Michael Schipper
"Ach Mensch" heißt eine neue Kolumne von HORIZONT.NET, in der die ehemalige HORIZONT-Kollegin Ingeborg Trampe künftig bekannte und unbekannte Persönlichkeiten der Werbeszene jenseits von aktuellen Etat- und Personalmeldungen porträtiert. Diesmal: Michael Schipper, Gründer und Inhaber der Agentur Schipper Company.
Der Menschenfänger
Wenn man Michael Schipper ansieht, sind zwei Dinge verblüffend. Man blickt in gletscherblaue Augen, wie sie ein Werbefoto nicht besser produzieren könnte, nur dass hier alles Natur ist. Und man spürt, dass er einen ganz genau anguckt. Schipper ist keiner, der wuselig nebenbei noch etwas anderes macht, wenn er mit Menschen spricht. Oder zwischendurch ständig aufs Smartphone linst. Oder bei längeren Gesprächen innerlich wegdriftet und dann durch einen hindurch schaut. Er guckt sein Gegenüber wirklich an. Der langjährige BBDO-Proximity-COO, der Anfang 2013 seine Agentur Schipper Company mit 55 Mitarbeitern an zwei Standorten startete, mag einfach Menschen. Und das spürt jeder, der mit ihm zu tun hat. Michael Schipper ist nah. Das zeichnet ihn aus und hat vielleicht auch seinen Gründungskunden DM um Götz Werner maßgeblich mitüberzeugt, ihm den Kommunikationsetat der Drogeriemarktkette anzuvertrauen. Denn nah sein können nur wenige. "Ich bin sensibilisiert im Umgang mit Menschen. Das ist wie ein Muskel, den man trainiert. Ich kann viel in Gesichtern erkennen und interpretieren", sagt er selber über seine Fähigkeit, schnell mit Menschen intensiven Kontakt herzustellen. Das hilft ihm nicht nur im Job, sondern auch bei seiner großen Leidenschaft dem Fotografieren."
Fotografiert hat er eigentlich schon immer. Aber während seiner Zeit bei Bertelsmann, Anfang der 90er Jahre, lernte er sein Hobby zu professionalisieren, weil er ständig auf Fotoshootings war. Schon damals ließ er sich von den Eigenarten der Menschen inspirieren und begann schnell, auf der Straße spontane Situationen zu schießen. Schipper mag es, wenn das Foto aus einer gewissen Beiläufigkeit entsteht, nichts gestellt oder bewusst arrangiert wirkt. Er bevorzugt Menschen ohne Posen, die einfach nur mit sich sind. Er schafft es dabei auch immer wieder, Wildfremde dazu zu bringen, mit ihm ganz locker zu interagieren. Die Faszination, sich über die Kamera und die Beobachtung von Menschen Orte zu erschließen, stundenlang mit der Kamera (er hat vier digitale Profikameras) durch Städte zu streifen, hält bis heute an. "Menschen sehen in Paris einfach anders aus als in Rom. Der Blick durch die Linse schärft den Blick für die Eigenarten eines Ortes, für das Feeling einer Stadt", erzählt er. Wenn der Hamburger, den Freunde nur Mickey oder Schippy nennen, nicht auf die Uhr schauen muss, stromert er so lange rum, bis ihm ein "Picture of the Day" gelingt. So wie etwa das beeindruckende Porträt eines Schwarzen, in dessen Sonnenbrille sich die Straßen von San Francisco spiegeln, während er selbstbewusst in die Kamera schaut. Ein anderes Lieblingsmotiv des 47jährigen ist eine Frau in einem engen Bleistiftrock, die er beim Shoppen fotografiert hat. Der Betrachter kann seine eigene Phantasie in das Motiv legen. Vielleicht ist sie eine gelangweilte Ehefrau, die die Kreditkarte ihres Mannes zum Glühen gebracht hat. Oder eine selbstbewusste Pariserin, die sich an einem ihrer wenigen freien Tage durch St. Germain treiben lässt und sich selbst mit wunderschönen Dingen belohnt. Oder eine Frau, die als Belle de Jour arbeitet und dafür entsprechende Kleidung braucht. Was immer ihre Geschichte ist, jetzt hängt sie bei Michael Schipper im Büro. Nicht die schlechteste Aussicht neben der auf die quirlige Hanauer Landstraße in Frankfurt und den Hafen, wo die Agentur in Hamburg ihren Sitz hat.
Das Individuelle des Menschen sehen
In der Agentur fotografiert er gerne und viel seine Mitarbeiter und entdeckt darüber völlig neue Seiten an ihnen. Viele Menschen begleiten ihn über Jahre. Wer einmal mit ihm gearbeitet hat, möchte das weiter tun. Auch deshalb sind einige Mitarbeiter von BBDO zu ihm gewechselt. Er bindet Menschen, weil er ihnen in einem Maße Aufmerksamkeit schenkt, wie es kaum noch jemand sonst im Zeitalter des Controlling tut. Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit sind ihm die wichtigsten Ziele für die Zukunft. "Ich komme aus einer Arbeitskultur, wo es immer nur darum ging, noch mehr zu erwirtschaften. Wirtschaftlichkeit ist wichtig, aber eben nicht alles. Was ist mit Zufriedenheit, Glück und Freude?" Schipper glaubt an die Bedeutung von Werten, so naiv das im harten Wettbewerbsumfeld der Agenturbranche auch klingen mag. Bei einer Rede des späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck über Freiheit auf einem DM-Kongress vor zwei Jahren dämmerte es dem Agenturmann, dass er für sich einen neuen Weg im Job finden musste. Statt Excel-Charts hin- und herzuschieben, wollte er wieder nah am Geschäfts des Kunden sein. Heute tut er also wieder das, warum er einst in die Werbung kam: Beraten mit Leidenschaft. Darüber hinaus macht er sich intensiv Gedanken darüber, wie er eine Agentur aufbauen kann, die sich am Menschen orientiert. "Die Individualität jedes Mitarbeiters soll wichtig bleiben. Ich höre genau hin, wie jemand tickt. Denn die Menge der einzelnen Dinge, die man tut, führen dazu, dass Menschen sich wohlfühlen." Sein Menschenbild war schon immer so, aber die Zusammenarbeit mit seinem nach anthroposophischen Prinzipien arbeitenden Kunden DM hat die Perspektive sicher noch einmal geschärft.
Genug Zeit zum Fotografieren soll ihm dennoch bleiben. Sein Portfolio deckt mittlerweile ein breites Spektrum ab. Die Landschaftsbilder einst quasi Abfallprodukt bringen ihm mittlerweile die Anerkennung von Profis ein. "Die Leichtigkeit von Michael im Umgang mit Menschen findet man auch in seinen Fotos. Formal hat er sich in den letzten drei Jahren weiterentwickelt. Arbeiten wie VENICE steht in der Tradition von Saul Leiter. Michael spielt mit Vorder- und Hintergründen, das macht seine Arbeit komplexer", zollt ihm der renommierte Berliner Fotograf Oliver Mark Respekt. Ein wenig stolz ist Schipper schon, wenn er das hört. Gleichzeitig kitzelt das Lob seinen Ehrgeiz. Was nicht unbedingt bedeutet, in Zukunft mehr Technologie einzusetzen. Technik an sich interessiert ihn nicht besonders. Genauso wenig wie Bewegtbild oder die gelackte Oberfläche von Werbefotos. Schipper sieht sich eher als Chronist, in der Tradition von Pressefotografen, die den richtigen Moment erfassen. Obwohl Fotografie einen großen Anteil an seinem Leben hat, denkt er ans Umsatteln nicht wirklich. "Es wäre natürlich toll, wenn ich - sagen wir mal in zehn Jahren - damit genug Geld verdienen könnte", denkt er laut nach. Doch die nächsten Jahre wird er der Werbebranche auf jeden Fall erhalten bleiben. Seine Agentur zum Erfolg zu führen, ist ihm ebenso wichtig wie ein gutes Foto. Und das ist gut so. Auch für die Branche. Denn von Agenturmanagern, die richtig hingucken und Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen, gibt es zu wenige. Und schon klickt es wieder. Michael Schipper strahlt, er hat sein "Picture of the Day" gefunden.
Mehr Motive von Michael Schipper gibt es unter: Mickey-Hamburg.com Die Autorin
Ingeborg Trampe ist noch immer Journalistin im Herzen, auch wenn sie nach Stationen bei HORIZONT, Y&R, Neue Sentimental Film und BBDO heute überwiegend als PR-Beraterin für mittelständische Unternehmen in Hamburg arbeitet. Zum Leidwesen mancher Mitmenschen mag sie französische Dialogfilme, singt Jazz und Chansons und schwimmt viel und intensiv, um den Kopf freizukriegen. Ihr Lieblingslogo ist das vom Kaffee Wacker in Frankfurt, wo es den besten Espresso in Deutschland gibt.
www.trampe-communication.de