OMD-CEO Florian Adamski

"Die schwerste Entscheidung meines Lebens"

Florian Adamski, CEO Omnicom Media Group Germany
Britta Würzburg
Florian Adamski, CEO Omnicom Media Group Germany
Florian Adamski hat geschafft, was vor ihm erst ein Deutscher geschafft hat: zum Global CEO eines internationalen Media-Networks aufzusteigen. Und dann auch noch bei OMD, der weltweiten Nummer 1 unter den Mediaagenturen. Im Interview mit HORIZONT erzählt Adamski, wie alles gekommen ist, was er vorhat - und wie er der geworden ist, der er heute ist.
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Herr Adamski, Sie haben es nach Alexander Schmidt-Vogel 2002 als zweiter Deutscher in der Geschichte an die Spitze eines globalen Media-Networks geschafft. Wie Sie das formulieren, da kann einem ja schwummerig werden.

Sind Sie eher der blitzgescheite Überflieger oder der empathiebegabte Menschenfänger? Das verspricht ja ein lustiges Interview zu werden. Ich mag solche Ego-Nummern nicht. Wollten wir nicht über Fachthemen sprechen?

Das kommt später. Im Ernst: Die Leute wollen schon wissen, wie man es mit 39 und als Deutscher zum globalen CEO von einem so riesigen Laden wie OMD bringt. Manchmal nach dem Aufstehen schüttle ich selbst mit dem Kopf, weil ich es immer noch nicht so richtig begreifen kann. Meine Frau sprach kürzlich von dem Bermuda-Dreieck Empathie, Ehrgeiz und Auffassungsaufgabe. Das ist ihre Bewertung - und der schließe ich mich jetzt einfach mal an.

Interessant, dass Ihre Frau auch den Faktor Ehrgeiz nennt. Gemeinhin gelten Sie ja als ausgesprochen locker und umgänglich - mithin als Gegenbild zu einem klassischen Karrieristen. Ich bin geprägt davon, in dem, was ich tue, erfolgreich sein zu wollen, egal ob im Sport, im Privatleben oder beruflich. Das hatte in meinem Fall aber nie etwas mit Hierarchien oder dem Wunsch nach superioren Positionen zu tun. Es war nie mein Lebensplan, Karriere zu machen Ich bin selbst immer wieder überrascht, in welchen neuen Konstellationen ich aufwache und was mir alles geschieht.
Meine Frau sprach kürzlich von dem Bermuda-Dreieck Empathie, Ehrgeiz und Auffassungsaufgabe. Das ist ihre Bewertung - und der schließe ich mich jetzt einfach mal an.
Florian Adamski
Andere Leute wachen morgens auf und fragen sich, warum nichts Unvorhergesehenes in ihrem Leben geschieht. Es sind einfach viele Dinge zusammengekommen, die für mich selbst schwer zu bewerten sind. Meine Abi-Note lag bei 2,5, und das auch nur, weil da Sport und Erdkunde mit dabei waren. Vor fünf Jahren habe ich mich bei der Geburt unseres ersten Kindes entschieden, den Fokus in meinem Leben auf die Familie zu legen und ein ganzes Jahr Elternzeit genommen. Ich hatte absolut nicht den Plan, ins Media-Business zurückzukehren. Aber dann bat mich Manfred Kluge, der damalige Chef der Omnicom Media Group, ein Teilzeit-Projekt in München zu übernehmen - für drei Monate…

Der Rest ist bekannt, 2015 wurden Sie Kluges Nachfolger. Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung gefallen, jetzt noch einmal ein ganz anderes Leben zu beginnen? Sehr schwer, es war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Von der ersten Anfrage bis zur finalen Entscheidung vergingen etwa sechs Wochen. Für deutsche Verhältnisse ist das relativ kurz, wenn man bedenkt, dass es sich um eine wirklich einschneidende Entscheidung handelt. Für US-Amerikaner sind sechs Wochen dagegen eine Ewigkeit. Die haben mich mit großen Augen angesehen als ich sagte: "Nein, ich kann mir das nicht bis Mitte nächster Woche überlegen! Ich muss mich schon erst mit ein paar Menschen in meinem Leben abstimmen und mir auch selbst über einiges klarwerden."

Was gab den Ausschlag, es dann doch zu tun? Das Neue reizt mich schon sehr. Und natürlich die Aufgabe, ein Media-Network zu führen in einer Zeit, die für unsere Branche so herausfordernd ist wie nie zuvor. Auch die Internationalität des Jobs gefällt mir. Ich habe ein Jahr im Ausland gelebt, meine Frau ist in Brasilien und Belgien aufgewachsen. Das passt also schon sehr gut.

Wie gehen Sie den Job an: Erst mal schauen und die innenpolitischen Machtstrukturen checken - oder gleich mit einem klaren Plan? Der Plan entfaltet sich jeden Tag ein Stück mehr. Ich bin seit 20 Jahren in der Agentur-Gruppe, aber was ich jetzt erlebe, empfinde ich als große weiße Karte, die ich erst einmal mit Leben füllen muss. Den deutschen Markt zu kennen, bedeutet ja mitnichten, zu wissen, wie es in Australien, Kanada oder Lateinamerika läuft. Ich treffe mich jetzt erst einmal mit sehr vielen Leuten, in der Agentur, aber auch schon auf Kundenseite.
Das Neue reizt mich schon sehr. Und natürlich die Aufgabe, ein Media-Network zu führen in einer Zeit, die für unsere Branche so herausfordernd ist wie nie zuvor.
Florian Adamski
Es gibt sehr unterschiedliche Arten, den Job eines Global CEO zu interpretieren. Was für ein Chef werden Sie sein, eher der Großstratege oder jemand, der sich auch operativ einmischt? Das schließt sich ja nicht gegenseitig aus. Ganz meiner Art nach werde ich versuchen, die Dinge im Detail zu verstehen - ich bin einfach nicht der Typ, der bei Kunden am liebsten eine dieser klassischen CEO-Credential-Präsentationen hinlegt. Das ist etwas, bei dem ich mich wirklich extrem unwohl fühle. Ich will wissen: Was ist das Business und was können wir besser machen? Aber mir ist schon klar, dass ich mit dieser Art des Arbeitens, wie ich es in Deutschland gewohnt war, als globaler CEO an Grenzen stoßen werde. Meine wichtigste Zielsetzung für die ersten sechs Monate wird daher sein, die Agentur konsistenter aufzustellen. OMD ist das weltweit größte Media-Network, gibt in den einzelnen Märkten aber ein zum Teil sehr heterogenes Bild ab. Das hat mich nicht überrascht, aber das ist etwas, was ich ändern will. Wir müssen deutlichen kompakter werden und unser Markenversprechen weltweit einlösen.

Wie haben die Kollegen Sie denn bisher aufgenommen? Extrem offen. Die Leute merken schnell, dass da jemand kommt, der vielleicht etwas unkonventionell ist, aber aus eigenem Erleben sehr genau die Zwänge und Herausforderungen eines Mediaagentur-Chefs kennt. Wir hatten vergangene Woche einen zweieinhalbtägigen Workshop in London mit den CEOs aus den größten OMD-Märkten. Ich bin ehrlich: Am Vorabend machte ich mir schwere Sorgen, ob das gut geht und sich 36 hochkarätige Manager wirklich auf so einen Workshop-Charakter einlassen. Am Ende der Veranstaltung hatten wir dann aber 15 globale Initiativen definiert, mit denen wir untermauern wollen, wofür OMD weltweit steht. In diesen Projekten geht es um strategische Planungsprozesse, Dashboards, Datenbänke. Meine Rolle wird sein, diese Initiativen zu orchestrieren und voranzutreiben.

Ihr Vorgänger Mainardo de Nardis war eher ein Einzelkämpfer ohne eigenen Stab, alle wichtigen Funktionen lagen in den einzelnen Märkten. Das ist eine der wirklich großen Veränderungen, anders als Mainardo werde ich eine eigene Stabsstelle haben. Zu meinem Team gehören die bisherige US-Chefin Monica Karo als Chief Client Officer und Kate Stephenson als Chief Operating Officer. Die Tage werden wir einen CMO bekannt geben und den Kreis noch einmal um fünf oder sechs Leute erweitern. Eine Ebene darunter bauen wir Support-Ressourcen auf. OMD investiert hier große Summen in neue Produkte, konsistentere Prozesse und die Infrastruktur. Idealerweise werden alle Märkte davon profitieren.

Eines der drängenden Probleme, mit denen Sie es zu tun kriegen, ist die schwache Entwicklung im Kernmarkt USA. Wir hatten in den USA zwei, drei schwierige Jahre mit ein paar wirklich schmerzhaften Kundenverlusten. Aber man muss das ganze Bild sehen: OMD war davor extrem erfolgreich und ist massiv gewachsen. Und wie es im Leben eben häufig so ist: Irgendwann hat man sich ein bisschen von den eigenen Erfolgen blenden lassen und bestimmte Investitionsentscheidungen zu lange aufgeschoben. Es ist kein Zufall, dass am Tag meiner Ernennung gleichzeitig der bisherige BBDO-Manager John Osborn als neuer US-Chef verkündet wurde. Gemeinsam werden wir jetzt ein paar Dinge ändern, strukturell wie personell.
Und die Amis haben kein Problem damit, dass dabei an vorderster Front ein Deutscher mitmischen will? (lacht) Die begegnen dem jungen Deutschen mit dem germanischen Akzent mit sehr großer Offenheit. Wenn man eine schwierige Phase hinter sich hat, ist man bereit für neue Impulse. Genau das erwartet man von mir.

Die Zahlen der großen Media-Networks stehen seit einiger Zeit massiv unter Druck. Wie groß ist die Erwartung, dass OMD unter Ihrer Ägide Marktanteile gewinnt und deutlich wächst? Das sind zwei ganz unterschiedliche Fragen. Wenn Sie wissen wollen, ob ich innerhalb unseres angestammten Kernmarkts der Mediaagenturen Marktanteile gewinnen will, lautet die Antwort: Ja! Daran können Sie mich in 24 Monaten gerne messen. OMD soll wachsen und Marktanteile gewinnen, selbstverständlich. Die sehr viel größere Aufgabe sehe ich aber darin, unsere Gruppe durch die Transformation zu führen.

Das Thema kennen Sie aus Deutschland ja bereits zur Genüge. Stimmt, aber im internationalen Maßstab ist die Transformation und die Ablösung von alten Geschäftsmodellen zum Teil schon sehr viel weiter fortgeschritten. Während man in Deutschland noch gern über „digitale Besoffenheit“ oder neuerdings den „Digital Hangover“ diskutiert, sehen wir in den USA, UK und den skandinavischen Ländern längst einen signifikant höheren Digital-Anteil an den Werbespendings. In diesen Ländern werden auch Daten in einem viel größerem Umfang genutzt. Eine der großen Fragen ist auch, welche Richtung unsere Kunden einschlagen. Es wird weiter Unternehmen geben, die stark auf Outsourcing setzen - aber eben auch das diametrale Gegenteil, also Kunden, die Marketing künftig fast komplett in-house managen. Ein sehr interessanter Case, über den ich auch viel mit meinen internationalen Kollegen diskutiere, ist das neue Media-Modell der Deutschen Telekom. Da reichen die Meinungen von „Das wird nicht funktionieren, weil es für das Unternehmen einen viel zu großen Aufwand bedeutet“ bis hin zu „Das ist das Modell der Zukunft“.

Die Frage ist ja auch: Setzen die Unternehmen weiter auf Mediaagenturen - oder lieber auf andere Dienstleister. Mediaagenturen haben zweifellos das Potenzial, in vielen Feldern eine relevante Rolle als Berater einzunehmen - nur ist das eben kein Selbstläufer mehr. Ein Thema, das aktuell besonders intensiv diskutiert wird, sind Creative Services. Ich würde niemals sagen, dass wir bessere Kreative sind als die klassischen Werbeagenturen. Das sind wir nicht, die Big Ideas werden weiter von Agenturen wie unserer Konzernschwester BBDO kommen, mit denen wir viel enger als bisher zusammenarbeiten wollen. Die große, offene Frage ist, wie Kreation im digitalen Raum funktioniert. In Deutschland, wo 80 Prozent der Spendings in klassischen Medien landen, spielt das noch eine untergeordnete Rolle. Aber die Aufgabe, vor der wir alle stehen, lautet natürlich: Wie schaffen wir es, Werbemittel schneller und individueller auszuspielen und gleichzeitig skalierbare Modelle zu entwickeln, die die nötigen Reichweiten garantieren können?
Ich bin einfach nicht der Typ, der bei Kunden am liebsten eine dieser klassischen CEO-Credential-Präsentationen hinlegt. Ich will wissen: Was ist das Business und was können wir besser machen? Aber mir ist schon klar, dass ich mit dieser Art des Arbeitens, wie ich es in Deutschland gewohnt war, als globaler CEO an Grenzen stoßen werde.
Florian Adamski
Und da kommen die Mediaagenturen zum Zug? Alles, was technologiegestützt skalierbar ist, sind Bereiche, in die Mediaagenturen investieren sollten. Ich bin überzeugt, dass digitale Kreation für uns ein massives Wachstumsfeld ist.

Wer den Mediaagenturen auch zu schaffen macht, sind Spezial-Agenturen. Wie lautet da Ihre Strategie als Global CEO? Die große Herausforderung besteht darin, die richtige Balance zu finden zwischen Spezialisierung und Integration. Die Mediaagenturen sind zu einem Sammelbecken für unterschiedliche Dienstleistungen rund um werbliche Kommunikation geworden. Je mehr Bereiche wir abdecken, desto schwieriger fällt natürlich die komplette Integration aller Teildisziplinen. Auf der anderen Seite haben wir es mit aus den Boden schießenden Spezial-Dienstleistern zu tun, die agil auf neue Bedarfe reagieren. Das größte Thema sind im Moment sicherlich die Agenturen, die sich auf das Ökosystem von Amazon konzentrieren. Für die großen Mediaagenturen war das lange Zeit eher ein Randthema, inzwischen ist es aber so groß, dass wir vor der Entscheidung stehen: make or buy?

Letzte Frage: Was werden Sie am meisten vermissen an Deutschland? Präzision.

Wie, Präzision? Gerade im US-amerikanischen und britischen Markt gibt es eine ausgeprägte Experimentierfreude, die weit über das hinausgeht, was wir in Deutschland bereit sind zu tun. In den USA stehen Chancen im Vordergrund, in Deutschland Probleme.

So weit, so schlecht. Na ja, das Ganze hat auch eine gute Seite. Wenn das Problem im Vordergrund steht, versucht man, es nachhaltig zu beseitigen - und das geht eben nur mit Präzision. Da schaut manch eine Werbe-Nation neidisch auf unsere Lösungen.

Interview: Jürgen Scharrer



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