OMG-CEO Florian Adamski

„Das bisherige Geschäftsmodell der Mediaagenturen hat keine Zukunft“

Florian Adamski, CEO Omnicom Media Group Germany
Britta Würzburg
Florian Adamski, CEO Omnicom Media Group Germany
Stehen den großen Media-Networks stürmische Zeiten ins Haus? Absolut, sagt Florian Adamski, Deutschlandchef der Omnicom Media Group (OMG). Seine These: „Die Mediaagentur-Szene wird sich in den nächsten drei Jahren so radikal verändern, dass sich Fragen wie OMG versus Group M gar nicht mehr stellen.“
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Dass Mediaagenturen herb kritisiert werden und ihnen ein baldiges Ende vorausgesagt wird, ist nicht neu, sondern im Werbe-Business so etwas wie gelernte Praxis. Jetzt aber kommt der Weckruf aus dem Zentrum der Mediaagentur-Branche selbst. Für Agenturen, die "ihr Geld in der Hauptsache mit Arbitrage-Geschäften" verdienen, werde es bald "wirklich eng", sagt Adamski. "Das hat keine Zukunft".



Noch aber gebe es Agenturen, "die momentan alles versuchen, die Margen der Vergangenheit in die Zukunft zu retten, oft zu Lasten von notwendigen Investitionen". Diese Rechnung, so Adamski "kann nicht aufgehen". Könne sich die Situation so weit zuspitzen, dass einzelne Mediaagenturen vom Markt verschwinden? Adamski: "Ich glaube, dass es jeden Dienstleister treffen kann, der die Zeichen der Zeit nicht begreift, ja. Das gilt selbstverständlich auch für große Mediaagenturen."

Mediaagenturen sind kein Ökotop, das unter Artenschutz gestellt werden sollte.
Florian Adamski
Adamski äußert sich in dem Interview auch zu Google und Facebook, zu denen man "ein sehr konstruktives und gutes Verhältnis" habe. Gleichzeitig spart er aber auch nicht mit Kritik an den beiden US-Playern: "Programmatic lebt von Transparenz und der Möglichkeit, Kontakte über verschiedene Plattformen hinweg auszusteuern. Facebook und Google sind gerade dabei, mit ihren Walled Gardens diese Transparenz wieder zunichte zu machen."

Adamski argumentiert aus einer Position der Stärke. Kein Network war 2016 so erfolgreich im Neugeschäft wie OMG mit seinen beiden Agenturmarken OMD und PHD. Vor allem der Wechsel des VW-Etats von Marktführer Mediacom zu PHD sorgte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen. Nun startet mit Hearts & Science eine dritte OMG-Agentur in Deutschland. In den USA sorgte der Newcomer mit dem Gewinn der Etats von Procter & Gamble und AT&T schon gewaltig für Furore. Das soll nun bald auch in Deutschland gelingen.

HORIZONT Online veröffentlicht Ausschnitte aus dem Interview mit Adamski, das in ganzer Länge in der aktuellen Printausgabe von HORIZONT nachzulesen ist. Darin nimmt Adamski auch Stellung zu dem Vorwurf, PHD setze die Medien-Vermarkter gerade mit überzogenen Rabattforderungen für den Großkunden VW massiv unter Druck.

 

"Wer heute noch das tut, was er 2009 getan hat, wird den Tanker nicht mehr herumreißen können"

Florian Adamski, CEO Omnicom Media Group Germany
Britta Würzburg
Florian Adamski, CEO Omnicom Media Group Germany

Zum Wettbewerb mit Group M

Ganz ehrlich: Ich bin noch nie morgens mit dem Gedanken aufgewacht: Jetzt greifen wir Group M an! Das interessiert mich überhaupt nicht. Die Mediaagentur-Szene wird sich in den nächsten drei Jahren - ich sage drei Jahre, nicht fünf oder zehn - so radikal ändern, dass sich die Frage OMG versus Group M gar nicht mehr stellt. Davon bin ich felsenfest überzeugt.

Zu neuen Konkurrenten wie SAP, Adobe, Accenture und Co

Es wird auch Wettbewerber geben, die wir heute noch gar nicht auf dem Schirm haben. Die beiden entscheidenden Fragen lauten: Welche Aufgaben, für die bisher Mediaagenturen zuständig sind, werden die Kunden zukünftig selbst erledigen und für welche werden sie Dienstleister beauftragen? Und: Wer sind diese Dienstleister? Ich glaube: Wenn in den Mediaagenturen jetzt falsche Leute falsche Entscheidungen treffen, werden sie in drei Jahren gar nicht mehr am Markt stattfinden. Genauso glaube ich aber auch: Wenn wir die richtigen Fragen stellen und die richtigen Antworten geben, wird es keinen Marketing-Dienstleister geben, der besser aufgestellt ist als Mediaagenturen. Man muss nur begreifen, dass sich unsere Rolle radikal ändert. Wer heute noch das tut, was er 2009 getan hat, wird den Tanker nicht mehr herumreißen können.

Zu möglichen Marktaustritten von Mediaagenturen

Ich glaube, dass es jeden Dienstleister treffen kann, der die Zeichen der Zeit nicht begreift. Das gilt selbstverständlich auch für große Mediaagenturen. Wer 2017 sein Geschäftsmodell aus den 1990er Jahren noch nicht angepasst hat, wird schon 2018 in große Probleme geraten. Wenn Sie genau hinsehen, erkennen Sie, dass genau das in Ansätzen bereits passiert. Wenn ein Kunde Sie fragt, womit Sie Ihr Geld verdienen, und Ihre ehrliche Antwort darauf lautet "in der Hauptsache mit Arbitrage-Geschäften“, wird es wirklich eng. Das hat keine Zukunft.

Über das zukünftige Geschäftsmodell der Mediaagenturen

Unsere Zukunft liegt in der Beratung, die transaktionellen Bereiche werden sich signifikant verändern. Große Kunden stellen sich zunehmend die Frage, was sie inhouse machen können und wie sie die Hoheit über ihre Daten behalten. Es wäre dumm, zu versuchen, gegen eine Entwicklung, die sich nicht mehr aufhalten lässt, ankämpfen zu wollen.

Über die Unterschiede von OMG und anderen Media-Networks in Bezug auf Renditeerwartungen

Ich fahre jedenfalls nicht nach London oder New York, um dort mit zitternder Stimme zu erklären, wie ich eine womöglich exorbitante Marge verteidigen will. Ja, wir sind ein profitables Unternehmen, aber Spitzenmargen, wie sie offenbar mancherorts gefordert werden, bereiten mir keine schlaflosen Nächte. Es gibt Agenturen, die momentan alles versuchen, um die Margen der Vergangenheit in die Zukunft zu retten, oft zu Lasten von notwendigen Investitionen. Diese Rechnung kann nicht aufgehen.

Zu aktuellen Entwicklungen bei den Werbungtreibenden

Wenn neue Disziplinen entstehen und es neue technologische Möglichkeiten gibt, ist es doch völlig legitim, wenn die Kunden die Frage stellen: Wofür brauche ich genau einen Dienstleister? Natürlich ist das eine Gefahr für Mediaagenturen, wir sind ja kein Ökotop, das unter Artenschutz gestellt werden sollte. Übrigens haben wir eine ähnliche Entwicklung schon vor zehn Jahren bei Search gesehen. Auch da wurden Aufgaben, die davor davor nur von Mediaagenturen geleistet werden konnten, durch Self-Service-Plattformen demokratisiert. Das Gleiche passiert jetzt bei Programmatic Advertising. Wenn mich ein Kunde heute fragt, ob es sinnvoll ist, eigene DSP-Schnittstellen zu etablieren oder DMPs aufzusetzen, lautet meine Antwort: „It depends. Es kommt darauf an, welche Zielsetzung Sie haben und in welchem Umfang Sie bereit sind, in eigene Ressourcen zu investieren. 

Zur Frage, wie massiv dieser Trend ist

Es gibt eine ganze Reihe von Kunden, die sich mit Google, Facebook und Technologie-Dienstleistern an einen Tisch setzen und sich anhören, wie sie bei Programmatic ins Direktgeschäft einsteigen können. Aber die meisten erkennen dann sehr schnell, wie komplex das in Wirklichkeit ist. Es genügt eben nicht, mal eben einen Google-Stack einzukaufen und anschließend der Mediaagentur Good-bye zu sagen.

Zum Verhältnis zu Facebook und Google

Das ist ein klassischer Fall von Frenemy. Auf der einen Seite haben wir ein sehr konstruktives und gutes Verhältnis zu Google und Facebook. Das muss auch so sein, weil beide Unternehmen heute eine eminent wichtige Rolle im Marketing spielen. Ich sehe aber auch zwei problematische Entwicklungen. Der eine Punkt ist, dass Google und Facebook den Unternehmen suggerieren, sie könnten gemeinsam mit ihnen ein Direktgeschäft aufbauen. Das ist natürlich eine Illusion - Google und Facebook sind Vermarkter und haben das Ziel, ihre Plattformen so gut wie möglich zu kapitalisieren. Ich kann mich als Unternehmen doch nicht von jemandem ganzheitlich beraten lassen, den ich gleichzeitig zunehmend in meinem Mediaplan berücksichtige.

Zu Punkt 2, Programmatic

Programmatic lebt von Transparenz und der Möglichkeit, Kontakte über verschiedene Plattformen hinweg auszusteuern. Facebook und Google sind gerade dabei, mit ihren Walled Gardens diese Transparenz wieder zunichte zu machen. Wenn sich das nicht ändert, muss man ernsthaft überlegen, Media-Budgets umzuschichten. Da bin ich ganz auf der Linie von P&G-CMO Marc Pritchard.

Zur Zusammenarbeit von Google und Facebook mit Mediaagenturen

Die Zeiten des selbstlaufenden Wachstums sind für Google und Facebook wohl vorbei. Das ändert einiges, auch was das Verhältnis zu Mediaagenturen betrifft. Früher wurden wir gerne auch mal ignoriert, inzwischen ist das Interesse, mit uns zu reden und zu verstehen, wo der Schuh drückt, deutlich größer. Die US-Unternehmen haben verstanden, sich auf die Spielregeln in Deutschland einlassen zu müssen, wenn sie den viertgrößten Werbemarkt der Welt weiter für sich erschliessen möchten.

Zur Sinnhaftigkeit strategischer Allianzen mit den US-Playern

Für Mediaagenturen gilt: Der Frontenkrieg ist vorbei, beide Seiten bewegen sich aufeinander zu und versuchen, den anderen besser zu verstehen. Ich halte es aber auch für absolut notwendig, ganz klar rote Linien zu ziehen. Google, Facebook, Amazon sind Vermarkter und Mediaagenturen sind im Idealfall neutrale Berater - das darf man nie aus den Augen verlieren. Im Gegensatz zu anderen Networks beteiligt sich Omnicom deshalb auch nicht an Medien und Technologie-Unternehmen. Wenn mich ein Kunde nach meiner Meinung fragt, muss ich vorurteilsfrei antworten können - und nicht Rücksicht nehmen müssen auf eigene Beteiligungen oder Joint-Business-Partner.

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