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Wie PHD-Chef Holger Thalheimer in der Mediabranche für Furore sorgen will

Holger Thalheimer wird Deutschland-Chef von PHD
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Holger Thalheimer wird Deutschland-Chef von PHD
Elf Monate nach seinem Amtsantritt und gut vier Monate nach dem sensationellen Gewinn des VW-Etats gibt Holger Thalheimer, Chef der Mediaagentur PHD, sein erstes ausführliches Interview und sagt: „ Wir haben hier ein riesiges Momentum. Volkswagen ist eine einmalige Chance. Und die werden wir nutzen.“ Thalheimer, der von Mindshare zu PHD kam, setzt sich damit selbst gehörig unter Druck -  in den anstehenden Pitches will man eine sehr viel größere Rolle spielen als bisher. Thalheimer: „Der große Unterschied zu früher ist: Wir müssen jetzt nicht mehr Klinken putzen, um erst einmal auf uns aufmerksam zu machen. Das eröffnet uns ganz neue Potenziale. Auf diesen Effekt setze ich im nächsten Jahr.
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1. Wie ist die Lage bei PHD?

PHD wurde 1990 in London gegründet und ist seit 2002 Teil der Omnicom Media Group (OMG). International zählt PHD zu den starken Marken, in Deutschland bemüht man sich seit zehn Jahren, in der ersten Liga mitzuspielen - doch mehr als Platz 18 im Recma-Ranking war bisher nicht drin. Nach dem internationalen Gewinn des VW-Etats - der größte Media-Pitch des Jahres - beginnt für PHD Deutschland eine neue Zeitrechnung, das Billing-Volumen verdoppelt sich auf einen Schlag. Chef Holger Thalheimer sucht 80 bis 100 neue Leute, bis Jahresende soll sich die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland von 130 auf über 200 erhöhen.


Das klingt nach richtig Stress, Herr Thalheimer!
Thalheimer: Klar ist das Stress, aber eben positiver Stress. Wir haben hier ein riesiges Momentum. Volkswagen ist eine einmalige Chance. Und diese werden wir nutzen. Außerdem: Wir stehen ja nicht allein da, sondern haben die Omnicom Media Group und PHD als globales Netzwerk im Rücken, die uns unterstützen, bis wir das neue Team komplett an Bord haben.

Wie weit sind Sie bei der Akquise der neuen Mitarbeiter?
Thalheimer: Wir sind sehr gut unterwegs und liegen bei ungefähr 70 Prozent. Aber Sie kennen ja die Kündigungsfristen in Deutschland, vor allem für Top-Leute - daher werden wir am 1. Januar 2017 sicher noch nicht alle Teams mit den letztlich finalen Ressourcen ausgestattet haben, was aber an unsere Schlagkraft nicht beeinträchtigen wird.

2. Wie war das mit dem VW-Pitch?

Es war der spektakulärste Media-Pitch des Jahres - und am Ende gewann nicht der Favorit und langjährige Etathalter Mediacom, sondern PHD. Der Aufwand war enorm. In einem Interview mit HORIZONT Online im August sprach Mediacom-CEO Paul Remitz von einem „Pitch von geradezu epischen Dimensionen rund um den Globus“. Den Etat habe man deswegen nicht verteidigen können, weil „wir nicht bereit waren, den Pfad des verantwortungsvollen Handelns zu verlassen und entsprechende Handlungsrisiken einzugehen.“

Was sagen Sie zu den Aussagen von Paul Remitz - war der VW-Pitch der brutalste Pitch ever mit den härtesten Kundenforderungen ever? 
Thalheimer: 
Sie kennen ja Florian Adamski (Deutschlandchef des OMG-Networks): Er würde niemals unkalkulierbare Risiken eingehen. Und für PHD gilt das erst recht. Dass Paul Remitz das anders darstellt, kann ich natürlich verstehen. Im Ernst: Glauben Sie wirklich, dass der größte Werbungtreibende Deutschlands, der 18 Jahre bei der größten Mediaagentur Deutschlands war, zur Nummer 19 geht, nur weil die am günstigsten ist? Das ist doch absurd. Glauben Sie nicht, dass es einen Zusammenhang damit gibt, dass PHD 2015 weltweit die am schnellsten wachsende Agenturmarke war? Neben der VW-Gruppe haben sich in den vergangenen 24 Monaten auch Bayer, SC Johnson, SAP, Pokerstars und weitere Marken für uns entschieden.

Aber die Konditionen sind schon, wie sagt man, „herausfordernd“? 
Thalheimer: 
Natürlich haben wir auch ein sehr kompetitives Angebot abgegeben, das ist doch klar. Dass wir aber überhaupt so weit gekommen sind, lag ganz zweifellos daran, dass wir mit unserem konsistent globalen Ansatz strategisch überzeugt haben. Wir haben mit „Source“ seit drei Jahren ein Planungstool im Einsatz, das wirklich das Beste ist, das ich in meiner bisherigen Laufbahn gesehen habe. Es gab von Mai 2015 bis Juni dieses Jahres insgesamt 78 Meetings mit VW, bei der ersten großen Präsentation saßen 90 Personen von VW 65 Personen von uns gegenüber. Wir haben den Pitch auch deswegen gewonnen, weil wir einfach absolut glaubwürdig waren und keine Antwort schuldig geblieben sind. Da war null heiße Luft.

3. Was ist Holger Thalheimer für ein Typ?

Holger Thalheimer gilt als einer der talentiertesten  Vertreter einer neuen Generation von Mediaagentur-Managern: freundlich, leistungsbereit - und ganz selten polarisierend. Seit November 2015 steht er an der Spitze von PHD, davor war er unter anderem bei Carat, OMD und zuletzt fünf Jahre bei Mindshare.

Als Sie sich zum Wechsel von Mindshare zu PHD entschieden, ging es darum, zweiter Mann neben dem damaligen CEO Dirk Fromm zu werden, der sich dann überraschend Richtung Mediacom verabschiedete. Die Leute sagen über Sie: Thalheimer ist ein toller Stratege und kann gut mit Menschen - aber kann er auch CEO? 
Thalheimer: 
(lacht) Ganz ehrlich: Mich hat der Titel CEO nie interessiert. Der große Reiz war vielmehr, in einer Agentur zu arbeiten, die eine sehr starke Entwicklung hat. In der ich aufgrund der Größe stärker strategisch tätig sein kann und näher an den einzelnen Teams bin. Der zweite Grund für den Wechsel war, wieder mit Florian Adamski zusammenarbeiten zu können. Die genaue Position war zweitrangig.

Na ja, es ist ja schon ein Unterschied, CEO oder COO einer Agentur zu sein. 
Thalheimer: 
Natürlich ist das ein Unterschied. Ich habe mich für den CEO-Posten nicht aufgedrängt, aber als meine Kollegen in der Geschäftsführung wollten, dass ich es mache, habe ich auch gern zugesagt. Es ist ja so: PHD steht für die Überzeugung, dass man mit Innovationen und Kreativität einen höherer ROI für den Kunden erzielen kann als über Mikro-Optimierungen. Wenn man so einen strategischen Absatz verfolgt, ist es vielleicht nicht ganz verkehrt, jemanden wie mich an der Spitze zu haben. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Zum klassischen Repertoire eines neuen CEOs gehört, die große Wende auszurufen. Neue Strukturen, neue Philosophie, neues Denken. Wollen Sie PHD jetzt neu erfinden? 
Thalheimer: 
Solche Schlagworte interessieren mich wirklich herzlich wenig. Als ich im November 2015 hier angefangen habe, hatte PHD gerade das erfolgreichste Jahr seiner Geschichte hingelegt. Dazu habe ich exakt null beigetragen. PHD ist keine Agentur, die einen Richtungswechsel braucht oder wo man erst einmal richtig aufräumen müsste.

Sind Sie hart genug für Job eines CEO? 
Thalheimer: 
Eher freundlich zu sein und die Mitarbeiter nicht anzubrüllen, heißt ja nicht, keine Autorität zu haben und nicht sehr deutlich zu sein in dem, was man erwartet. Ich mag eine Kultur des „Das Glas ist halbvoll“. Was ich nicht leiden kann, ist, wenn jemand in mein Büro kommt und mir wortreich von Problemen erzählt, ohne gleichzeitig Lösungsvorschläge zu liefern. In bin sehr sportlich und habe in meinen jüngeren Jahren auch Extremläufe und solche Dinge gemacht. Da gibt es den Spruch: Nur Kinder jammern.

Okay, das klingt jetzt allerdings doch tough. 
Thalheimer: 
Was ich damit sagen will: Jeder kann mal seinen Frust ablassen, auch über den Chef, jeder hat Probleme und mal einen schlechten Tag, aber was ich wirklich erwarte, ist eine konstruktive Grundeinstellung. Was mich antreibt, ist, Leute zu motivieren, sie zu prägen und ihnen Werte mitzugeben. Am Ende meiner beruflichen Laufbahn heißt es hoffentlich nicht: Holger Thalheimer hat 300 super Präsentationen für seine Kunden geschrieben. Sondern: Er war jemand, der jungen Leute Wege aufgezeigt und sie positiv geprägt hat.

Dieser kooperative Führungsstil scheint ja insgesamt schwer in Mode zu kommen. 
Thalheimer: 
Ich glaube, und da schließe ich mal Florian Adamski und Oliver Stroh von OMD mit ein, dass wir eine neue Generation von Agenturmanagern sind. Nicht besser, nicht schlechter - aber anders. Wenn bei einem Spezialthema ein 20-jähriger Trainee der absolute Freak ist, kann er bei diesem Thema gerne den sogenannten Lead haben - und ich bin dann Teil des Projektteams. Das ist nicht mal typisch Omnicom, bei anderen Agenturen sehen Sie Leute mit einem ganz ähnlichen Verständnis von Führung.

Ja, stimmt - alles Leute, die immer vernünftige Sachen erzählen, dafür aber auch ganz selten polarisieren oder mal übers Ziel hinausschießen - für uns Journalisten ist das keine nur positive Entwicklung. 
Thalheimer: 
Verstehe ich, ja. Wir versuchen halt durch Leistung zu überzeugen, ohne die Leidenschaft für unseren Job zu verlieren. Irgendwie ist das wie im Fußball. Da gibt es auch keine Trainer mehr wie Ernst Happel, Kalli Feldkamp oder Aleksandar Ristic, dafür aber Thomas Tuchel oder Pal Dardai. Es ist einfach eine andere Zeit. Deshalb finden Sie an der Spitze der Agenturen inzwischen auch seltener stark polarisierende Typen.

4. Wie geht es bei PHD jetzt weiter?

Wie groß ist die Gefahr, dass VW jetzt alles dominiert und Ihre anderen Kunden im Tagesgeschäft darunter leiden? 
Thalheimer: 
Das wird garantiert nicht passieren. Natürlich wird uns die VW Gruppe jetzt sehr stark beschäftigen und auch Ressourcen binden. Da die richtige Balance zu halten, ist in den nächsten Monaten eine der wichtigsten Aufgaben, die wir ganz sicher im Blick haben werden. Allzu große Sorgen mache ich mir da nicht. Ich bin weiterhin in der komfortablen Situation, eine Agentur mit einer übersichtlichen Größe zu leiten. Das ist schon alles gut zu managen.

Ist nach dem Wachstum in 2015 und dem Gewinn des Neukunden VW jetzt erst einmal ein Jahr der Konsolidierung angesagt? 
Thalheimer: 
Nein, wir wollen und müssen natürlich weiter wachsen, das Rad dreht sich ja weiter. Für Etats, die 2018 wechseln, laufen die Pitches 2017. Der große Unterschied zu früher ist: Wir müssen jetzt nicht mehr Klinken putzen, um erst einmal auf uns aufmerksam zu machen. Das eröffnet uns ganz neue Potenziale. Auf diesen Effekt setze ich im nächsten Jahr.

Wie wird sich das Mediabusiness in den nächsten Jahren insgesamt entwickeln? 
Thalheimer: 
Ich glaube, wir müssen immer stärker in die Rolle eines neutralen Beraters für unsere Kunden kommen. PHD orientiert sich komplett an den Business-Zielen der Unternehmen und nicht nur auf die Optimierung irgendwelcher Media-KPIs. Das ist das, was mich wirklich total antreibt: Das Geschäft unserer Kunden zu optimieren und zu verbessern.

Ihr Problem ist, dass Group-M-Chef Matthias Brüll ganz ähnlich argumentiert. Außerdem investiert Group M massiv in Felder wie Programmatic, siehe die Übernahme von The Exchange Lab. 
Thalheimer: 
Die Frage ist immer, wie neutral man wirklich beraten kann und wie groß der Steuerungsdruck innerhalb eines Networks ist. Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich bei zum Beispiel Anteile an einem Technologiepartner halte, mit dem ich auf Kunden zusammenarbeite, oder ob ich wirklich neutral entscheiden kann. Ich bin überzeugt: Die Omnicom Media Group ist hier besser aufgestellt als Group M.

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