Stein des Antoßes: die Anzeige von Scholz & Friends
Die Anzeige, die Scholz & Friends zum Abschied von Saturn geschaltet hat, schlägt hohe Wellen. Das Motiv "Der Horror hat ein Ende" befeuert die Diskussion über den Umgang von Kunden und Agenturen miteinander. Während manche die Aktion von Scholz & Friends für ein absolutes No-Go halten und von Nachtreten sprechen, sehen andere darin die berechtigte Antwort einer Agentur, die sich nicht alles gefallen lassen will. HORIZONT hat mit Pitchberater Jan-Piet Stempels gesprochen und ihn um eine Einschätzung gebeten. Als Partner der Firma The Observatory kümmert er sich auch um die Pflege der Beziehungen von Werbungtreibenden und Agenturen.
Wie bewerten Sie, dass eine Agentur den Verlust eines Etats so kommentiert, wie es Scholz & Friends in der aktuellen Saturn-Anzeige getan hat? Reaktionen wie diese sind ein Alarmsignal an die Branche. Unter dieser Spitze liegt ein gewaltiger Eisberg tagtäglich erlebter Albträume auf prozessualer und kommunikativer Ebene. Der Hauptgrund: Kunden und Agenturen versäumen es sehr oft, sich über professionelle Spielregeln des Miteinanders verbindlich zu einigen, bevor das Tagesgeschäft über beide Seiten hereinbricht.
Jan-Piet Stempels (Foto: Arne Lesmann)
Darf eine Agentur ihre (Ex-)Kunden öffentlich kritisieren, wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlt oder muss sie sich grundsätzlich zurückhalten? In der Regel sollte unserer Meinung nach jeder Dienstleister seine Erfahrungen mit Kunden für sich behalten, gleichzeitig sind aber alle Player im Markt angehalten, extreme Positiv- wie Negativbeispiele direkt zu benennen, um einen konstruktiven Diskurs über unsere Branchenkultur, wenn nötig, immer wieder anzustoßen.
Manche Beobachter empfinden das Motiv als Nachtreten, andere sehen darin dagegen ein Zeichen für aufrechte Haltung. Wie lautet Ihr Urteil? Wenn Agenturen als Beratungspartner auf Augenhöhe wahrgenommen werden wollen, dürfen Sie sich natürlich nicht alles gefallen lassen. Ganz im Gegenteil: Unsere Branche hat einen offenen, gern auch kontroversen Diskurs rund um die Fragen des Miteinanders dringend nötig. Meiner Erinnerung nach hat die souveräne Tonalität der sehr gut gemachten Edeka-Abschiedsanzeige von Grabarz & Partner diesen Diskurs leider nicht in der Form entfacht wie jetzt das Saturn-Motiv von Scholz & Friends.
Wie, glauben Sie, kommt eine solche Anzeige beziehungsweise solch ein Verhalten bei Werbekunden an? Das Feedback unserer Kunden geht in beide Richtungen: Einige Unternehmen zeigen grundsätzliches Verständnis, andere sind verwundert darüber, dass ein Dienstleister Probleme mit Auftraggebern offen thematisiert.
Agenturen wird oft vorgeworfen, als servile Dienstleister aufzutreten, die sich nichts trauen. Wo endet aus Ihrer Sicht aufrechte Haltung und wo beginnt unpassendes Verhalten? Unter Marketingprofis sollte kein Platz für Opportunismus sein. Die Werbungtreibenden sind gut beraten, sich für Agenturen mit einer klaren Meinung zu entscheiden, denn nur so kann man in der fachlichen Auseinandersetzung das beste Ergebnis erzielen. Agenturen müssen aber ebenso professionellen Pragmatismus walten lassen, zum Beispiel wenn es um die termingerechte Erstellung von Werbemitteln geht.
Interview: Mehrdad Amirkhizi Was Scholz & Friends-Chef Frank-Michael Schmidt und Agenturgrößen wie Lothar Leonhard und André Kemper zum Thema sagen, lesen Sie in HORIZONT-Ausgabe 23/2013 vom 6. Juni