Lukas Kircher, Gregor Vogelsang, Georgine Anton, Dan Rubin und Rainer Burkhardt
Das ist der nächste Big Bang im Content Marketing: C3 verbrüdert sich mit dem US-Marktführer MXM und beschleunigt so noch einmal seinen Internationalisierungskurs. Eine Fusion ist noch nicht geplant, Unternehmenskenner rechnen allerdings damit, dass das nur eine Frage der Zeit ist.
Zur Tragweite des Deals sagt C3-Geschäftsführer Gregor Vogelsang: "Das ist viel mehr als nur eine lose Allianz. Wir formieren ein gemeinsames Board, das unsere Aktivitäten weltweit in allen Märkten steuern wird. In diesem Board werden wuchtige Entscheidungen getroffen, es geht um gemeinsame Offerings und die Entwicklung gemeinsamer Kunden." HORIZONT Online sprach mit Vogelsang und seinen beiden Geschäftsführer-Kollegen Lukas Kircher und Rainer Burkhardt.
Sie verbünden sich mit MXM, was steckt genau dahinter?
Burkhardt: Wir schmieden mit MXM ein globales Content Marketing Network. Zusammen kommen wir auf einen Umsatz von 240 Millionen Dollar und betreuen über 200 Marken in den Kategorien Food, Automotive, Retail, Financial Services, FMCG und B2B. Das ist ein großer Schritt in unserer Internationalisierungsstrategie. Unser Ziel ist, Content Marketing weltweit auszuspielen.
Wir sprechen hier aber nicht über eine Fusion - sondern über was genau? Eine Kooperation, eine Allianz?
Vogelsang: Das ist viel mehr als nur eine lose Allianz. Wir formieren ein gemeinsames Board, das unsere Aktivitäten weltweit in allen Märkten steuern wird. In diesem Board werden wuchtige Entscheidungen getroffen, es geht um gemeinsame Offerings und die Entwicklung gemeinsamer Kunden. Außerdem investieren wir in ein neues Marketing & Innovation Lab in New York, an dem beide Unternehmen gesellschaftsrechtlich beteiligt sind.
Sie setzen voll auf die Karte Internationalisierung. Fragt sich, ob der Markt das tatsächlich schon braucht.
Kircher: Die These, dass unser Geschäft zunehmend global wird, vertreten wir ja schon länger. In den USA passiert gerade das, was wir in Ansätzen jetzt auch in Deutschland erleben: Ohne „international footprint“ läuft man als CM-Agentur Gefahr, bei den wirklich großen Etats nicht zum Zug zu kommen. Im Grunde sind es zwei Dinge, auf die es ankommt. Erstens: Ein integriertes Agenturmodell, das alle wichtigen Content-Disziplinen abdeckt - das geht von Strategie und Content-Produktion bis zu skalierbaren Services wie Kreation, Media, Technologie, Social Media et cetera. Und das alles, Punkt 2, eben weltweit. Mit MXM haben wir jetzt einen Partner, der ähnlich denkt und aufgestellt ist wie C3. Das ist ein perfekter Fit.
Vogelsang: Es genügt nicht, eine Website oder ein Magazin in 27 Sprachen auszuliefern, das hat mit Internationalisierung nichts zu tun. Wir haben keine Übersetzungsbüros, sondern weltweit Agenturen, die in ihren Märkten in their own right Kunden akquirieren, die später möglicherweise zu Netzwerk-Kunden werden.
Kircher: Wenn ich bei Content Marketing im Dauer-Publishing-Modus denke, habe ich im Grunde drei Klassen von Content: Globalen Content, der überall gültig ist, adaptiven Content und schließlich lokalen Content. Um Synergien zu heben, müssen Sie in der Lage sein, dieses Content-Programm zentral zu managen - also genau so, wie die großen Marketing-Kampagnen von internationalen Werbe-Networks gesteuert werden.
MXM ist nach der Übernahme der britischen Agentur Seven der zweite große Deal auf internationaler Ebene. Wie läuft die Zusammenarbeit mit Seven aktuell?
Burkhardt: Wir arbeiten bei sechs oder sieben Klienten mittlerweile wirklich integriert zusammen und bauen bestehende Etats auf europäischer Ebene aus. In den nächsten Wochen wird ein großer Neukunde dazukommen, den wir gemeinsam betreuen. Unsere Strategie geht also auf.
Kircher: Das Schöne ist, wie wir uns in unseren Stärken ergänzen. Irgendwie sind die Briten im Campaigning viel schneller als wir Deutschen. Seven ist inzwischen so etwas wie unser Social-Media-Outpost. Unsere englischen Kollegen haben gerade für BBC Four eine Influencer-Kampagne mit Keith Richards gestartet - so etwas macht einfach riesigen Spaß.
C3 baut eine Disziplin nach der nächsten auf und expandiert international - wird das ganze Konstrukt nicht langsam zu kompliziert und unübersichtlich?
Vogelsang: Wir sind ja seit der Gründung von C3 in entsprechenden Lernschritten vorangegangen, das entwickelt sich alles organisch. Und so kompliziert ist das auch gar nicht, man darf nur nicht den Fehler machen, plötzlich komplizierte Matrix-Strukturen einzuziehen. Im operativen Geschäft entstehen immer sehr schnell die richtigen Teams, das ist, als würde man einen Magneten in ein Metallsplitter-Feld werfen. Die Leute vernetzen sich - da müssen Sie nicht jedes Maschinenrädchen mühsam selbst zentral drehen.
Kircher: Es gibt solche Networks und solche Networks. Die klassischen Networks sind wie Banken aufgebaut, da haben Sie jede Menge Profit Center, die alle ihre 15 Prozent Rendite abliefern müssen. Wir glauben hier eher an ein Network of Friends. Wir glauben daran, dass es einfach möglich sein muss, außergewöhnliche Kommunikation zu machen, ohne dabei zu einem Arsch werden zu müssen.
Der alte KircherBurkhardt-Spirit ist still alive?
Kircher: Ja, total.
Vogelsang: Seven und MXM sind ja auch keine Agenturen, die eine Backbone-Operation brauchen, um zu überleben. Wir sprechen hier von drei Agenturen, die alle in expandierenden Märkten kräftig wachsen. Die aber auch wissen, dass sie Impulse von außen und eine internationale Perspektive brauchen.
Kircher: Nur ein Beispiel: Unsere Kollegen bei MXM haben ein Analytics Consumer Center mit 40 Mitarbeitern. Als ich das vor ein paar Jahren zum ersten Mal gesehen habe, ist mir alles runtergefallen, so sensationell ist das. Das sind einfach Dinge, die uns richtig nach vorne bringen.
Ihr Konkurrent Territory setzt wie Sie auf ein breites Angebotsspektrum. Der Unterschied ist: Territory verbündet sich mit einer klassischen Werbeagentur wie Kolle Rebbe, während Sie vor allem auf die internationale Karte setzen.
Vogelsang: Ich glaube nicht, dass es wirklich Sinn macht, sich mit klassischen Playern zusammenzuschließen. Unsere Logik ist eine andere, wir setzen auf den Zusammenschluss von Playern on the move, von Unternehmen, die wie wir an einem neuen Agenturtyp für contentgetriebene Kommunikation arbeiten. Dazu braucht man sicher auch Media- und Kreationsexperten - aber die kann man sich ja ins Unternehmen holen, das geht auch ohne gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse. Wir wollen ein funktionierendes Geschäftsmodell aufbauen und internationalisieren. Deshalb Seven und MXM, die uns Zugang zu neuen Märkten eröffnen.
Kircher: Eines unser zentralen Argumente für unseren Agenturtyp lautet: Wir sind deshalb so komplex aufgestellt, damit wir die Komplexität beim Kunden reduzieren können. Der will nämlich nicht mit immer mehr Dienstleistern zusammenarbeiten, sondern möglich viele Services aus einer Hand - und das eben in einer globalen Dimension.
Lassen Sie uns noch über die Zukunft des Content Marketing sprechen. Wie massiv entwickelt sich der Markt?
Burkhardt: Der Trend Richtung Content Marketing ist weiterhin massiv. Wobei man ganz klar sagen muss, dass die USA Europa nach wie vor deutlich voraus sind. Aber auch hierzulande entstehen gerade viele neue Etats und Aufgabenbereiche.
Vogelsang: Der Markt wird in den nächsten zwei, drei Jahren weiter massiv wachsen und sich weiter professionalisieren. Content Marketing wird eine etablierte Disziplin im Marketing-Mix, die sich genauso bewähren muss wie alle anderen Disziplinen auch. Das Neue ist, dass die Content-Marketing-Etats jetzt Umsatzgrößen erreichen, bei denen die klassischen Standards greifen. Genau deshalb müssen wir in der Lage sein, globale Strategien und deren Exekutionen zu liefern, so wie man das von klassischen Werbe-Networks kennt.
Kircher: Wir kommen jetzt in eine Phase, in der sich die Content-Strategien bewähren müssen. In den USA ist man da schon sehr viel weiter als bei uns, da wird Content Marketing ganz streng entlang der Frage geführt, „Was funktioniert und was funktioniert nicht?“ – während wir uns in Deutschland zum Teil immer noch mit irgendwelchen absurden Grundsatzdiskussionen aufhalten.
Die Kontroverse Paid versus Owned und Klassik versus Content ist obsolet?
Kircher: Völlig. In den USA geht es in den Diskussionen zum Beispiel darum, in welchem Verhältnis die Budgets für Native-Advertising-Kampagnen und die für Content-Produktion stehen müssen. Also ganz konkrete Fragen.
Wo lauert die größte Gefahr für C3 - darin, dass die großen Werbe-Networks Content Marketing erobern?
Vogelsang: Das sehe ich überhaupt nicht. Was man sich immer wieder vor Augen führen muss: Content Marketing wird nicht getrieben von den Agenturen oder den CMOs, sondern die eigentlichen Treiber sind die Konsumenten und ihre sich verändernden Verhaltensweisen. Darin liegt die eigentliche Kraft und Dynamik von Content Marketing. Wir haben bei C3 drei Sachen zusammengebracht: Die Integration der Leistungen an den Kunden-Schnittstellen, Content-Kompetenz und Internationalisierung. Ehrlich gesagt sehe ich nirgendwo eine Agentur, die das in dieser Form so gut anbieten kann wie wir. Wenn wir doch noch stolpern, dann nur über unsere eigenen Beine, weil das Tempo zu hoch ist. Aber das wird nicht passieren.
js