Die Now Economy zeichnet sich auch durch eine chaotische Vielfalt aus. Welche praktischen Tipps kann der Chef einer internationalen Internet-Agenturgruppe Unternehmen geben? Ganz wichtig ist es, Prioritäten zu setzen. Das klingt wie der gute Rat der Oma beim Kuchenbacken, ist aber von entscheidender Bedeutung. Man kann im Netz nicht alles machen. Und man sollte es erst gar nicht versuchen. Zweiter Punkt, gerade im Hinblick auf Mobile, ist: Man darf Maßnahmen, die analog gut funktioniert haben, nicht einfach aufs Digitale übertragen. Ein Gewinnspiel, das im klassischen Direktmarketing prima funktioniert hat, mag als App in einer totalen Enttäuschung enden, weil kein Mensch sich diese App downgeloadet hat. Dies führt zum dritten Punkt: Man darf Internet und Mobile nicht nur als weitere Kanäle für Werbeschaltungen sehen. Nichts verdichtet Produkt, Service und Kommunikation so sehr wie das Smartphone. Und genau diese Fragen müssen sich Unternehmen stellen: Wie kann ich das Smartphone nutzen, um das zu erreichen? Damit startet man am besten bei den eigenen Kunden.
Neben den großen Trends und Trendunternehmen stellen sich Werbungtreibende zunehmend die Frage, ob und wie sie auf aktuelle Ereignisse und Microtrends kommunikativ reagieren sollen. Sixt stellt schon seit Jahren unter Beweis, wie man auf bestimmte politische oder wirtschaftliche Momente kreativ reagieren kann. Aus diesem News Jacking ist im mobilen Zeitalter die Möglichkeit der Real-Time-Kommunikation geworden. Viele Unternehmen bezweifeln die Sinnhaftigkeit solcher Strategien, doch Buch-Autor Chris Kerns hat nach einer Untersuchuchung von 126 Unternehmen auf dem DID die Gegenthese aufgestellt. Demnach kann es für Werbungtreibende durchaus Sinn machen, auf aktuelle Ereignisse zu reagieren – vorausgesetzt, man ist in der Lage, sehr schnell zu agieren.
Der größte Feind von Innovation ist der Erfolg. Erfolgreiche Unternehmen fangen meist zu spät an, sich zu verändern. Geht es der deutschen Wirtschaft noch zu gut, um sich um ihre Zukunft zu kümmern? Ich würde generell nicht so schwarz sehen, wie das immer noch viele Kritiker tun. Nicht nur die deutsche Start-up-Szene ist in Aufbruchstimmung. Auch etablierte Untenehmen schauen nach vorne und verändern sich radikal. Nehmen Sie die Automobilindustrie. Oder, das jüngste Beispiel, der Wechsel an der Spitze der Allianz. In einem Interview hat der neue Vorstandsvorsitzende Oliver Bäte gesagt: Wir sind viel zu kompliziert. Wir müssen so werden wie Uber. Das ist bemerkenswert und hätte man vor wenigen Jahren aus dem Mund des Vorsitzenden eines Dax-Unternehmens noch nicht gehört.
Fragt sich nur, wie lange es dauert, bis aus guten Vorsätzen handfeste Taten werden. Das ist doch nicht der Punkt. Entscheidend ist, dass Bäte seinen Mitarbeitern und den Allianz-Kunden zu verstehen gibt: „Ich habe verstanden, wir müssen uns ändern.“
Sie haben auf die Bedeutung des Smartphones verwiesen. Nun gibt es die Apple Watch. Steht die nächste digitale Revolution vor der Haustür? Ich verabscheue dieses Wort – wie viele andere modische Begriffe, die wir verwenden. Aber: Es ist bei vielen Unternehmen und Marketingchefs noch nicht angekommen, was für ein Gamechanger das Smartphone ist. Selbst Google hat diese Bedeutung massiv unterschätzt. Ich schaue 50-mal am Tag auf mein Handy. Mein 22-jähriger Sohn vielleicht 100-mal – mein 16-jähriger aber 200- bis 300-mal, weil das sein Leben ist. Mit anderen Worten: Wir haben das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Wir sind gerade erst dabei, hochzuklettern. Von daher: Ja, die Apple Watch und andere Wearables haben eine große Zukunft. Sie werden das Smartphone teilweise ersetzen, weil sie nochmals den Komfort steigern, wenn es darum geht, Dinge wie Wetter, Termine, Nachrichten und Ähnliches abzufragen. Aber das dauert noch.