„Come for the nice speakers, stay for the home assistant”. Das Prinzip funktioniert seit der Einführung von iTunes und iPod in 2001. Auch beim HomePod ist Musik „nur“ Mittel zum Zweck. Es geht um viel mehr. Nämlich um die Eroberung des Wohnzimmers durch eine cloudbasierte persönliche Assistenz. Siri getarnt als Musik-Nerd.
Wie wird Apple mit dem Thema Sicherheit und Privatsphäre umgehen? Das ist bei den stetig mithorchenden Lautsprechern in unseren Wohnzimmern die demnächst auch Kameras verpasst bekommen ja so eine Sache... Ein nicht unerheblicher Teil des Geschäfts der momentanen Platzhirschen ist das Vermarkten von Kundendaten. Was man bisher nicht weiß: werden die gesammelten Daten nur zur Verbesserung der Software oder auch zur Vermarktung von Produkten auf den eigenen Plattformen genutzt? Ich tippe (auch) auf Letzteres. Das Apple großen Wert auf Sicherheit legt zeigt sich auch in der langwierigen Prozedur für Drittanbieter ein "works with HomeKit"-Siegel zu erhalten. Hier wird Apple also nicht nur mit Qualität bei Hardware und sondern auch mit Vertrauenswürdigkeit punkten. Und das finde ich persönlich in Zeiten wie diesen doch recht angenehm.
Wer am Ende die Nase vorn hat? Offen. Das System wird entscheiden und damit meine ich die Einfachheit der Anbindung weiter Geräte in das HomeKit aber vor allem die Qualität des lernenden (Voice) Experience Designs. Intuition und Relevanz schlagen in diesem Bereich jeher Innovation. Wer erinnert sich noch an der ersten MP3 Player von SaeHan Information Systems mit dem klangvollen Namen MPMan F10? Ich nicht. Hab Siri gefragt.
Wir erinnern uns: Jim Balsillie, der Co-CEO von BlackBerry-Hersteller RIM (Research In Motion), hielt den Launch des iPhones nicht für eine Zeitenwende. Er, damals wörtlich: „It's kind of one more entrant into an already very busy space with lots of choice for consumers. But in terms of a sort of a sea-change for BlackBerry, I would think that's overstating it.“
Sollte man also den Schabernack, den das Netz jetzt bereit hält, solange genießen, bis einem das Lachen im Halse stecken bleibt?
Nun, diesmal sind zwei Dinge anders:
1. Apple muss ohne das sagenhafte Gespür und die unnachahmliche Persistence von Steve Jobs auskommen. Wir wissen heute, 6 Jahre nach seinem Tod, wie sehr er fehlt.
2. Einer der Player, die schon im Markt sind ist Amazon.
Und Amazon ist ein ganz anderes Kaliber von Wettbewerber als RIM. Mit der Vernetzung von Entertaiment und einer unvergleichlichen kommerziellen Infrastruktur machen die Leute aus Seattle sehr, sehr viel richtig.
Konclusion: Wäre Steve noch da, müssten sich alle jetzt warm anziehen. Heute würde ich mein Geld aber auf Amazon setzen.
Also, kein Unternehmer da, der Druck macht und die Unabhängigkeit und das Standing hat, auch für „wilde“ Zukunftsthemen die Verantwortung zu übernehmen. Das spürt ein Unternehmen irgendwann. Noch hinzu kommt, dass gerade die GAFA-Firmen mittlerweile massiv Stories verkaufen müssen - und das kann niemand so gut wie ein „Gründer“. Auf der anderen Seite erkenne ich jetzt im konkreten Fall keinen massiven Rückstand, der danke der genialen Vertriebsstruktur von Apple mit unter anderem über 700 Mega-Läden in den Toplagen der Welt nicht aufholbar wäre.
Ganz offensichtlich ist Apple ja auch nicht erst seit gestern an dem Thema „Sprache“ und „Smart Assistants“ dran, vielleicht lag auch einfach nur der Termin für „WWDC“ schlechter als für „I/O“ oder „F8“. Für mich als Marketing-Mann sind diese Events selber das wahre Highlight. Die Namen, die Inszenierung, die PR, das Storytelling, die unglaubliche Reichweiten dieser Veranstaltungen, das ist die wahre Story.
Welches Gerät nun gerade gepushed wird ist gar nicht so wild. Diese Firmen haben sich Plattformen erschaffen, auf die der Rest der Welt neugierig, begeistert, neidisch guckt. Am Ende schreiben wir drüber, diskutieren über die Events und zementieren so deren Relevanz. Das ist echt schon gut ausgedacht. Ob Apple nun „Sprache“ dominiert oder nicht – das Unternehmen hat soviel Cash, was historisch einzigartig ist. Beim Pokerspielen würde man auch niemanden abschreiben, der soviele Chips hat, dass er rund um das Casino mehrere Hangars mieten musste, um mitzuspielen. Es werden noch viele Hände gespielt werden.
Und trotzdem ist Apple das erfolgreichste Unternehmen der Welt.
Wieso wird also dann schon vor Release des Apple-Lautsprechers gelästert? Weil das ja fast schon zur Folklore gehört. Weil man ja will, dass nicht immer der FC Bayern die deutsche Meisterschaft holt sondern auch mal Dortmund oder Wolfsburg. Beziehungsweise Amazon oder Microsoft.
Sicher: Letztlich verstehen alle anderen Technologie ähnlich gut wie Apple. Aber niemand versteht so gut den Zeitgeist. Das wird auch diesmal wieder so sein.
Am Ende kommt der Meister doch fast immer aus Cupertino, München und Madrid.
Als Steve Jobs einst das iPad vorstellte, war das eine Blaupause dafür, wie man als Technologieunternehmen mit Hilfe seiner Marke den Markt macht, statt einfach nur ein weiteres Produkt zu vermarkten. Üblicherweise haben Marketer zuerst den Verkaufserfolg des neuen Produktes im Blick. Dies ist der größte Schwachpunkt zahlreicher Marketing- und Kommunikationsstrategien. Denn neue technologische Produkte haben häufig das Potential, völlig neue Marktkategorien zu begründen und zu besetzen. Apple ging es immer darum, eine Kategorie relevant zu machen und neue Serviceerlebnisse zu kreieren.
Digital Natives wissen, was sie mit Google Home, Amazons Echo und Alexa anstellen. Aber reicht das, um der breiten Masse Lust darauf zu machen?
Apple ist nicht der erste Anbieter intelligenter Lautsprecher und Assistenten, deshalb sollte nun alles dafür getan werden, die noch junge Kategorie zu besetzen. Ob Apple das mit dem HomePod schafft, bleibt abzuwarten. Das Unternehmen hätte die richtige Strategie dazu. Aus Sicht der Ingenieure mag der HomePod ein Me-too-Produkt sein, aus Sicht vieler Kunden (und Apple Fans) ist es ein echtes Apple-Produkt und somit für sie wertvoller als Echo, Alexa & Co.
Und auch die lebensnotwendigen Suchbewegungen bleiben nicht aus, denken wir an Apple TV oder die Apple Watch. Nicht alles wird etwas und wächst in den Himmel, das war auch bei Steve nicht anders. Natürlich rufen alle nach Innovationen, am besten vierteljährlich. Doch solange Apple seinem Erfolgsmuster treu bleibt, liegt die Marke vorn. Gerade dieses mit Google, Amazon und Microsoft "vergleichbare" Produkt muss die zentrale Apple-Stärke realisieren: Einfacher und besser bedienbar. Dann läuft die Sache und das Produkt lädt die Marke auf. Man darf gespannt sein.
Fakt ist, immer wenn Apple etwas ganz neu erfunden hat, ist es gern in die Hose gegangen. Wer erinnert sich noch an den Newton Message Pad Mitte der 90er? Prinzipiell das erste iPad: ein PDA mit einem Bildschirm, auf dem sogar mit einem besonderen Stift schreiben konnte. Leider war das Gerät so schwer und anfällig, dass es nicht den Weg in viele Taschen schaffte.
Ganz anders beim iPhone. Kaum eine der Technologien, die in dem Gerät verwendet wurden, hat dort ihre Premiere gehabt. Telefone mit Touchscreens gab es schon vorher, um nur ein Beispiel zu nennen. Was das iPhone so besonders und wahrscheinlich auch so erfolgreich machte, ist die unfassbare einfache und nahtlose Benutzerführung. Alles funktionierte reibungslos und eröffnete so dem Benutzer völlig neue Möglichkeiten, sein Telefon für quasi alles in seinem Leben zu gebrauchen.
Schauen wir jetzt auf den Home Pod. Auf den ersten Blick ist das erst mal ein smarter Lautsprecher, der vor allem konstruiert wurde, um richtig gut Musik wiederzugeben - wie das Sonos zum Beispiel sehr erfolgreich macht. Und der dabei auch noch ein wenig zuhören kann: Er kann mir das Wetter sagen und in Zukunft sicher noch ein paar Sachen mehr. Was das angeht, kann der Home Pod deutlich weniger als Alexa, die ja neben einem Lautsprecher, die größte Auswahl an Produkten schlechthin im Schlepptau hat.
Auf der anderen Seite kommt das Gerät von einer Marke, der die Menschen viel mehr vertrauen als amazon. Wenn schon jemand bei mir Zuhause rumsteht und zuhört, was ich sage, dann soll das von einer Marke sein, der ich zumindest ansatzweise glaube, dass sie meine Daten nicht gleich weiterverkaufen oder für andere eigene Belange nutzen.
Wollte man also kritteln, ist der HomePod ein einer Klopapierrolle nicht unähnlicher einigermaßen schlauer Lautsprecher, der den Marktanteilen von Alexa kaum noch was entgegenzusetzen hat.
Ist man ein eher positiv denkender Mensch, freut man sich auf die vielen Apps, die auch sicher bald dieses Apple Produkt bereichern können und kann sich die Welt gar nicht mehr ohne den Home Pod als freundlichen Zuhörer vorstellen.
Heutiger Stand: unentschieden. Die Zeit wird zeigen, welche Seite Recht hat.