Das Coronavirus ist eine Herausforderung für Marken
Für seinen Consumer-Tracker befragt Mediaplus seit Anfang April gemeinsam mit Yougov rund 2000 deutsche Verbraucher zu verschiedensten Dimensionen der Corona-Krise. Bereits die
erste und
zweite Befragungswelle förderten interessante Erkenntnisse zur Mediennutzung, zum Konsum und zur Erwartungshaltung an Marken zutage. Was genau sich die Konsumenten von Marken wünschen, erklärt Mediaplus-Geschäftsführerin Barbara Evans im Exklusiv-Interview mit HORIZONT.
"Die Ansprüche der Verbraucher an Marken steigen in der Krise weiter"
Mediaplus-Managerin Barbara Evans
Frau Evans, inwieweit verhalten sich die deutschen Verbraucher in der Krise erwartbar, was hat Sie überrascht? Das von uns gemessene Mediennutzungsverhalten, also der verstärkte Konsum von Nachrichten via TV, Digital und Print, ist für so eine Situation recht klassisch. Dass das eigene Zuhause an Bedeutung gewinnt, war ebenfalls zu erwarten. Überrascht hat mich, dass der E-Commerce doch nicht so stark boomt wie gedacht. Auch wie schnell sich die Konsumenten von ihrer ersten Schockstarre erholt haben und wieder optimistischer werden, finde ich bemerkenswert – genauso wie ihre geänderten Erwartungen an Marken.
Was meinen Sie damit? Die Verbraucher wünschen sich laut unserer Befragung von Marken mehr Nähe. Also regionale Angebote oder ortsunabhängige Services. Sie wünschen sich, dass Marken – just in dieser Ausnahmesituation – mehr auf ihre Bedürfnisse eingehen und das auch in ihrer Kommunikation spiegeln.
Kann man sagen, dass sich die Bedeutung von Marken dadurch wandelt? Auf diese Frage gibt es keine pauschale Antwort. Ich glaube, dass die Ansprüche der Verbraucher an Marken, zu denen sie auch vorher schon eine starke Beziehung hatten, in der Krise noch weiter steigen. Umgekehrt erwartet sicher niemand von seiner globalen Shampoo-Marke, die bisher sehr klassisch geworben hat, dass sie jetzt eine „Ich bin für dich da“-Kampagne startet.
Was nicht geht, ist klassisch weiter zu werben wie vorher. Die Kunden wollen von der Werbung nicht angeschrien werden.
Barbara Evans
Was wäre so schlimm daran? Man ist als Marke eine Persönlichkeit, man hat einen Charakter und eine DNA. Wenn ich einen Freund treffe, der heute Jekyll und morgen Hyde ist, ist er bald nicht mehr mein Freund. Konsumenten erwarten von Marken eine gewisse Stringenz, vor allem Zuverlässigkeit und Authentizität. Man kann natürlich prüfen, ob man bestimmte Aspekte, die unsere derzeitige Lage adressieren, in die Kommunikation aufnimmt. Aber es muss zur Tonalität der Marke passen. Meiner Meinung nach gibt es zwei Wege, um in der Werbung auf die Coronakrise zu reagieren.
Die da wären? Der erste Weg ist, explizit auf Corona einzugehen und die Kunden dabei abzuholen. Also Verständnis und Unterstützung signalisieren und dadurch Nähe und Vertrauen schaffen. Der Lebensmitteleinzelhandel macht das gerade sehr gut vor. Weg Nummer zwei ist, starke Hingucker zu entwickeln, die emotional berühren, faszinieren oder gar eine innere Sehnsucht/Motivation ansprechen, weg vom Alltag. Was nicht geht, ist klassisch weiter zu werben wie vorher. Die Kunden wollen von der Werbung nicht angeschrien werden.
Diese Erkenntnis ist nun wahrlich nicht neu. Richtig, aber die Coronakrise verstärkt diese Entwicklung. Ich glaube, dass die Menschen viel sensibler auf Markenkommunikation reagieren. Das klassische „Hier bin ich, kauf mich“ verliert dadurch immer stärker an Relevanz. Für Marken bedeutet das: weniger werblich kommunizieren, sondern emotionaler werden, individueller vorgehen und die Konsumenten auch mal überraschen. Ich fände es jedenfalls toll, wenn Unternehmen die Krise dazu nutzen, ihre klassischen Verkaufsmuster in der Werbung aufzubrechen und andere Wege zu gehen.