Die neue GPRA-Präsidentin Christiane Schulz schlägt Alarm: „Professionelle Kommunikation droht in Deutschland an Wert zu verlieren.“ Es geht um Fake News, ganz zentral aber auch um Influencer Marketing. Es gebe inzwischen eine ganze Reihe von Media- und Spezialagenturen, die es „mit den Standards, wie sie in der PR üblich sind, nicht so genau nehmen. Beide sind gerade dabei, ein an sich sehr wertvolles Instrument der Kommunikation zu entwerten. Das halte ich für grob fahrlässig.“
Frau Schulz, Sie haben als neue GPRA-Präsidentin das Thema „Werthaltigkeit von Kommunikation“ ganz oben auf die Agenda gesetzt. Warum, was ist los? Professionelle Kommunikation droht in Deutschland an Wert zu verlieren. Das ist nicht nur ein Problem für Agenturen, sondern auch für unsere Kunden, die Unternehmen. In unserer Branche geht es vor allem um Glaubwürdigkeit - und die ist ein fragiles Gut. Deren Wert dürfen wir uns nicht kaputt machen lassen.
Woher kommt Ihre Sorge? Ich sehe drei zentrale Einflussfaktoren. Punkt 1 sind neue Player, die sich auf Trendthemen wie Influencer Marketing setzen und dabei in einer Art Goldgräberstimmung zu oft gegen professionelle Standards verstoßen. Die beiden anderen Punkte sind Fake News und der Umstand, dass Kommunikation immer häufiger wie Schrauben eingekauft wird. Letzteres gefährdet die Qualität von professioneller Kommunikation insgesamt.
Lassen Sie uns über Influencer Marketing sprechen. Was läuft da schief? Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Beispielen, wo es Media- und sogenannte Spezialagenturen mit den Standards, wie sie in der PR üblich sind, nicht so genau nehmen. Beide sind gerade dabei, ein an sich sehr wertvolles Instrument der Kommunikation zu entwerten. Das halte ich für grob fahrlässig.
Das ist ein harter Vorwurf: Spezial- und Mediaagenturen machen Influencer Marketing kaputt. Influencer Marketing hat eine lange Tradition und ist ein Teilbereich der Disziplin Stakeholder-Management. Und dafür gibt es in der PR sehr klare Richtlinien. Wenn jemand für ein Unternehmen spricht und auf irgendeine Weise dafür bezahlt wird, muss das deutlich gemacht werden. Es geht hier vor allem um Transparenz. Ist die nicht gegeben, wird der Konsument getäuscht.
Influencer Marketing ist kein skalierbares Geschäft wie Media, sondern lebt von Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit.
Christiane Schulz
Influencer Marketing und Stakeholder-Management sind aber doch zwei sehr unterschiedliche Dinge. Finde ich nicht. Als PR-Agenturen haben wir aber sicherlich strengere Kriterien. Nicht jeder, der heute Influencer genannt wird, hat auch tatsächlich Einfluss. Nur weil jemand einen bestimmten Media-Value hat, bedeutet das noch lange nicht, dass er für ein Unternehmen auch etwas bewirken kann. Wenn Mediaagenturen jetzt versuchen, Influencer Marketing wie Werbung einzukaufen und das Geschäft zu skalieren, ist das eine sehr bedenkliche Entwicklung. Influencer Marketing ist kein skalierbares Geschäft wie Media, sondern lebt von Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit. Deshalb muss man sich schon die Mühe machen, sehr genau zu schauen, wer wirklich zu meiner Marke passt und was er kommuniziert. Aber eine solche Herangehensweise ist natürlich mit Arbeit verbunden.
Kann es sein, dass PR-Agenturen einfach Angst davor haben, im boomenden Geschäftsfeld Influencer Marketing von anderen Disziplinen abgehängt zu werden? Überhaupt nicht. Wie gesagt: Stakeholder Management ist für PR-Agenturen immer schon ein zentrales Geschäftsfeld. Dass die neuen Player mehr „klappern“ müssen, um wahrgenommen zu werden, gehört zum Geschäft - und die Medien springen ja auch dankbar auf. Durch die Digitalisierung hat dieser Bereich sicher noch mal deutlich an Fahrt aufgenommen.
Und genau diese Entwicklung haben PR-Agenturen teilweise verschlafen. Wie kommen Sie denn darauf? PR-Agenturen haben als Erste mit Bloggern zusammengearbeitet, das Gleiche gilt auch für Instagramer und Youtuber. Unser Problem ist doch nicht, dass neue Wettbewerber auf der Bühne erscheinen und ihren Teil vom Kuchen abhaben wollen. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen – Wettbewerb belebt das Geschäft. Mein Punkt ist, dass sich alle an Qualitäts-Standards halten müssen, um Verbrauchertäuschung zu verhindern. Passiert das nicht, wird Influencer Marketing kaputt gemacht.
Wirklich bedenklich ist, dass Sie mit Fake News heute oft mehr Wirkung erzielen als mit korrekten Nachrichten.
Christiane Schulz
Kommen wir zu Ihrem zweiten Punkt: Fake News. Fake News sind inzwischen ein so großes Problem, dass alle Marktteilnehmer zusammen dagegen angehen müssen: Kommunikationsagenturen, Mediaagenturen, Plattform-Betreiber, Publisher, Technologieunternehmen, die Unternehmen selbst und natürlich auch die Politik. Wirklich bedenklich ist, dass Sie mit Fake News heute oft mehr Wirkung erzielen als mit korrekten Nachrichten. Uns allen muss daran gelegen sein, Qualitätsjournalismus und Glaubwürdigkeit zu fördern. Das ist nicht nur eminent wichtig für unsere Branche, sondern für eine liberale und freiheitliche Gesellschaft insgesamt.
Was ist zu tun? Der Kampf gegen Fake News hat viele Facetten. Ein Thema, das mir immer viel zu kurz kommt, ist Bildung. Wir müssen viel mehr dafür tun, in Schulen und der Erwachsenenbildung ein Verständnis dafür zu schaffen, wie digitale Kommunikation funktioniert.
Bildung ist nie schlecht, aber irgendwie machen Sie es Facebook ganz schön leicht, wenn Sie alle gleichermaßen in die Pflicht nehmen. Sinnvoller wäre es doch, wenn nicht nur die Politik, sondern auch die Kommunikationsbranche endlich den Druck auf Facebook erhöht. Natürlich steht auch Facebook in der Pflicht, gar keine Frage, aber alleine werden sie das Problem nicht lösen können. Außerdem lassen sich Fake News ja nicht nur über Facebook, Google und Twitter verbreiten. Es gibt keine einfache Lösung. Worum es im Kern für mich geht, ist Aufklärung und eine klare gemeinsame Haltung gegen Fake News.
Haben Sie einen konkreten Plan, was passieren muss? Ich plädiere für eine engere Zusammenarbeit der Verbände. Ich habe die aktuellen Entwicklungen beschrieben, die aus meiner Sicht eine Gefahr für die Werthaltigkeit von Kommunikation darstellen. Das betrifft uns alle in der Kommunikationsbranche. Daher gilt es, die Kräfte zu bündeln und aktiv zu werden.
Und der GPRA geht dabei voran? Wir haben eine sehr lange Tradition, was Kodizes für eine nachhaltige und professionelle Kommunikation betrifft, das geht zurück bis in die 60er Jahre. Ich glaube, das ist eine sehr gute Basis, um sich über die Disziplinen hinweg darüber zu verständigen, welche Standards wir in der Kommunikationsbranche benötigen. Das wäre eine Diskussion, auf die ich mich sehr freue.
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