Kreativranking

Die 4 wichtigsten Erkenntnisse zur Award-Saison 2016

Serviceplan vor Jung von Matt und BBDO - das Siegertreppchen des HORIZONT-Kreativrankings 2016
HORIZONT
Serviceplan vor Jung von Matt und BBDO - das Siegertreppchen des HORIZONT-Kreativrankings 2016
Nur acht Punkte liegen im HORIZONT-Kreativranking 2016 zwischen Spitzenreiter Serviceplan und dem Zweitplatzierten Jung von Matt - so knapp war das Rennen um die kreative Krone noch nie. Aber abgesehen von den nackten Zahlen: Welche Erkenntnisse können in diesem Jahr aus dem Kreativranking gewonnen werden? Vier Thesen und ein Fazit zur abgelaufenen Award-Saison.
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These 1: Nach dem Ausnahmejahr 2015 kehrt Normalität zurück

Abgesehen von dem heißen Endspurt zwischen Serviceplan und Jung von Matt sind die großen Überraschungen im Kreativjahr 2016 ausgeblieben. Nachdem Grabarz & Partner, GGH Lowe und Grey das Ranking im Vorjahr ordentlich durcheinandergewirbelt haben, stehen nun wieder die üblichen Verdächtigen oben. Hinter Serviceplan und Jung von Matt schließt sich die BBDO-Gruppe an, die auch in den vergangenen Jahren stets zum Spitzen-Quintett zählte. Bemerkenswert sind die Leistungen von DDB und Heimat, die sich von den Plätzen 8 und 11 auf 4 beziehungsweise 5 nach oben gekämpft haben. Hier von einem Comeback zu reden, ist übertrieben. Viel eher ist es so, dass die beiden voriges Jahr schlichtweg von der Performance einzelner Wettbewerber überrumpelt und ins Hintertreffen gedrängt wurden und nun wieder da stehen, wo sie aufgrund ihrer dauerhaften Kreativleistung eigentlich auch hingehören.

Ralf Heuel, Kreativgeschäftsführer von Vorjahressieger Grabarz & Partner, kokettierte nach dem Ausnahmejahr 2015 übrigens damit, dass er sich schon darauf freue, „nächstes Jahr als Absteiger des Jahres tituliert zu werden“. Den Gefallen tun wir ihm nicht: Viele aus der Branche empfanden Grabarz & Partner damals als Gewinner der Herzen. Dieses Jahr reicht es immerhin noch für Platz 7. Tatsächlich wird diese Positionierung der Agentur auf lange Sicht betrachtet eher gerecht als der 1. Platz. Von dem war ohnehin klar, dass er ein einzigartiges Ereignis ist, das dem überwältigen Erfolg der Anti-Nazi-Aktion „Rechts gegen Rechts“ geschuldet war. Die Exit-Kampagne hatte Grabarz & Partner seinerzeit mit GGH Lowe realisiert, die dieses Jahr gar nicht mehr im Kreativranking auftauchen.

These 2: Das Kategoriensystem der Shows verzerrt das Gesamtbild

Eine strategisch gut durchdachte, integrierte Kampagne, die handwerklich perfekt umgesetzt ist, kann bei Award Shows gut und gerne ein Dutzend Kreativpreise oder mehr abräumen. Das ist zweifellos schön für die Agentur, verzerrt aber das Gesamtbild und hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Vor allem bei den Cannes Lions und deren kleiner Schwester Eurobest ist es auffällig, dass die Edelmetall-Trophäen geradezu inflationär an einzelne Kampagnen vergeben werden. So geschehen bei der Pink-Ribbon-Kampagne „Check it, before it’s removed“. Die Social-Kampagne von DDB Germany ist zweifellos eine hervorragende Arbeit. Aber müssen dafür wirklich gleich zwölf Cannes-Löwen beziehungsweise 16 Eurobest-Trophäen den Besitzer wechseln? Hier stimmt die Verhältnismäßigkeit einfach nicht mehr.
Der Veranstalter sollte endlich gegensteuern und dafür sorgen, dass diese per se durchaus renommierten Shows wieder an Wert gewinnen. Das gilt übrigens auch für den deutschen ADC-Wettbewerb, bei dem die Jurys sehr unterschiedliche Maßstäbe in puncto Strenge ansetzen. Das war vielen vor allem nach der diesjährigen Preisverleihung ein Dorn im Auge. Immerhin: Die Cannes Lions haben kürzlich angekündigt, ihre Jurys für 2017 zu verkleinern, um die Diskussionsqualität zu erhöhen. Zudem wird es für einige Kategorien im Vorfeld eigene Shortlist-Jurys geben, um das Gremium vor Ort zu entlasten. Bei den New York Festivals wird das schon seit einigen Jahren so gehandhabt, was tatsächlich zu weniger Edelmetall und damit zu einer Aufwertung der Show geführt hat. Bleibt abzuwarten, wann der deutsche ADC entsprechende Maßnahmen ergreift, um seinen Nägeln neuen Glanz zu verleihen.

These 3: Eine internationale Benchmark konnte nicht gesetzt werden

Voriges Jahr redete die ganze Welt über „Rechts gegen Rechts“. Dieses Jahr haben es die deutschen Kreativen nicht geschafft, eine Arbeit mit vergleichbarer Strahlkraft auf die Straße zu bringen. Zum Vergleich: 2015 erhielt die Aktion im Auftrag der Nazi-Aussteigerorganisation Exit Deutschland 78 Kreativpreise. Der diesjährige Sieger im Ranking der kreativsten Kampagnen, die Pink-Ribbon-Kampagne „Check it, before it’s removed“, bringt es lediglich auf 31 Edelmetalle. Viele werden sich fragen, weshalb Jung von Matt mit ihrem Edeka-Spot „#Heimkommen“ nur auf Rang 2 gelandet ist. Immerhin hat die Agentur damit ein gesellschaftsrelevantes Thema platziert, das in den deutschen Medien allgegenwärtig war. Allein auf Youtube erzielte der Weihnachtsspot mit dem einsamen Opa mehr als 52 Millionen Klicks. Hinzu kommen 41 Kreativpreise – aber: Bei internationalen Kreativjurys reichte es in der Königsdisziplin Film eben doch meist „nur“ für Bronze. Grundsätzlich haben die Deutschen vor allem im Bereich Bewegtbild weiterhin Nachholbedarf.

These 4: Die wichtigsten Trends werden vor allem in der Theorie gesetzt

Content Marketing, Branded Entertainment, Creative Data, digitale Innovationen, Programmatic Creativity, Virtual Reality: Diese Kommunikationstrends waren 2016 allgegenwärtig. Zumindest in der Fachpresse und bei einschlägigen Branchenkongressen. Bei den am meisten prämierten Kampagnen des Jahres spiegeln sich diese Meta-Themen bislang kaum wider. Das gilt zumindest für das Gros der deutschen Arbeiten. Sicherlich kann man einen Film wie „#Heimkommen“ wohlwollend auch als Branded Entertainment bezeichnen. Letztlich ist er einfach nur ein sehr guter Werbespot – und das ist keineswegs despektierlich gemeint.

Im Innovationsbereich gibt es immerhin ein Projekt, das international für Beachtung gesorgt hat: Serviceplan konnte mit „The First Braille Smartwatch“ ein Ausrufezeichen setzen. Die Agentur ist allerdings „nur“ an dem koreanischen Start-up beteiligt, das die Uhr entwickelt hat. Serviceplan selbst kümmert sich um Design, Branding und Marketing des Produkts, das Anfang 2017 verfügbar sein soll. Davon abgesehen, ist der praktische Umgang mit Trend- und Innovationsthemen eher zurückhaltend. Theoretisch können alle mitreden, in der Praxis ist bislang wenig Wegweisendes passiert. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass bestehende Kunden erst mal davon überzeugt werden müssen, gänzlich neue Wege in der Kommunikation zu gehen. So gesehen war es clever von Serviceplan, sich direkt bei einem Start-up einzukaufen und nun an dessen Erfolg zu partizipieren.

Fazit: Warum die Besten nicht immer die Beliebtesten sind

Serviceplan gegen Jung von Matt: Es war das Finale zweier Giganten, das Deutschlands größte inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan am Ende für sich entscheiden konnte – mit nur acht Punkten Vorsprung. Das entspricht gerade mal einer Bronzemedaille beim Clio oder Eurobest. Letztlich ist es aber fast egal, wer dieses Duell gewonnen hat, denn keiner dieser beiden Agenturen fliegen die Herzen so zu wie dem Vorjahressieger Grabarz & Partner. Der hatte im Gegensatz zu Serviceplan und Jung von Matt schlichtweg den Underdog-Bonus.

Die beiden Großen hingegen polarisieren: Einerseits saugt die Branche gierig alle News rund um diese Agenturen auf, andererseits geraten sie regelmäßig aus unterschiedlichen Gründen ins Kreuzfeuer der Kritik. Und das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit: Beide sind Kämpfer, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Serviceplan, die stets Strebsame, kämpft seit Jahren gegen den Ruf an, im Tagesgeschäft langweilig und generell nicht so lässig zu sein wie einige Wettbewerber. Jung von Matt, die stets Unzufriedene, wird angetrieben von dem Wunsch, sich als ewige Nummer 1 in Sachen Kreativität ein Denkmal zu setzen. Beide sind ihren Zielen dieses Jahr ein Stückchen näher gekommen: Serviceplan mit dem Gesamtsieg und mehr als 20 unterschiedlichen Kampagnen, darunter auch Tagesgeschäft wie die Strellson-Kampagne; JvM mit der insgesamt größten kreativen Bandbreite und dem wohl populärsten Werbespot der vergangenen Jahre: „#Heimkommen“ für Edeka. bu
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