"Juhu, Konkurrenz!"

C3-Geschäftsführer sehen "völlig neue Umsatzdimensionen" für Content Marketing

Gregor Vogelsang (re.) und Lukas Kircher
C3
Gregor Vogelsang (re.) und Lukas Kircher
Das ist mal ein Konter: Die Content-Marketing-Agentur C3, die vor wenigen Wochen die Marktführerschaft an Territory abgeben musste, präsentiert ein Feuerwerk an Good News.
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Meldung 1: Mit Etatgewinnen in Höhe von 10 Millionen Euro in den ersten vier Monaten verzeichnet C3 im Neugeschäft einen „historischen“  Rekordwert. Insgesamt dürfte der Umsatz 2016 von 100 auf 120 Millionen Euro steigen.


Meldung 2: C3 treibt die Auslandexpansion voran und übernimmt eine 50-Mann-Agentur in Slowenien. Der Neukunde Skoda soll von Prag aus betreut werden.

Und schließlich gibt es, drittens, auf der Personalseite zwei Neuzugänge: An-Fu Ruess kommt von Jung von Matt/Elbe zu C3 nach München. Zweiter Neuzugang ist Joerg Jahn, bisher Creative Director von Serviceplan Berlin. Aktuell sucht die Agentur 55 weitere Mitarbeiter. 
Und was ist jetzt mit dem neuen Konkurrenten Territory aus dem Hause Gruner + Jahr, der es aus dem Stand auf 130 Millionen Euro Umsatz bringt? Die C3-Geschäftsführer Lukas Kircher und Gregor Vogelsang geben sich gelassen - der neue Wettbewerber sei doch ein schöner Ansporn, „noch besser zu werden und an unserem europäischen Content-Marketing-Champion weiterzubauen.“ In einer internen Mail an die Mitarbeiter hieß es freudig: „Juhu, Konkurrenz!“

Kircher und Vogelsang erklären im Interview mit HORIZONT Online auch ihre Vorstellung von einer Agentur neuen Zuschnitts - und warum das Marketing insgesamt ein „neues Betriebssystem“ braucht.

Wer ist der Schönste, Beste, Größte im Content-Marketing-Land? Da auch Media-, Digital-, PR- und vor allem Werbeagenturen in der ersten Reihe mitspielen wollen, ist der nächste Big Deal wohl nur eine Frage der Zeit.

Herr Kircher, wie fühlt man sich, wenn einem plötzlich die Marktführerschaft weggenommen wird? Haben Sie den Schock schon überwunden? 

Kircher: Welchen Schock? Ich habe an dem Tag, als Territory an den Markt ging, eine interne Mail rumgeschickt: „Juhu, Konkurrenz!“ Wir haben in den vergangenen zwei Jahren aus Burda Creative und Kircher Burkhardt eine integrierte Agentur aufgebaut, das war richtig viel Arbeit. Territory hat das noch vor sich. Aber trotzdem: Ich ziehe meinen Hut, das war ein kluger Schachzug von Gruner + Jahr, der auch der gesamten Industrie guttut. Wir können die Idee schon deswegen nicht schlecht finden, weil wir dieselbe vor zwei Jahren ja auch schon hatten. Für den Markt und unsere Strategie ist das eine Bestätigung, und darüber freuen wir uns natürlich alle hier.

Wir hatten jetzt eigentlich ein paar deutlich gemeinere Seitenhiebe auf Territory erwartet.

Vogelsang: Man wird nicht dadurch größer, indem man andere kleiner macht. Wir fühlen uns jetzt eher angespornt, noch besser zu werden und an unserem europäischen Content Marketing- Champion weiterzubauen.

Man wird nicht dadurch größer, indem man andere kleiner macht.
Gregor Vogelsang
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Gregor Vogelsang
Wie laufen denn die aktuellen Geschäfte? Wird Content Marketing wirklich so ein großes Ding, wie jetzt offensichtlich auch Bertelsmann glaubt, oder ist das große Momentum schon wieder vorbei? 

Kircher: Im Gegenteil. Wir haben gerade den mit Abstand erfolgreichsten Frühling unserer Geschichte hinter uns. 

Was in Zahlen was bedeutet? 

Kircher: 10 Millionen Euro Neugeschäft. Und wohlgemerkt: Wir sprechen hier ausschließlich von reinen Honorarumsätzen. 

Im Gegensatz zu Territory, wollen Sie sagen, in deren Umsätzen auch Druck- und klassische Verlagserlöse enthalten sind. 

Vogelsang: Wie auch immer, wir haben in den vergangenen vier Monaten Neugeschäft in Höhe von 10 Millionen Euro gewonnen, bei weiteren 5 Millionen Euro fehlt nur noch die finale Unterschrift. Wir sind beispielsweise die neue globale Content-Marketing-Leadagentur von Skoda. Hinzu kommen Aufträge von Kunden aus den Bereichen Telekommunikation, Finance und Elektronik, die  im Dax 30 gelistet sind. Es sind jetzt vor allem die großen Blue Chips, die Content Marketing als Querschnittsaufgabe entdecken. Das sind völlig neue Umsatzdimensionen. 

Wie stark wächst C3 bei der Mitarbeiterzahl? 

Kircher: Aktuell suchen wir über 55 qualifizierte Mitarbeiter allein in Deutschland. Davon entfallen jeweils etwa ein Viertel auf die Bereiche Journalismus, Kreation, Developer und Campaigning/Performance. Mit diesen Spezialisten könnte man alleine schon eine richtig schöne mittelgroße Content-Marketing-Agentur bauen. 

Sie haben Anfang des Jahres mit der Übernahme der Agentur Seven, die für einen Umsatz von 33 Millionen Euro steht, für gehörig Schlagzeilen gesorgt. Wie geht es in London voran? 

Vogelsang: Sehr gut. Wir haben bereits gemeinsam erste große Kunden gewonnen. Unser Kalkül, dass große Marken sich zunächst in London einen Brückenkopf suchen, wenn sie den europäischen Markt bearbeiten wollen, ist aufgegangen. 

Gibt es weitere News in Sachen Internationalisierung zu vermelden? 

Vogelsang: Wir haben soeben mit der führenden lateinamerikanischen Content-Marketing Agentur EME in Montevideo eine umfangreiche Kooperation beschlossen, wir sind mit dem US-Marktführer Meredith Xcelerated Marketing MXM im sehr regen Austausch. Wir wollen auch in Europa weiter wachsen. Nach England sind Benelux und Skandinavien die wichtigsten Wachstumsmärkte. Last but not least bauen wir unser Osteuropageschäft von Slowenien aus auf. Dort werden wir eine führende Content Marketing Agentur mit 50 Mitarbeitern übernehmen, die bereits international ausgerichtet ist. In Prag haben wir ein neues Büro eröffnet und starten mit sechs Mitarbeitern. Prag ist der Hub, von dem aus wir auch unseren neuen Kunden Skoda betreuen werden.

Das Marketing braucht ein neues Betriebssystem mit einem radikal kundenzentrierten Verständnis.
Lukas Kircher
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Lukas Kircher
Auch wenn das Geschäft offensichtlich gerade brummt, auf zwei zentrale Fragen hat das Content Marketing noch keine richtige Antwort gefunden: Kreation und Media. 

Kircher: Es gibt schon noch ein paar andere Herausforderungen, aber es stimmt: Kreation und Media zählen neben technologischen Fragen zu den zentralen Baustellen unserer Industrie. Unsere Überzeugung ist: Echtzeitkommunikation funktioniert nur, wenn Content Marketing, Campaigning und Media zusammengebracht werden. Das Marketing braucht ein neues Betriebssystem mit einem radikal kundenzentrierten Verständnis. Entsprechend werden wir unsere Agentur weiter ausbauen. 

Die Theorie von Territory lautet, dass es einen integrierten Ansatz für klassische Werbung und Content Marketing braucht. Ist die Zeit reif für eine weitgehende Allianz mit einer großen Werbeagentur? 

Kircher: Nein, wir haben uns von Anfang an für einen eigenen integrierten Ansatz entschieden. Unser Anspruch ist, crossmediale Kampagnenentwicklung anzubieten, auch weil die Kunden das verstärkt bei uns nachfragen und es strategisch Sinn macht. Wir gehen da sehr weit in das Feld Campaigning – die grandiosen 30-Sekunden-Spots überlassen wir aber weiterhin Jean-Remy von Matt, den ich sehr schätze.

Trotzdem: Wenn Sie Kampagnen kreieren wollen, brauchen Sie auch klassische Kreative. Und die haben Sie nicht. 

Kircher: Wir haben schon Mitarbeiter, die sehr viel von Campaigning verstehen, keine Sorge. Aber Sie haben recht: Das reicht noch nicht. Deshalb verstärken wir uns jetzt auch in diesem Bereich. Anfang Juli kommt An-Fu Ruess zu C3 nach München. Sie war zuletzt Client Service Director bei Jung von Matt/ Elbe. Darüber hinaus kommt von Serviceplan Berlin der Creative Director Joerg Jahn zu uns. Viele Kreative merken, dass Content Marketing ein sehr spannendes Arbeitsfeld sein kann.

Das zweite Thema ist Media. Auch hier stellt sich die Frage: Braucht man als Content-Marketing-Agentur nicht eine starke Media-Unit, damit die ganzen Inhalte auch effizient distribuiert werden?

Kircher: Media ist zweifellos enorm wichtig, damit Content-Marketing-Projekte erfolgreich sind. Wir arbeiten mit Media-Networks zusammen, aber auch mit Agenturen neuen Zuschnitts wie Outbrain. Gleichzeitig bauen wir massiv unsere eigenen Ressourcen in diesem Bereich auf. Unser Fokus liegt auf taktischer Media und Performance. Über all diesen Maßnahmen steht unsere Idee von einem neuen, hybriden Agenturtyp. Das Marketing bewegt sich insgesamt in Richtung Always-On und Personalisierung. Dafür benötigt man  ein neues Betriebssystem der Kommunikation. Marketing braucht ein radikal kundenzentriertes Verständnis für die Programmierung der Kommunikationsstrategie von Marken und Prozessen. 

Worauf kommt es bei diesem neuen Betriebssystem an? 

Kircher: Die Kunst besteht darin, die kurzfristige Taktung, die Sie im Content Marketing unbedingt brauchen, zusammenzubringen mit einer langfristigen strategischen Ausrichtung. Für die Aufstellung einer Agentur bedeutet das, dass wir mit unseren Teams vor Ort tief in die Prozesse eines Unternehmens eingebunden sein müssen, um in Echtzeit rund um die Uhr Content und kreative Ideen zu entwickeln. Diese hybride Agentur  wird in diesem Modell zu einer Art Basis-Station, die als Think Tank für Mitarbeiter und Kunden Strategien und Innovationen entwickelt. Man kann als Agentur dem Kunden heute nicht mehr sagen, verändert euch, reißt die Silos ein, werdet schneller und seid disruptiv - und dann selbst nur alle drei  Wochen mit ein paar neuen Charts vorbeischauen. Wir müssen als Agentur schon auch selbst disruptiv sein.

Wen sehen Sie eigentlich als Hauptwettbewerber? Die großen Werbeagenturen? 

Vogelsang: Es ist ja kein Zufall, dass wir Anfang des Jahres von dieser Seite heftig attackiert worden sind. Ganz klar: Überall dort, wo Branding auf Performance trifft, stehen wir im Wettbewerb mit Werbeagenturen. Und dieser Wettbewerb wird weiter zunehmen in dem Maße, wie die Unternehmen verstehen, dass Content Marketing für eine große und radikale Veränderung in der Kommunikation insgesamt steht. Die Marketingbudgets werden neu verteilt - und das eröffnet uns großartige Wachstumschancen. js

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