion verlagert sich also vom Grundsätzlichen ins Konkrete: Wie gut funktioniert Native Advertising wirklich? Wie groß kann Influencer Marketing werden? Kann man auf Social-Media-Plattformen wirklich die nötigen Reichweiten erzielen, beziehungsweise: Wie viel Paid (also bezahlte Werbung) braucht man, um genügend Traffic mit Owned Media zu erzielen? Welche Agenturstrukturen sind für ein funktionierendes Content Campaigning nötig?

Wie gesagt: Bisher kommen die Antworten vor allem von Territory und C3. Aber das ist ja oft so: Am Anfang geben die Spezialisten den Takt vor, bis dann die etablierten Player die neue Disziplin in ihr System integrieren. Der Ausgang des Spiels ist völlig offen. js 

5.

Out-of-Home peilt die Zehn an

Das Feld ist bestellt – und im Jahr 2017 erntet die Gattung Out-of-Home die Früchte. Ein zweistelliger Marktanteil rückt in greifbare Nähe, zuletzt lag er noch bei 6 Prozent. Und dies, weil die Außenwerbung wie kein anderes Medium die Stärken der Digitalisierung nutzt, ohne gleichzeitig ihre Schwächen ausbaden zu müssen. Nervig blinkende Banner im öffentlichen Raum? Nicht zuletzt wegen der hohen Auflagen in den Städten undenkbar. Adblocking? Höchstens durch zu groß geratene Lastwagen, die die technisch hoch aufgerüsteten Screens zufällig verdecken.

Wie ein Aggregator bündelt Digital Out-of-Home (DOoH) das Können der Konkurrenz, zusätzlich zur Reichweite klassischer Flächen, die in den Straßen der Städte und Dörfer des Landes verteilt sind: Es ist erstens, das sagt bereits der Name, digital; die Kampagnen der Unternehmen kommen wesentlich schneller als bisher auf die Straße, sind dort kreativer und flexibler im Einsatz. Für den notwendigen Push werden in den kommenden Monaten verstärkt digitale Mechanismen in der Buchung sorgen, nach vielerorts automatisierten Prozessen hält auch Programmatic Einzug in die einstige Nischengattung.

DOoH ist zweitens mobil, weil es die Menschen dann erreicht, wenn sie selbst mobil sind. Eine Verbindung zwischen großem und kleinem Screen ermöglicht den Sprung zwischen den Gattungen und, wenn gewollt, die One-to-One-Ansprache mit dem One-to-Many-Medium. Die Gesichtserkennung kriegen die iPhones der Straße schon heute gut hin.

Drittens bringt DOoH Bewegtbild in den öffentlichen Raum, und selbst wenn sich niemand Blockbuster auf dem Bürgersteig ansehen wird, erschließen sich dem einst statischen Medium damit zahlreiche neue, kreative (Live-)Möglichkeiten. Akteure wie das Digital Media Institute (DMI) widmen sich parallel dazu mit viel Herzblut und Schweiß der Aufgabe, die Gattung für Mediaagenturen einfach buchbar und die Wirkungsnachweise für Werbungtreibende belastbar zu machen. Sie kommen 2017 an (Digital) Out-of-Home nicht mehr vorbei. kan 

6.

Kartellrecht mixt Vermarktung neu

Darauf warten viele Verlage sehnsüchtig: Wohl im Februar wird die Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verabschiedet. Diese 9. GWB-Novelle erweitert den betriebswirtschaftlichen Spielraum von Pressehäusern.

Die von den strukturellen Auflagen- und Anzeigenrückgängen besonders gebeutelten Berliner Tageszeitungen lagern Szenarien einer engeren Zusammenarbeit längst in ihren Schubladen – auch und gerade für die Werbevermarktung. Den Startschuss dafür wird die GWB-Novelle geben. Auch bei den Zeitschriften peilen Manager wie Funke-Geschäftsführer Manfred Braun und Burda-Zeitschriftenvorstand Philipp Welte neue Allianzen an. Braun regt gar einen einzigen übergreifenden Verlagsvermarkter an. Den wird es 2017 sicherlich nicht (und wahrscheinlich niemals) geben – aber neue und größere Bündnisse sehr wohl. Braun liebäugelt auch damit, den Regionalzeitungsvermarkter Score Media, bei dem Funke – vom bisherigen Kartellrecht dazu gezwungen – Mitgesellschafter ist, mit dem Großvermarkter Media Impact zusammenzuführen, den man gemeinsam mit Axel Springer betreibt. Oder das Joint Venture sogar ganz oder teilweise zu verlassen, auf der Suche nach anderen Konstellationen.

Auch bei den kleineren Verlagen wird das gelockerte Kartellrecht für Annäherung sorgen: Häuser wie Klambt, „Zeit“ und Jahreszeiten Verlag dürften 2017 für einzelne große Kunden und Kampagnen zusammenarbeiten, zum Beispiel mit gegenseitigen Trading-Deals, um die Kampagnenreichweiten zu vergrößern. rp 

7.

Network-Marken unter Druck

Der Trend ist seit vielen Jahren erkennbar – und hat sich zuletzt weiter verstärkt. Die großen Werbekonzerne sind bestrebt, weltweit agierende Kunden mit individuellen Modellen zu beglücken, gern auch maßgeschneidert. Dabei treten die einzelnen Agenturmarken in den Hintergrund – zugunsten einer Lösung, die aus Teams verschiedener Einheiten besteht.

Vorreiter dieser Entwicklung ist zweifelsohne der Branchenprimus WPP, der diesen Ansatz unter dem Label „Horizontality“ seit längerem verfolgt. Bisweilen hat man den Eindruck, dass, wenn es nach CEO Martin Sorrell ginge, am besten alle Aktivitäten unter dem Konzernlabel WPP laufen sollten. Zuletzt ist auch Publicis auf diesen Kurs eingeschwenkt, wenngleich die Verantwortlichen betonen, dass die Marken Publicis, Leo Burnett und Saatchi & Saatchi weiter eine wichtige Rolle spielen. In kleineren Märkten hat die Gruppe aber bereits damit begonnen, das Motto „Power of One“ zu forcieren und nicht mehr die einzelnen Marken zu stärken. Es wird interessant sein zu beobachten, wie weit dieses Modell ausgedehnt wird. In den Schlüsselmärkten, darunter Deutschland, agieren die Kernmarken unter der Säule Publicis Communications mit nur noch einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung.

Einen anderen Ansatz als die beiden Wettbewerber verfolgt dagegen die US-amerikanische Omnicom-Gruppe. Zwar bietet auch sie weltweiten Kunden markenübergreifende Teams an. Gleichwohl stehen bei ihr traditionell die drei großen Networks BBDO, DDB und TBWA im Mittelpunkt. Sie pflegen ein durchaus intensives Wettbewerbsverhältnis. Letztlich muss sich zeigen, welcher Weg erfolgversprechender ist. Bündelungsvorteile lassen sich wohl leichter mit übergeordneten (Holding-)Modellen erzielen. Ob man damit aber auch die besten Kreativlösungen – und die besten Mitarbeiter – findet, steht auf einem anderen Blatt. mam 

8.

Zucker ist der neue Tabak

Sie rollt wieder über Deutschland, die Iss-Gesünder-Welle. Das gehört zum Jahreswechsel wie der Tannenbaum zu Weihnachten und dürfte die Branche wenig beunruhigen. Magazine kommen mit den besten Diät-Tipps, Ernährungsgurus stellen die gesündesten Mahlzeiten vor.

Problematischer ist die Dauerdiskussion um Zucker oder Süßmolkenpulver, Laktose oder Weizendextrin in Lebensmitteln. Rund 35 Kilogramm Zucker essen die Deutschen pro Jahr. Das ist zu viel, sagen Gesundheitsexperten, Verbraucherschützer, Kinder- und Jugendärzte sowie viele Politiker. Sie fordern strengere Regulierungen, deutlichere Kennzeichnungen, Werbeverbote oder eine Ampel.

Diese Rufe werden 2017 lauter. Es steht eine Bundestagswahl an. Es gilt, sich in Stellung zu bringen, auch weil es anderswo schon härter zur Sache geht. Frankreich erhebt seit 2011 eine Zuckersteuer. In Philadelphia werden zuckerhaltige Getränke mit einer Sondersteuer belegt. In Großbritannien kommt mittelfristig ebenfalls die Steuer auf zuckerhaltige Getränke. Druck macht auch die Weltgesundheitsorganisation. Und auf EU-Ebene wird der Ton ebenfalls rauer. So wollen Vertreter des Gesundheitsausschusses bei der Überarbeitung der AVMD-Novelle (audiovisuelle Mediendienste) ein Werbeverbot für bestimmte Lebensmittel in Medien durchsetzen, die von Kindern gesehen werden. Immerhin setzen EU-Kommission und der federführende Kulturausschuss hier auf die Selbstregulierung der Branche.

Die Befürworter von strengeren Regeln werden nicht lockerlassen. Im Gegenteil: Die Erfolge bei der Tabakregulierung machen hungrig auf mehr. mir 

9.

Retail Media treibt den Markt

Amazons Ankündigung, eine eigene Werbevermarktung aufzubauen, hat vor drei Jahren ein Raunen ausgelöst. Wenn eine der größten in Deutschland aktiven Websites auch in den Wettbewerb um die Werbeeuros einsteigt, dann hat das Gewicht, dann muss das die bisherigen Player aufmerksam werden lassen – nicht nur die Agof-Vermarkter, auch Google und Facebook.

Auch Otto, Zalando und die Scout-Gruppe haben eigene Vermarkter aufgebaut. Und sie haben alle etwas im Gepäck, worauf Werbungtreibende und Mediaagenturen scharf sind: 1st-Party-Daten. Informationen darüber, was der Nutzer sich wann angesehen hat, in welcher Preisklasse die Produkte waren, wohin er sie sich hat liefern lassen. Daraus lassen sich überaus präzise Personenprofile ableiten. Natürlich anonymisiert, wie alle Anbieter datenschutzkonform betonen. Publisher, deren User sich nicht erst registrieren und einloggen müssen, können diese nur näherungsweise liefern, weil sie die Profile aus dem Surfverhalten ableiten müssen. Die Nutzerdaten der Retailer sind damit Informationen, auf die die Werbungtreibenden schon gehofft haben, als das Internet noch in den Kinderschuhen gesteckt hat. Das große Versprechen der Onlinewerbung, zielgenaues Targeting, wird nun endlich eingelöst.

Das gilt nicht nur für das Displaygeschäft. Auch auf Suchmaschinenoptimierung und -marketing werden Kunden und Agenturen 2017 achten, denn konkrete Produktsuchen beginnen nicht nur bei Google, sondern direkt auf den Seiten der E-Commerce-Konzerne. Nachdem diese 2015 die Strukturen für die Vermarktung aufgebaut und 2016 richtig losgelegt haben, werden sie sich 2017 im Werbegeschäft groß machen. Um Schwächen in der Reichweite auszugleichen, die sie als Einzelvermarkter haben, werden sie Kooperationen mit anderen, vor allem Content-Publishern eingehen, die durch die Partnerschaften wiederum ihre Defizite bei der Datenqualität mindern können. Retail Media wird damit in diesem Jahr nicht mehr zu übersehen und überhören sein. Es wird zu einem der Treiber der digitalen Werbeerlöse werden. pap 

10.

Harte Zeiten für Mediaagenturen

Alles wird immer schneller, eine Disruption jagt die nächste. Na ja, nicht ganz: Wenn es um die Mediaagenturen geht, scheinen die Machtverhältnisse wie einzementiert. Die einschlägigen Rankings werden dominiert von den großen Networks, auch die beiden deutschen Player, die halbwegs mitspielen können, sind seit langer Zeit: Mediaplus und Pilot. Wann kommt es also zum großen Erdbeben, das seit Jahren vorausgesagt wird? 2017 wohl wieder nicht. Aber: So heikel wie aktuell war die Lage für die Networks noch nie. Es gibt eine Reihe von Gefahren, zwei davon sind folgende:

Erstens: Für Außenstehende ist es frappierend, was für ein kompliziertes, intransparentes und wohl auch ineffizientes System sich in der Werbeindustrie über all die Jahre entwickelt hat. Das betrifft die Vielzahl an IT-Silos, aber auch die Verflechtungen zwischen Vermarktern und Mediaagenturen. Kann sein, dass sich das nun ändert durch Konzerne wie SAP, die dem Marketing ein komplettes Reengineering verordnen wollen. Das betrifft zwar vor allem die internen Systeme der Werbungtreibenden – hat aber massive Auswirkungen auf die Rolle der Mediaagenturen.

Zweitens: Das digitale Werbegeschäft wird zunehmend von Google und Facebook dominiert, ihr Marktanteil steigt und steigt. Da die beiden Internet-Giganten mit Big Data und (angeblich) überragender Beratungskompetenz glänzen, droht den Mediaagenturen ein herber Bedeutungsverlust. Es ist erstaunlich, wie wenig Gegenwehr von den Networks kommt – statt auf bessere Werbewirkungsnachweise zu pochen, kuschelt man lieber mit den Silicon-Valley-Helden.

Konkret setzen die Media-Networks auf drei Strategien: mehr Beratung, neue Geschäftsfelder wie Content Marketing und weiter massive Investitionen in IT. Alles richtig, die Frage ist, wer die beste Balance hinbekommt. Besonders im Fokus in diesem Jahr auch: Wie erfolgreich ist der radikale Reformkurs von Zoja Paskaljevic bei Dentsu Aegis? Und: Wie geht es bei Group M weiter nach dem Ausstieg von CEO Matthias Brüll? js




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