German Diversity Monitor 2020

In deutschen Führungsebenen ist Diversität Mangelware

Nicht nur bezüglich Geschlecht und Ethnie gibt es in den Führungsetagen deutscher Firmen Nachholbedarf bei der Vielfalt
imago images / Panthermedia
Nicht nur bezüglich Geschlecht und Ethnie gibt es in den Führungsetagen deutscher Firmen Nachholbedarf bei der Vielfalt
Im Frühjahr hat die Initiative Beyond Gender Agenda den German Diversity Monitor ins Leben gerufen. Dieser bildet den Grad der Diversität in den Geschäftsführungs- und Vorstandsebenen deutscher Unternehmen ab und soll künftig jährlich erscheinen. Das Kernergebnis des ersten Reports: Diversität wird in den untersuchten Unternehmen zu wenig gelebt, worunter auch die Wirtschaft hierzulande leidet.
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In Zusammenarbeit mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat Beyond Gender Agenda den ersten German Diversity Monitor erstellt. Dieser setzt sich aus zwei Studien zusammen, die zum einen auf der Auswertung der Geschäftsberichte (aus den Jahren 2019 und 2015) der 160 im DAX 30, MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen basieren, zum anderen auf einer Umfrage über die Wahrnehmung von Diversität und einem inklusiven Arbeitsumfeld in eben jenen Unternehmen. Beide Untersuchungen zusammengenommen zeigen eine starke Homogenität der Führungsetagen, die nicht zuletzt nachteilig für die deutsche Wirtschaft sei, so die Studienverantwortlichen.

So gaben 50 Prozent der befragten Unternehmen an, Diversität und einem inklusiven Arbeitsumfeld eine hohe Bedeutung beizumessen, während dies für 45 Prozent aber nur von mittlerer und für 5 Prozent von geringer Relevanz ist. Etwa zwei Drittel der DAX 30-, MDAX- und SDAX-Unternehmen gaben an, kein einziges weibliches Vorstandsmitglied zu haben. Das restliche Drittel der Unternehmen weist maximal zwei Frauen im Vorstand auf. In Unternehmen, in denen eine oder zwei Frauen Vorstandspositionen innehaben, bestehen die Vorstände oftmals aus vier oder mehr Mitgliedern, so dass die Bilanz ergibt, dass Frauen in der Regel in der Minderheit gegenüber ihren männlichen Kollegen sind.

Beyond Gender Agenda definiert insgesamt vier Kategorien von Unternehmen auf Grundlage der Studienergebnisse:

- Vorreiter: Unternehmen, die 2015 mindestens eine Frau in den Vorstand berufen haben und 2019 eine steigende oder konstante Anzahl an weiblichen Vorstandsmitgliedern vorweisen (unter anderem Allianz, BMW, Deutsche Telekom und Henkel)

- Verfolger: Unternehmen, die zwar 2015 noch kein weibliches Mitglied im Vorstand hatten, bis 2019 jedoch mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied berufen haben (beispielsweise Beiersdorf, Commerzbank und Metro

- Verlierer: Unternehmen, die 2015 bereits weibliche Mitglieder im Vorstand hatten, aber bis 2019 an weiblichen Vorstandsmitgliedern verloren haben, werden dieser Kategorie zugeordnet. Allerdings zeigt die Analyse auch, dass diese Unternehmen bereits auf einem hohen Niveau beim Frauenanteil gestartet sind.

- Verweigerer: 2015 waren diese Unternehmen ohne weibliches Vorstandsmitglied, und auch 2019 haben sie vier Jahre nach Einführung der Flexiquote kein weibliches Mitglied im Vorstand. Mit 59 Prozent trifft dies auf die Mehrheit der untersuchten Unternehmen zu.

Der German Diversity Monitor ergab außerdem, dass die meisten Befragten "Diversität" nur mit Geschlechtergleichheit und kultureller Herkunft assoziieren. Aspekte wie Alter, Behinderungen oder LGBT+ sind hingegen im Mindset der meisten Studienteilnehmer nicht mit dem Diversitätsbegriff verknüpft. Dass sich der Report auf den Geschlechtsaspekt beschränkt, liegt wiederum daran, dass andere Diversitätskategorien für die einzelnen Unternehmen aufgrund fehlender einschlägiger Daten zu wenig abgebildet werden können.

Es mangelt am Willen zum Wandel

Die untersuchten Führungsebenen nehmen sich nach eigenen Angaben im Schnitt nur als mäßig divers wahr, dennoch will ein Drittel der Befragten daran nichts ändern. Vornehmlich große Unternehmen (mit mehr als 2000 Angestellten) gaben an, die Diversität auf Entscheiderebene erhöhen zu wollen - meist handelt es sich dabei allerdings um jene Betriebe, die bereits mehr Frauen und eine größere Altersspanne an den entscheidenden Positionen aufweisen, als andere. Auch, dass Diversitätsbudgets nicht gezielt genug eingesetzt werden, ist eines der Ergebnisse des ersten German Diversity Monitors.

"Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass für eine nachhaltige Entwicklung von Diversität der en Nutzen für den Unternehmenserfolg mittels Key Performance Indicators (KPIs) und zielgerichtetem Datenmanagement messbar gemacht werden muss", sagt Susanne Schmidt, die die wissenschaftliche Leitung des German Diversity Monitors verantwortet.

Sylvie Nicol, Personalvorständin von Henkel, sieht ebenfalls allgemeinen Handlungsbedarf - auch wenn ihr Unternehmen zur Kategorie der "Vorreiter" gehört: "Diversität bedeutet weit mehr als Geschlechtervielfalt. Fortschritte bei Vielfalt und Inklusion zu erzielen, ist eine Frage der Einstellung. Wir müssen offen sein für Veränderung und Heterogenität wertschätzen, gerade auf Führungsebene. Nur dann wird es uns gelingen, greifbare Fortschritte zu erzielen und Vielfalt in einen langfristigen Erfolgsfaktor umzuwandeln." Der vollständige Report kann hier abgerufen werden. hmb 

Über die Umfrage
Die Daten wurden von März bis Juni 2020 in standardisierten webbasierten Umfragen erhoben. Es wurden die im DAX 30, MDAX, SDAX gelisteten Unternehmen sowie mittelständische Unternehmen mit Sitz in Deutschland angefragt, an der Umfrage teilzunehmen. Insgesamt sind 109 Unternehmen diesem Aufruf gefolgt. Die Befragung wurde von Mitgliedern der Unternehmensführung bzw. der Personalführung ausgefüllt. 
Durchschnittlich beschäftigen die befragten Unternehmen 11.704 Vollzeitmitarbeitende (Minimum = 250; Maximum = 670.000). 28 Prozent der Unternehmen sind börsennotiert, 68 Prozent in privater Hand und 5 Prozent staatliche Unternehmen. 51 Prozent der Unternehmen tätigen ihren Umsatz hauptsächlich durch den Vertrieb von Produkten; 49 Prozent bieten hauptsächlich Dienstleistungen an. Die teilnehmenden Unternehmen sind einer Vielzahl an Industriesektoren zugeordnet. Die Mehrzahl der Unternehmen der Stichprobe ist international tätig. Dabei agieren 40 Prozent von ihnen in mehr als fünf Ländern. Demgegenüber stehen 10 Prozent an Unternehmen, die ausschließlich in Deutschland tätig sind.



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