Das tat er dann auch. Nachdem er zunächst einige Fragen zu seiner Vita und der Bedrohung der großen Holdings durch Google, Facebook und Co beantwortete, drehte Auletta den Spieß um und befragte Sorrell zu dessen Ausstieg bei WPP. Der 73-Jährige wollte sich erst nicht so recht darauf einlassen und wurde daraufhin von Teilen des Publikums ausgebuht. Als Auletta weiter insistierte, gab es dann doch einige Antworten, wenngleich Sorrell keine großen Geheimnisse verriet.
Zu den persönlichen Vorwürfen, die frühere enge Mitarbeiter vor kurzem
in einem großen Artikel der Financial Times gegen ihn erhoben hatten, sagte er: "Ich bin sicher keine leichte Person im Umgang. Ich bin herausfordernd und verlange hohe Standards." Gleichzeitig bezeichnete der Ex-WPP-Chef den Artikel als unfair. "Sie haben mit 25 Leuten geredet, vielleicht waren das die 25 falschen", sagte er auf der Bühne. Er selbst habe in den vergangenen Wochen zahlreiche Mails mit einem ganz anderen Tenor bekommen. Dass Sorrell aber nicht immer Vertreter der sprichwörtlichen britischen Höflichkeit auftritt, ist allerdings seit vielen Jahren branchenbekannt.
Martin Sorrell (l.) im Gespräch mit Autor Ken Auletta (Foto: Cannes Lions)
Brenzlig wurde es, als Auletta danach fragte, ob Sorrell tatsächlich - wie von Wall Street Journal und Financial Times kolportiert - mit Firmengeldern eine Prostituierte bezahlte habe. Der Manager wiederholte, was er schon über einen Sprecher hatte erklären lassen: "Das ist unwahr." Auf die Frage nach dem Grund für seinen Rücktritt sagte er, die Situation sei letztlich untragbar geworden - aus verschiedenen Gründen, die er nicht näher ausführen wollte. Insider ahnten aber, was gemeint war: das zerrüttete Vertrauensverhältnis zu Chairman Roberto Quarta. Nicht wenige Beobachter glauben, dass Quarta die Quelle für die Informationen über die internen Untersuchungen gegen Sorrell an die Presse gewesen sein könnte.
„Sie haben mit 25 Leuten geredet, vielleicht waren das die 25 falschen.“
Martin Sorrell
Auch zur Zukunft der großen Werbeholdings äußerte sich Sorrell: "Sie werden überleben - ob alle sechs, müssen wir abwarten." Am interessanten findet er derzeit das "Advertainment"-Modell von Havas beziehungsweise Vivendi. Die Gruppe versucht mit den Marken Havas, Universal Music und Gameloft Werbung und Unterhaltung miteinander zu verknüpfen. Er selbst sehe die Notwendigkeit, dass die Werneholdings und ihre Networks schneller, schlanker, kundenorientierter und nicht zuletzt günstiger werden müssen.
Auf die Frage von Auletta, ob dies das Programm für seine vor kurzem gestartete neue Holding S4 Capital sei, sagte Sorrell: "Ich verspreche nichts." Ohnehin versuchte er, sein neues Engagement eher kleinzureden - allerdings nicht ohne eine Spitze gegen seinen Ex-Arbeitgeber: "Meine Aktivitäten mit S4 sind im Vergleich zu WPP Peanuts. Aber es gibt Leute, die haben eine Erdnuss-Allergie."
mam
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