"Vieles was schief läuft, haben wir uns selbst zuzuschreiben"
"Das Businessmodel von Kommunikations-Dienstleistern hat ein Problem. Als Industrie tun wir mehr und mehr für immer weniger und weniger Geld. Die Timings werden immer kürzer. Und mit der vollen Entfaltung von Social Web und Real-Time-Marketing müssen wir immer neue Wege finden, um in der digitalen Infrastruktur auch unsere Audienz zu finden, ohne wirklich dafür entlohnt zu werden.
Medienkongress 2014
Der diesjährige
Deutsche Medienkongress in der Alten Oper in Frankfurt steht unter dem Motto "Data. Content. Business - Die neuen Gesetze der Marketing- und Medienindustrie". Auf dem legendären Jahresauftakt treffen sich Top-Entscheider aus Medien, Unternehmen und Agenturen. Höhepunkt ist am Abend des ersten Kongresstages die Verleihung des HORIZONT Award "Männer und Frauen des Jahres 2013". Alle Informationen zum Kongress gibt es auch im
Online-Special von HORIZONT.NET.
Wenn unsere Auftraggeber neue Ideen brauchen, rufen sie zu einem Pitch. Und sehr oft verkaufen wir unsere innovativsten und besten Ideen umsonst. Manche Kunden sehen das Produkt von Agenturen als eine normale Ware, die sie sofort bekommen können und zwar zu immer niedrigeren Preisen. Aber wir sollten nicht die Marketer und ihre Einkaufsabteilungen für unsere Misere haftbar machen.
Vieles was in unserer Industrie schief läuft, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Wir nehmen gerne an jedem möglichen Pitch teil und machen immer mehr für immer weniger Honorar um zu bestehen. Wir geben all die nachweislich effizienten Lösungen und erfolgreichen Konzepte unseren Auftraggebern, lassen uns aber nur für die Stunden bezahlen, die wir brauchen um eine wie auch immer geartete Werbeidee zu entwickeln.
Die gute Nachricht ist, dass es eigentlich ziemlich einfach ist, dieses destruktive Businessmodel neu zu definieren. Es gibt genau drei Dinge, die wir als Industrie tun müssten um nicht nur ein faires sondern auch zukunftsfähiges Businessmodel für Agenturen zu haben:
1. Erkennen, dass wir nicht in der Werbeindustrie sind Die Wahrheit ist, dass unsere jetzige aber auch unsere zukünftige Konkurrenz nicht aus der Kommunikationsecke kommt sondern von den Unternehmensberatern wie McKinsey und Technologie-Konzernen wie Google. In dieser Industrie geht es weniger um das Entwickeln von Werbeideen sondern um das Kreieren von Relevanz für all die Produkte, Dienstleistungen und Marken unserer Kunden. Ohne einen emotionalen und rationalen Wert gibt es auch keine Konsumenten und ohne Konsumenten gibt es keine Verkäufe, Marktanteile und keinen wirtschaftlichen Erfolg für Unternehmen. Es ist Relevanz und nicht eine Werbeidee, die unseren Kunden hilft erfolgreich zu sein. Relevanz kann man messen und nachweisen. Relevanz ist der mit Abstand wichtigste Wert, den wir entwickeln können. Ein sehr gutes Beispiel ist der Nike Fuelband. Ein Fitnessprodukt basierend auf mobiler Technologie und Bewegung. Es schafft einen Wert im Leben der Verbraucher und es ist mehr als relevant für die Kategorie. Wir sind Kommunikationsberater und haben die nötige Erfahrung, das nötige Knowhow und das Talent, um unsere Kunden im Sinne der Marken und ihrer Relevanz zu beraten, wo andere Berater scheitern.
2. Kreativität neu definieren Kreativität bedeutet nicht, die aufregendste oder am ungewöhnlichsten umgesetzte Werbeidee zu haben. Kreativität bedeutet, dass man die intelligentesten und die effektivsten Lösungen für ein bestehendes Marketing- oder Business-Problem seiner Kunden entwickeln kann. Wenn wir es in einer innovativen Weise tun, generieren wir Konsumenten, Verkäufe, und Marktanteile für unsere Auftraggeber. Wenn wir uns auf diese Definition von Kreativität fokussieren würden und das unsere einzige Mission und Daseinsberechtigung wäre, dann würden wir ein anderes kreatives Produkt entwickeln.
Zum Beispiel Wieden + Kennedy: Sie definieren eine moderne Agentur anders und haben letztes Jahr "W & K Garage" aus der Taufe gehoben. Ein Venture and Incubator, der sich hauptsächlich auf innovative Produkte, Dienstleistungen, Content und Technologie fokussiert. Wenn wir so denken und handeln würden, würden wir einen anderen Prozess, eine andere Struktur, andere Talente aber auch andere Wege finden wie wir bezahlt werden: nach der Anzahl der neuen Verbraucher die wir für unsere Kunden gewinnen, die Veränderung der Verkäufe oder durch den Gewinn von Marktanteilen. Dimensionen, die den eigentlichen Wert darstellen, die wir im Stande sind zu entwickeln und zu kreieren.
3. Die Jahrhundert-Chance ergreifen: Data Intelligence Alle reden von Data. Aber das Problem ist, dass bei Data immer die Rede von Volumen, Vielfalt und Geschwindigkeit ist. Das Wichtigste bei Data aber sind Insights und der Wert, den man daraus generieren kann. Unsere Auftraggeber brauchen Partner, die im Stande sind, die unterschiedlichen exsitierenden Datentypen so miteinander zu verknüpfen, dass man daraus wahre und relevante Insights generieren kann. Social Web und alle Arten von Search bieten eine unerschöpfliche Menge an relevanten Trends, die in Echtzeit und im echten Leben passieren. Zum Beispiel hat McDonald's in Australien in Partnerschaft mit DDB eine App für Mobile Devices eingeführt. Diese Anwendung bietet jedem Verbraucher die Möglichkeit, Herkunft und Qualität aller Zutaten der jeweiligen Produkte, die sie konsumieren, zu eruieren. Das geschieht mit Hilfe von GPS, Image-Recognition, Tag, Uhrzeit und den kompletten Daten der McDonald's Lieferkette. Das schafft Transparenz, einen ganz anderen Wert und Relevanz, wenn es um die Qualität Ihres Menüs bei McDonald's geht.
Aber egal was die Zukunft auch bringt, Agenturen werden nur durch Kreativität und Insights erfolgreich sein. Aber es wird unausweichlich, dass sie sich genau so der veränderten Technologie und Data Intelligence verschreiben, um in diesem Dreiklang Marketing- und Business-Probleme lösen zu können."
Amir Kassaei Kassaeis Keynote zum Thema "Die Rolle der Kreativen im Umbruch" findet am ersten Kongresstag (Dienstag, 14. Januar) um 11.10 Uhr statt. Im Anschluss ab 11.40 Uhr diskutiert der CCO von DDB Worldwide seine Thesen unter der Leitfrage "Zeitenwechsel - Müssen sich die Kreativagenturen neu erfinden?" mit den deutschen Agenturchefs Florian Haller (Serviceplan), Wolf Ingomar Faecks (Sapient Nitro), Stephan Vogel (Ogilvy & Mather) und Christian Rätsch (Saatchi & Saatchi). Moderiert wird die Podiumsdiskussion von HORIZONT-Chefredakteur Volker Schütz.