Ach Mensch

Oliver Sinner - Der Ostsee-Entwickler

Oliver Sinner (Foto: privat)
Oliver Sinner (Foto: privat)
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"Ach Mensch" heißt die Kolumne von HORIZONT.NET, in der die ehemalige HORIZONT-Kollegin Ingeborg Trampe bekannte und unbekannte Persönlichkeiten der Werbeszene jenseits von aktuellen Etat- und Personalmeldungen porträtiert. Diesmal: Oliver Sinner, Mitgründer der Digitalagentur Sinner Schrader sowie leidenschaftlicher Hotelier und Gastronom an der Ostsee.

Kaum eine Stunde entfernt von Hamburg wirkt das Leben wie direkt aus einem Country-Magazin entsprungen. Pferde grasen auf Wiesen, die bis zum Horizont reichen, irgendwo mäht jemand Rasen und die Vögel kriegen sich mit ihrer Ode an einen wunderschönen Sommertag gar nicht wieder ein. Eigentlich könnte die Kulisse aus einem Werbespot stammen. Doch dann kommt der Hausherr des vier Hektar großen ländlichen Anwesens in quietschgrünen Crocs aus dem Haus gestiefelt und man atmet erleichtert auf. Die Realität hat doch ein paar sympathische Brüche. Der Mann in den Crocs ist Oliver Sinner, Mitgründer der Digitalagentur Sinner Schrader und bestens gelaunt. Seit zehn Jahren lebt der 46-jährige Unternehmer mit seiner Familie in der Nähe des Ostseebades Grömitz und das "zutiefst zufrieden".

Wenn man mit dem drahtigen Norddeutschen über sein Leben spricht, kommt man nicht umhin, in Superlativen zu denken. Sinner gehörte mit seinem Geschäftspartner Matthias Schrader in den 90er Jahren zu den Wunderkindern des Internet-Zeitalters, der Börsengang der erfolgreichen Agentur 1999 machte beide reich und unabhängig. Sinner war der jüngste Vorstand eines börsennotierten Unternehmens, mit 31 Unternehmer des Jahres und nach seinem Ausstieg 2002 mit nur 33 Jahren kurzzeitig vermutlich einer der jüngsten Frührentner in Deutschland. "Das war natürlich wie Disneyland damals. Wir haben mit viel Freude und Unternehmergeist den Laden aufgebaut und nie daran gedacht, dass wir reich werden wollten". Auch nach dem Börsengang lebte Sinner noch eine ganze Zeit auf 38 Quadratmetern in Hamburg und bezog ein moderates Gehalt. Doch die Konsequenzen des Börsengangs und die zunehmende Komplexität des Business nagten zunehmend an ihm, genauso wie die langen Arbeitstage. Als seine erste Tochter geboren wurde, zog er den Schlussstrich. Zwar ist er noch heute zweitgrößter Aktionär und stolz auf "das vernünftige Geschäft und die Ethik" der Agenturgruppe, doch sein Alltag könnte nicht entfernter sein von Werbegeldern, E-Commerce-Konzepten und dem unerbittlichen Tempo der Internet-Branche. Nach seinem Ausstieg pendelte Sinner einige Jahre zwischen Hamburg und Mallorca und vertrieb sich seine Zeit mit ein paar Beratungsjobs. Den Anstoß für seine jetzige Unternehmertätigkeit ergab ein Zufall. Ein befreundeter Makler erzählte ihm von einem Gebäude in Grömitz. Sinner, der aus der Gegend stammt, fackelte nicht lange, schaute sich die Immobilie an, kaufte sie und baute sie 2005 zum Hotel Seemöwe um. Das kleine, feine Hotel mit elf Suiten und Doppelzimmern ist liebevoll im maritimen Stil eingerichtet und wird auf persönliche Weise geführt, was ihm immer wieder die hohe Bewertung von neun Punkten etwa auf Booking.com einbringt. Auch wenn Sinner heute nicht mehr an der Rezeption sitzt, schaut er doch regelmäßig hier vorbei, spricht mit dem Personal, löst Probleme und trifft schnelle Entscheidungen.

Mit Leidenschaft gestalten

Oliver Sinner auf seinem Grundstück an der Ostsee (Foto: privat)
Oliver Sinner auf seinem Grundstück an der Ostsee (Foto: privat)
Das muss er auch. Denn seit der Eröffnung der Seemöwe hat sich Sinner voll und ganz der Immobilienbranche verschrieben. Nach dem Hotel eröffnete er in Grömitz 2006 das beliebte Restaurant Steakhus, das Jahr darauf gehörten eine Reihe von Ferienwohnungen sowie das an der Bundestraße 501 gelegene Diner "501 Bar&Grill" mit dazugehörigem Motel schon zu seinem Portfolio. "So viele unternehmerische Projekte habe ich seit Jahren nicht gemacht. So schön man hier lebt, es war einfach zu langweilig. Ich musste was tun", lacht er. Seine größte Freude ist es dabei, sich selbst die jeweiligen Konzepte zu überlegen: "Ich gestalte einfach gern". Heute ist Sinner, den alle im Ort nur einfach Olli nennen, Immobilienentwickler, Architekt und Gastronom in einer Person. Nichts davon hat er gelernt, doch alles, was er anpackt, scheint ihm zu gelingen. Das Steakhus ist auch außerhalb der Saison gut besucht, er selbst geht mit der Familie, seine Frau ist Oberärztin an der Timmendorfer Klinik, dort einmal die Woche essen. Sein neuestes Objekt ist ein Fischrestaurant direkt an der Strandpromenade mit Blick aufs Meer. Noch ist der Bauplatz leer, doch zur Saison 2015 will Oliver Sinner das "Fischhus" eröffnen. Dabei geht ihm schon ein bisschen das Muffensausen, denn zum ersten Mal baut er von Grund auf neu und nicht nur einfach eine vorhandene Immobilie um. Doch bislang hat er einen guten Instinkt bewiesen und alle Projekte sind so erfolgreich, dass er sich sogar den Luxus leistet, seine 25 Angestellten das ganze Jahr hindurch zu beschäftigen, auch wenn die Saison an der Ostsee nur von Mai bis im September geht. Seine Börsengang-Millionen haben ihn unabhängig gemacht, er ist nicht auf die Einnahmen aus seinen Hotels und Restaurants angewiesen und so realisiert er sein Fischrestaurant sogar ohne langwierigen Businessplan. Oliver Sinner vertraut auf seinen Bauch: "Ich konnte schon immer gut, dem Volks aufs Maul schauen und herausfinden, wo es Bedarf gibt". Mit seinem Engagement will er auch zur Renaissance des etwas angestaubten Ostseebads Grömitz beitragen: "Scharbeutz hat es vorgemacht. In den Ostsee-Bädern steckt ganz viel Potential. Der Tourismus hier muss einfach entwickelt werden".

Revival der Ostsee

Noch karren Busse viele Rentner nach Grömitz, das im Sommer bis zu 15.000 Besucher hat. Doch Sinner beobachtet, dass zunehmend jüngere Leute an die Ostsee kommen. Auch einige wohlhabende Hamburger besitzen inzwischen Häuser in der Gegend. "Sie genießen die Unaufgeregtheit hier und haben keine Lust auf das Schickimicki-Sylt", erzählt er. In der Tat gibt es seit ein paar Jahren eine Bewegung - nicht nur an der Ostsee - verschlafene Orte und Inseln am Meer durch bezahlbare Designhotels und vernünftige Gastronomie wachzuküssen. "Den Leuten ist es oft egal, wo sie sind. Hauptsache, sie sind am Meer, in einem schönen Hotel mit gutem Restaurant und Spa", ist sich Oliver Sinner, der auch noch an einer Immobilienfirma in Hamburg beteiligt ist, sicher. Vor diesem Hintergrund denkt er schon über weitere Projekte nach. Dabei verliert er nie die Bodenhaftung. "Ich neige nicht dazu, den Zampano zu spielen, egal wieviel Erfolg ich habe. Ich kaufe auch noch Dübel im Baumarkt selbst", fügt er locker an. Dass er sich diese Portion Normalsein bewahrt hat, mag auch an den vielen unterschiedlichen Erfahrung in seinem Leben liegen. So betreute er während und nach seiner Zivilzeit Drogenabhängige in Hamburg und fuhr eine Weile Lkw. Die Erdung war nachhaltig. Auch deshalb kann er heute gut mit den Leuten vor Ort reden. Bei Sinner menschelt es, dazu steht er und das mag er. Manchmal führt es aber auch dazu, dass er Dinge ein bisschen zu persönlich nimmt. Sollte etwa jemand kritisch über sein Hotel schreiben, setzt er Himmel und Hölle in Bewegung, um herauszufinden, wer das war. Denn er rückt Dinge gerne gerade und will einfach zufriedene Gäste.

Wenn er mal keine neuen Projekte ausheckt, über Ausbauplänen sitzt oder im Baumarkt nach Material schaut, liebt er es, auf dem Wasser zu sein. Mit seinem Sohn und den beiden Töchtern geht er gerne auf dem eigenen Boot segeln oder im Winter auf Kreuzfahrt. An normalen Tagen fällt er allerdings oft um 21 Uhr müde ins Bett, während draußen die Vögel ihre Runden über die Wiesen drehen. Auch ein Erfolgsmensch wie Oliver Sinner hat eben ganz irdische Bedürfnisse. Irgendwie beruhigend.

Die Autorin

Ingeborg Trampe ist noch immer Journalistin im Herzen, auch wenn sie nach Stationen bei HORIZONT, Y&R, Neue Sentimental Film und BBDO heute überwiegend als PR-Beraterin für mittelständische Unternehmen in Hamburg arbeitet. Zum Leidwesen mancher Mitmenschen mag sie französische Dialogfilme, singt Jazz und Chansons und schwimmt viel und intensiv, um den Kopf freizukriegen. Ihr Lieblingslogo ist das vom Kaffee Wacker in Frankfurt, wo es den besten Espresso in Deutschland gibt.
www.trampe-communication.de


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