Die Zukunft wird unbequem für Mediaagenturen – denn Software-Spezialisten wie Adobe, SAP, IBM, Salesforce und Co revolutionieren mit neuen Tools, technologischem Know-how und dem tiefen Einblick in die Chefetagen von Unternehmen das Werbegeschäft. In der Serie „Die Angreifer“ hat sich HORIZONT in den vergangenen Wochen mit den wichtigsten Playern beschäftigt, die das klassische Dreieck aus Werbungtreibenden, Agenturen und Vermarktern aufbrechen wollen. Im Folgenden noch einmal einen kurzen Überblick über die relevantesten Player mit ihren jeweiligen Schwerpunkten.
Der Vorreiter: Adobe
Von dem Technologie- und Prozess-Know-how der Software-Schmiede können Mediaagenturen nur träumen
Geht es um Marketing-Automation, lässt sich Adobe mit gutem Gewissen als Vorreiter bezeichnen. Mit dem Kauf der Marketingplattform Omniture (heute Adobe Analytics) hat das 1982 gegründete Software-Unternehmen, das zahlreiche populäre Produkte wie Photoshop, Indesign und Acrobat auf den Markt gebracht hat, im Jahr 2009 den Grundstein für die Adobe Marketing Cloud gelegt. Seitdem treibt es die Vernetzung sämtlicher Berührungspunkte mit Kunden in einem bemerkenswerten Tempo voran und analysiert sie dank immer besser werdender Big-Data-Tools und Echtzeit-Technologien. Anfang dieses Jahres brachte Adobe schließlich die übergreifende Experience Cloud auf den Markt, die die bestehende Marketing Cloud mit den neuen Angeboten Advertising- und Analytics Cloud sowie den Fähigkeiten von Adobe Sensei im Bereich des maschinellen Lernens und künstlicher Intelligenz kombiniert. Das klingt nicht nur allumfassend, das ist es auch. Allein Adobes Marketing-„Wolke“, mit der das Unternehmen im Jahr 2016 rund 1,6 Milliarden US-Dollar Umsatz (plus 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) erwirtschaftet hat, vereint schon jetzt zahlreiche Angebote für Kunden in sich, mit denen sich Marken vom Wettbewerb unterscheiden sollen. Tools wie der Experience Manager, Adobe Target, -Campaign, -Social und -Primetime, die in einem Jahr bis zu 91 Billionen (!) Transaktionen vermelden können, sollen Kunden dabei unterstützen, ihre Kampagnen und die jeweiligen Customer Journeys effizient zu managen. Die für die Werbebranche spannendste Neuerung ist aber sicherlich die Advertising Cloud als erste End-to-End-Plattform, die den Werbeeinsatz über traditionelle TVs und digitale Formate hinweg ermöglicht. Hier kommt Adobes Übernahme des Onlinevideo-Anbieters Tube Mogul von vergangenem Dezember zum Tragen. Mit der Technologie können Unternehmen ihre Zielgruppe künftig auf allen Kanälen erreichen, egal, ob sie im sozialen Netzwerk unterwegs ist oder ob sie lineares TV schaut. Der zunehmende Fokus der Werbeindustrie auf Programmatic Advertising spielt Adobe in die Karten. Von dem Technologie- und Prozess-Know-how, das die Software-Schmiede international in den Markt bringt, können Mediaagenturen nur träumen. Zu guter Letzt verschafft Adobe den CEOs der Unternehmen ein mittlerweile extrem begehrtes Gut in einer immer komplexer werdenden Welt: Einfachheit.
Der KI-Fan: IBM
Mit der Übernahme der Plattform Silverpop erhielt IBM 2014 seine erste richtige Marketing-Cloud
Mit einer umfassenden Marketing-Lösung hat IBM viele Jahre geliebäugelt, doch erst mit der Übernahme der Softwareplattform Silverpop im Jahr 2014 konnte „Big Blue“ seine erste richtige Marketing-Cloud sein Eigen nennen. Sämtliche damit verbundenen Partner und Agenturen können seitdem für Kunden von IBM das Marketing managen. Oder „Watson“ springt ein. Das auf künstlicher Intelligenz basierende System versteht die menschliche Sprache, lernt durch Interaktion, kann Antworten für bessere Ergebnisse liefern. „Watson“ wird bislang vor allem für Analysezwecke genutzt, doch das Potenzial gilt als gewaltig. In Deutschland hat IBM Anfang 2016 auch aus Agentursicht für Aufsehen gesorgt: Digitalableger IBM Interactive Experience (IX) verleibte sich alle Anteile der Berliner Agenturgruppe Aperto ein, kurze Zeit später übernahm er die in Düsseldorf ansässige Ecx.io. Gemeinsam wolle man Innovation und Transformation vorantreiben – und mit der Fokussierung auf die im Vergleich zum Software-Geschäft gewinnträchtige Beratung sicher auch zu alter Stärke zurückfinden.
Der Offene: Oracle
Trotz spätem Einstieg in das digitale Marketing konnte sich Oracle im Markt breit aufstellen
Später als andere ist der Software- und Cloud-Anbieter Oracle in das digitale Marketing eingestiegen. Den ambitionierten Zielen tat das keinen Abbruch: Durch eine expansive Einkaufstour ist es dem Unternehmen gelungen, sich breit im Markt aufzustellen und seinen Kunden eine umfassende Marketinglösung anzubieten, die die Bereiche Commerce, Sales, Service, Social und die Marketing-Cloud (ab 2014) umfasst. Zu den wohl wichtigsten Zukäufen gehören die US-amerikanischen Software-Anbieter Responsys und Eloqua, die das Zentrum der Marketing-Cloud bilden. Daran angeschlossen sind Unternehmen wie Maxymizer für Targeting und Analyse, Compendium für Content-Marketing sowie die Data-Management-Plattformen Bluekai und Data Logix. Mit der Übernahme des Ad-Verification-Dienstleisters Moat im Frühjahr dieses Jahres schließt Oracle zu Wettbewerber Adobe auf. Bisher fehlte es Oracle an entsprechenden Lösungen, um in diesem Bereich zu punkten. Oracle möchte seinen Kunden damit Lösungen bieten, die – im Gegensatz zur Konkurrenz – auf größtmögliche Offenheit setzen.
Der Aufholer: Salesforce
Softwareanbieter Salesforce bewegt sich mit mehreren Clouds in einem riesigen Partner-Ökosystem
Eigenen Angaben zufolge ist Salesforce der weltweit am schnellsten wachsende Softwareanbieter. Seit der Gründung im Jahr 1999 kümmert sich das Unternehmen mithilfe mehrerer Clouds um Vertrieb, CRM, Digitalmarketing und Marketinganalysen und bewegt sich dabei innerhalb eines riesigen Partner-Ökosystems. Zudem liefert Salesforce die passenden Tools als Ergänzung zum Kundenbeziehungsmanagement. Analysten zufolge hat das Unternehmen, das 2016 einen Umsatz von umgerechnet 6,3 Milliarden Euro erzielt hat, seine Konkurrenten deshalb gerade im für die Branche so wichtigen Bereich der Kundenzentrierung bereits überholt. In allen anderen Bereichen ist der Konzern auf Einkaufstour: Im Juni 2016 sorgte Salesforce etwa mit der Übernahme der E-Commerce-Plattform Demandware für 2,8 Milliarden US-Dollar für den größten jemals zustande gekommenen Zukauf in der Martech-Industrie. Aktuell ganz oben auf der Agenda steht die Verbesserung von Verhaltens- und Erfolgsprognosen mithilfe von künstlicher Intelligenz. Das Angebot Einstein soll helfen – und die IBM-Technologie Watson ausstechen.
Der Revolutionäre: SAP
Laut SAP wurden bereits über 100 Kampagnen über die Plattform SAP Exchange Media abgewickelt
In Deutschland war es eine der am meisten diskutierten Nachrichten des Jahres 2016: SAP steigt in den Werbemarkt ein und will mit seiner Plattform SAP Exchange Media (XM) das Marketing revolutionieren. Für mehr Aufsehen sorgte nur noch das: Umgesetzt wird der Plan zusammen mit Blackwood Seven, einem Dienstleister, der der Mediawelt mit einem speziellen Algorithmus Effektivitätssteigerungen von bis zu 30 Prozent verspricht. Mit der Ansage wollen die Verbündeten Mediaagenturen weitere Kunden abjagen. Funktioniert das? Es beginnt zumindest. Konkrete Namen nennt SAP XM nicht, über 100 Kampagnen sollen über die Plattform aber schon ab-gewickelt worden sein. Blackwood Seven wiederum hat bei Großkonzer-nen wie Volkswagen und Reckitt Benckiser den Fuß in der Tür. Die SAP-XM-Kunden bestätigen Gründer Wolfgang Faisst zufolge die verbesserte Transparenz sowie Media-Kosten, die teilweise um bis zu 45 Prozent reduziert wurden. So stellt man sich Revolutionen vor.
Der Berater: Deloitte
Deloitte bietet mit Tochter Deloitte Digital weit mehr als "nur" Beratungsdienste
Im Jahr 2014 sorgte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte mit ihrer Tochter Deloitte Digital für Zuwachs im Markt, auf den viele gerne verzichtet hätten. WPP-Boss Sir Martin Sorrell beispielsweise. Er bezeichnete das Unternehmen, das seit mehr als zehn Jahren als Auditor des Werbegiganten fungiert, als Frenemy: „Wir konkurrieren mittlerweile um dieselben Kunden.“ Was war passiert? Deloitte – mit einem Jahresumsatz von 36,8 Milliarden US-Dollar (Geschäftsjahr 2015/2016) eine der vier stärksten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt – hievte mit Deloitte Digital eine Unit auf den Plan, die weit mehr können sollte als „nur“ zu beraten. Fortan sollte es um das große Ganze gehen: von der Digitalisierungsstrategie über den Aufbau digitaler Geschäftsmodelle bis hin zu der Implementierung in der Praxis. Heute arbeitet die Unternehmenstochter mit Apple, Adobe, Google und Salesforce zusammen. So gerüstet, beschäftigt sich Deloitte Digital in diesem Jahr vor allem mit dem Thema Markenverständnis – bislang eigentlich das Steckenpferd klassischer Agenturen.
Der Einkäufer: Accenture
Consulting-Unternehmen Accenture will die Customer Experience im Digitalen auszubauen
Der Deal war aufsehenerregend – und das beste Beispiel für die Art und Weise, in der sich die Branche derzeit neu sortiert: Im Februar vermeldet das Consulting-Unternehmen Accenture die Übernahme des Internet-Dienstleisters Sinner Schrader. Die Agentur wird an den deutschen Zweig von Accenture Interactive angebunden und damit an jene Unit, die mit 3 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz 2015 als weltweit größte Digitalagentur im Adage-Ranking geführt wird. Zusammen mit Sinner Schrader, der 2013 übernommenen Designagentur Fjord und der im November ins Boot geholten Kreativagentur Karmarama setzen die Berater derzeit alles daran, die viel beschworene Customer Experience digital weiter auszubauen. Vor allem die Verbindung aus Designkompetenz der Agenturen und der integrierten Arbeitsweise, dem Technologie-Know-how und der Größe des Beratungsunternehmens soll helfen, bei den CMOs des Landes relevanter zu werden.
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